Der frühere Branchenprimus Mistral hatte sich in den letzten Jahren nicht unbedingt mit Windsurf-Innovationen hervorgetan. Mit dem neuen Segelkonzept "Carbowing und einer steifen Kontruktionstechnik für aufblasbare WindSUP-Boards, dem Twin Air, soll sich das jetzt wieder ändern.
Ernstfried Prade ist ein echtes Windsurf-Urgestein und einer der Gründerväter von Mistral. Nachdem es in der Windsurfsparte des einstigen Branchenprimus einige Jahre eher ruhig zuging, macht man jetzt gleich mit zwei Produktneuheiten – dem Mistral TWIN AIR SUP und dem Carbowing – von sich reden. Im surf-Interview spricht Prade über die Hintergründe.
SURF: Ernstfried, ihr habt bei Mistral mit dem TWIN AIR ein aufblasbares WindSUP in neuer Technologie entwickelt, welches auch zum Gleiten einsetzbar sein soll. Erzähl uns doch bitte etwas über die Details.
Das neue Modell TWIN AIR hat zwei Luftkammern in Längsrichtung. Der erste Grund hierfür ist der Sicherheitsaspekt. Jede Luftmatratze und jeder Schwimmflügel muss seit ewigen Zeiten zwei Kammern haben, das Thema aufblasbare Surfboards ist an den Ordnungsämtern bisher scheinbar völlig vorbeigegangen. Aber es ist zu erwarten, dass man da irgendwann gegensteuert. Neben dem Sicherheitsaspekt bieten zwei Kammern aber auch einige konstruktive Vorteile.
Welche sind das?
Zwischen diesen beiden Kammern können wir einen rollbaren Stringer einarbeiten, was Steifigkeit bringt, die nahe an Hardboards heranreicht. Da man bei zwei Kammern auch vier senkrechte Seitenwände hat, die ebenfalls wie Stringer wirken, wird die Konstruktion extrem steif. Wir können dadurch den Fülldruck der Boards reduzieren auf 10-12 psi, normal sind 15-18 psi. Das bedeutet weniger Pumparbeit und weniger Zug auf den Nähten, sprich längere Haltbarkeit. Auch wenn man es mal in der Sonne liegen lässt, muss man nicht gleich Angst haben, dass einem alles um die Ohren fliegt. Und nebenbei bieten die beiden Kammern die Möglichkeit, stabile Boxen für Finne und Centerfinne im Board zu verankern. Diese Komponenten werden gewissermaßen vor dem Aufpumpen zwischen die beiden Kammern geschoben und sitzen in aufgeblasenem Zustand extrem fest im Brett. Auf diese Weise hält auch eine lange Finne den Belastungen beim Surfen stand, was im Vergleich zu Finnen, die in außen aufgeklebten Kästen verankert werden, natürlich viel mehr Leistung bringt.
Ihr bewerbt den TWIN AIR als Gleitboard. Um ehrlich zu sein, haben wir bisher noch kein aufblasbares Brett getestet, welches bei der Performance in die Nähe von festen Boards kam...
Um der Performance von festen Boards möglichst nahe zu kommen, sind bestimmte Faktoren wichtig. Ein Shape, der sich nicht verändert und steif bleibt, eine scharfe Abrisskante im Heckbereich und eine gute Finne. All diese Grundvoraussetzungen für gutes Gleiten sind beim TWIN AIR erfüllt.
Welche Größen bietet Mistral an und was sollen die Bretter kosten?
Es wird ab Juni 2020 ein Longboard mit 12’6’’ (das entspricht einer Länge von zirka 380 Zentimetern, die Red.) geben, ein Allround- bzw. Familienbrett mit 9’6’’ (ca. 290 Zentimeter) und einen 8’2’’er (ca. 250 Zentimeter). Alle Boards haben eine Finne dabei und eine Centerbox in der Mitte, auch handelsübliche Deep-Tuttle-box-Finnen können mit einem Adapter verwendet werden. Die Preise für die Boards liegen bei 999 Euro.
Lass uns über euren neuen Carbowing sprechen, ein Rigg, welches es ab Frühjahr im Handel geben soll. Es erinnert, mit Verlaub, eher an ein Katamaransegel.
Wir haben drei Jahre daran gearbeitet. Die Idee ist, ein leistungsstarkes Segel zu entwickeln, welches ohne Camber auskommt, viel Leistung bietet sowie extrem leicht und ausgesprochen einfach zu handhaben ist. Das Rigg besteht aus einem speziellen Profilmast aus Carbon, in den das Segel eingefädelt wird. Der Mast ist hohl und aus Vollcarbon, es gibt keine Masttasche die Wasser aufnimmt. Wasserstarten wird damit zum Kinderspiel. Auch wird der Mast nicht über den Trimm gebogen, die Trimmkräfte sind somit gering, das Segel wird nur, ähnlich wie bei einem Katamaran, in eine Nut eingeführt. Der Mast selbst dreht sich mit dem Profil mit und begünstigt dadurch immer die Bildung des richtigen Profilverlaufs. Weil das Profil sehr weich ist, schlagen die Latten super um, man muss nach Manövern also nicht anreißen.
Ein normales Windsurfsegel braucht eine entsprechende Vorliekspannung und ein lockeres Achterliek (Loose Leech), um in Böen den Druck abzulassen und kontrollierbar zu bleiben. Muss ein Konzept wie der Carbowing bei starkem Wind nicht zwangsläufig toplastig und schlecht zu kontrollieren sein?
Das Segelprofil ist oben sehr flach, es lässt den Druck gut ab. Da der Mast aber nicht arbeitet, sondern seine Form behält, haben wir kaum Druckpunktwanderungen, denn das Segel entwickelt nicht die bei Rundmasten üblichen Querkräfte, sondern alles geht in den Vortrieb. Der Mast ist hohl, leicht und besteht aus drei Teilen. Man kann ihn für alle Segelgrößen des Carbowings von 4,5 bis 7,2 qm verwenden. Die Gabel hat eine fixe Länge, das Trimmsystem ist im Holm integriert. Dadurch wiegt die Gabel nur rund ein Kilo!
Man braucht also eine spezielle Gabel dafür?
Genau, der Carbowing ist als Komplettrigg konzipiert. Die Höhenverstellung der Gabel erfolgt über einen Drehmechanismus, eine Verstellung kann sogar während des Surfens millimetergenau erfolgen. Der Tenor des gesamten Konzepts liegt auf der Einfachheit: Geringe Trimmkräfte, geringes Gewicht beim Wasserstarten, aber Leistung wie ein Cambersegel. Die gesamte Segelrange von 4,5 bis 7,2 qm funktioniert auf der gleichen Mastlänge und mit zwei Gabelbäumen. Es gibt auf dem gesamten Markt kein zweites Produkt wie dieses.
Ab wann wird das Rigg verfügbar sein?
Ab Juni sollte man es kaufen können. Der Preis für das Komplettrigg wird im Bereich anderer Hochleistungs-Camberriggs liegen.
Sobald beide Produkte auf dem Markt verfügbar sind, werden wir diese testen und euch im surf Magazin ausführlich vorstellen.