Tilo Eber
· 31.03.2016
Polen- der unbekannte Nachbar: Ihr werdet euch wundern, wie vielfältig die Windsurf-Reviere an der östlichen Ostseeküste sind. SURF Autor Tilo Eber zeigt euch die besten Spots der Küste.
Die deutsch-polnische Nachbarschaft: Nicht Freund, nicht Feind, lebt man in distanzierter Nähe und hat mehr Klischees parat als Städtenamen östlich von Oder und Neiße. Zugegeben, Mauerfall und Schengen-Abkommen liegen zeitgeschichtlich etwa so weit zurück, als hätte der Nachbar gerade erst die Umzugskartons ausgeräumt. Doch vielleicht ist gerade deswegen der richtige Zeitpunkt, sich besser kennen zu lernen.
Über die ab Rostock gespenstisch leere A20 ist man schnell an der Grenze. Wir brauchen drei Autostunden von Hamburg. Hinter einem nicht enden wollenden Basar, auf dem es nach Krakauern, Parfüm und billigem Leder duftet, versteckt sich das Seebad Swinemünde. Hardcore-Flanierer gelangen auch über die längste Strandpromenade Europas von Bansin aus in den Kurort am Ostende Usedoms. Swinemünde ist hübsch – Bäderarchitektur, Hotels in renovierten Villen, feiner Sandstrand. Es ist ein sonniger Sonntagmittag, die Kaffees der Stadt sind voll. Zwei Dauerwelle tragende polnische Damen am Tisch neben uns trinken ihr dunkles Bier leer und bestellen anschließend einen Kaffee mit Schuss.
Mit einer hektischen Lichthupen-Salve stoppen wir den ersten Surfbulli, der uns über den Weg fährt. Natürlich heißt der Fahrer Tomek und spricht Deutsch. Tomek schenkt uns eine Straßenkarte und markiert darauf alle Spots der Umgebung, dazu erhalten wir eine Einführung in die polnische Schimpfwörter-Kunde: "Stettiner Haff kannst du jeden Wind surfen, aber – Curva – ist böig da! Auf der Ostsee – Curva – hast du schöne Welle bei Nordost, vor allem Miedzyzdroje – Curva – da kann hoch werden! Aber heut du hast da nur, wir Polen sagen, Kartoffelwasser, Curva! Besser du fährst zum Leuchtturm – Curva – da ist flach wie Spiegel!".
Wenig später stehen wir vor einem Leuchtturm am Ende einer kleinen Landzunge, hinter der es bei östlichen Winden – Curva (ich will lieber nicht wissen, was das heißt) – tatsächlich spiegelglatt ist und zudem stehtief. Nach einer Freestyle-Session an Tomeks geheimen City