Sarah Hauser
, Michi Schweiger
· 27.10.2022
Code Red signalisiert in der Surferwelt einen nahenden Monster-Swell. Mitten im wellenarmen Sommer von Hawaii überraschte im Juli ein Code Red, gepaart mit starkem Wind, die Maui-Big-Wave-Gang. In La Perouse erlebten die besten der Besten die Wellen des Jahrzehnts. Zwei, die dabei waren, berichten.
Man sollte meinen, dass inzwischen jeder schon so viele Bilder von großen Wellen aus Hawaii gesehen hat, dass uns nicht mehr viel überraschen kann. Nun, eigentlich. Am Wochenende des 16. und 17. Juli 2022 wurde mir klar, dass es noch viel Raum zum Staunen gibt. Zwei Monate nach Beginn des Maui-Sommers – was normalerweise gleichbedeutend mit starken Winden und keinen weiteren Swells aus dem Nordpazifik ist – erreichte der Code-Red-Swell, der ein paar Tage zuvor Französisch-Polynesien getroffen und das Internet in einen Teahupoo-Rausch versetzt hatte, die Südküsten, der hawaiianischen Inseln und damit auch La Perouse.
Da ich unbedingt sehen wollte, welche Art von Brandung ein solcher Swell erzeugen kann, fuhr ich in Richtung Süden zur Bucht von La Perouse. Ich parkte direkt neben dem riesigen Truck von Robby Naish, begrüßte US1111 (Robbys Segelnummer) und die anderen Windsurfer, die dort waren: Jason Polakow, Michi Schweiger, Levi Siver und sein Bruder Luke. Zane Schweitzer stieß etwas später zu uns (er musste erst noch ein paar Barrels surfen). Bei so einem Promi-Auflauf am Strand weiß man, dass man am richtigen Ort ist.
Ich rief meinen Bruder Luke an und fragte, ob er mitkommt nach La Perouse – ich wollte einfach nicht allein sterben. (Levi Siver)
„Verdammt! Der Tampen an meiner Verlängerung ist dabei, zu reißen... na ja! Hoffentlich nicht heute“, warf Luke Siver gelassen ein, als er mit dem Aufriggen fertig war. Wenn ich nicht wüsste, dass Luke fünfmal im Jahr für die krassesten Sessions am Strand auftaucht – und es irgendwie immer schafft, die verrücktesten Moves zu präsentieren, würde ich mir Sorgen machen. Aber ich wusste, dass dies ein ganz normaler Tag für Luke war. Ich hatte eher das, na ja, gegenteilige Problem: Ich hatte eine brandneue Ausrüstung. Ein neues Quatro-Board und einen ganz besonderen Satz neuer Segel. Warum besonders? Sie sind lila. Indigo, um genau zu sein! Eine Sonderfarbe, die meinen Hauptsponsor Medallia repräsentieren soll. Dieses ästhetische Detail ist tatsächlich ein großer Meilenstein für mich. Oh, oh, bloß nichts kaputt machen, dachte ich, während Luke und ich „Oh, mein Gott!“ riefen, als sich ein riesiges Set über dem Horizont erhob – und in die Bucht und auf die Lavafelsen an der Küstenlinie mit ihren Kiawe-Bäumen voller Dornen wogte.
Ich hatte nagelneues Material, das extra für meinen Sponsor designt war. Meine größte Sorge war, dass ich es gleich in La Perouse zerstöre. (Sarah Hauser)
Die Jungs gingen auf 4,0 und 4,5 raus, also riggte ich meinen 3,4 S2 Dragon und sprang zwischen zwei Sets von den Felsen vor dem Parkplatz und surfte hoch auf die Welle zu. Der Wind wehte stark und ablandig über die zerklüftete Küstenlinie aus Lavafelsen, so dass es heftig böig war. Draußen angekommen, sehe ich, wie Luke die erste Welle eines riesigen Sets ansteuert. Und ich befinde mich in der perfekten Position, um die zweite Welle zu erwischen. Im Augenwinkel bemerke ich, dass auch Robby Interesse an dieser Welle zeigt, also erhöhe ich meinen Speed, um Robby meine Entschlossenheit und meine Ich-hab‘s-drauf-Aura zu zeigen. Im anderen Augenwinkel sehe ich, dass Polakow gerade noch über die erste Welle kommt und den Rest des Sets irgendwie überstehen wird. Aber genug geschaut. Jetzt fahre ich eine Welle hinunter, die sich anfühlt wie eine Jaws-Welle, nutze jede Böe und halte Ausschau nach fiesen Kabbelwellen. Nur gibt es keine, die Welle ist glatt wie ein Babypopo.
Als ich hinter mich schaue, beobachte ich, wie die riesige Barrel aus türkisfarbenem und weißem Wasser explodiert. Es ist beängstigend und faszinierend zugleich. Ich nehme mir den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um diesen Moment voll auszukosten. Vielleicht passiert so etwas nie wieder, aber jetzt bin ich hier. Ich steige am Ende der Welle aus und kriege mit, wie Jason Polakow einen Aerial perfekt timt, während ich wieder hinaussurfe. Der ablandige Wind bläst Jason fast zurück hinter die Welle, doch er schafft es irgendwie in die Welle zurück, um einen weiteren Turn in die glatte Wand zu schneiden. Er sieht so souverän aus, ich beneide ihn um sein Talent und seine Erfahrung. Er hat sogar einen Trockensack mit Snacks und Wasser mitgebracht, der an einem Anker befestigt ist. Ein Polakow-Picknick, geht es mir durch den Kopf. Wir kreuzen uns auf der Außenseite und er schreit: „Das macht viel Spaß!“ Ich schreie zurück: „RICHTIG?! SO SMOOTH!“ Und auch so beängstigend, aber darüber spreche ich nicht mit Polakow.
Die Sets kamen unaufhörlich, manche mit zwei Peaks, andere nur mit einem riesigen A-Frame. Mit der Zeit wurden wir immer mutiger mit unserem Timing. Nach einer Weile spürte ich, wie meine Arme sehr müde wurden. Wenn es etwas gibt, was ein Spot wie La Perouse deutlich macht, dann dass Fehler hier viel kosten. Die Hookipa-Felsen sind im Vergleich zu den scharfen Lavaformationen weich und gemütlich. Ein Sturz und eine kaputte Ausrüstung würden bedeuten, dass ich lange in der Strömung schwimmen müsste, um die beste Stelle zu finden, an der ich die Felsen hochklettern könnte, ohne vom Shorebreak zerschmettert zu werden. Da ich merkte, dass ich langsam an dem Punkt angelangt war, an dem ich nicht mehr die nötige Energie hatte, um mit einer brenzligen Situation fertigzuwerden, beschloss ich, auf Nummer sicher zu gehen und hineinzugehen. Zane hingegen blieb noch eine Weile draußen, bis er eine Welle ritt, die er falsch einschätzte und böse abgeräumt wurde. Ich war nicht mehr da, um es selbst zu sehen – aber Gerüchten zufolge, fand er sein Brett aufgespießt in einem Kiawe-Baumzweig, nachdem er einigermaßen heile die Lavafelsen erklommen hatte. Seine Session endete mit einer Wanderung über die Lavafelder, die niemand barfuß zurück zum Parkplatz machen möchte.
Ich bin so glücklich, dass ich so oft in meinem Leben zur richtigen Zeit am
richtigen Ort war. (Robby Naish)
Am nächsten Tag waren wir wieder zurück und hofften auf noch mehr von dem süßen Stoff. Aber die Richtung des Windes und der Wellen hatte sich leicht geändert, so dass es irgendwie unmöglich war, in die Wellen zu kommen.
Fast aus dem Nichts war der Süd-Swell des Jahrzehnts hier aufgetaucht – und war nun auch schon wieder auf den Weiten des Pazifiks verschwunden. Doch wir saugten seine Energie auf, und das war all die „Leerhübe“ in der Vergangenheit wert.
Wir hatten diesen Süd-Swell schon seit einiger Zeit beobachtet, weil er auf Tahiti ein paar Riesentage am legendären Spot Teahupoo verursacht hatte und viel in den Wellenreit-Medien und auf Social Media zu sehen war.
Süd-Swells sind auf Maui immer so eine Sache. Durch die vorgelagerten Inseln wie Big Island, Kaaholawe, Lanai und Molokai weiss man nie, was dann wirklich ankommt – je nachdem, wo man hingeht.
Für diesen Swell überlegten wir, nach Oahu zu fliegen, um Diamond Head und die Spots in der Umgebung auszunutzen. Schlussendlich sind wir dann doch zu Hause geblieben und zu dem wahrscheinlich abgelegensten Spot auf Maui gefahren. Man kann schon fast sagen, das ist „the end of the road“, da von dort nur noch Offroad-Trails weitergehen, die allerdings alle nicht normal zugänglich sind.
Als wir dann ankamen, war gleich klar, dass es größer ist als ich es je gesehen hatte. Die Wellen brachen fast am Ende der Lava- Halbinsel, und das Weißwasser, das vom Wellenkamm durch die schräg ablandigen Winde abgerissen wurde, kreierte einen hellen Vorhang, der sich wie ein Drachenschwanz hinter jeder Welle herzog.
Wir sind dann mit 4,0er und 4,2 er Segeln an die Sache gegangen und hatten gemeinsam mit Sarah Hauser, Jason Polakow, Levi und Luke Siver und Zane Schweitzer eine unvergessliche Session. Mit dem Offshore-Wind und der schnellen Welle ist es die größte Herausforderung, auf die Welle zu kommen. Am Anfang ballert es ohne Ende, und der ablandige Wind will einen nach hinten von der Welle runterdrücken. Sobald man es aber durch die Anfangsphase der Welle geschafft hat, kommt man in eine Windabdeckung und kann dann die glatte Oberfläche der Wellen schön ausnutzen.
Auf jeden Fall war es eine Session, die man lange nicht vergisst – oder nie!
Am Sonntag probierten wir es noch einmal in La Perouse , mussten aber erst mal warten, da die Zufahrtsstraße gesperrt war. Es mussten erst Steine und Schrott mit Bulldozern weggeräumt werden. Robby war früh dran, er hatte es noch vor der Absperrung geschafft und kam jetzt in den Genuss einer Solo-Session. Wir waren dann alle leider viel zu spät dran, denn der Wind drehte auf zu ablandig und wurde dann auch immer schwächer. So begnügten wir uns einfach damit, das Naturerlebnis beim Zuschauen zu genießen.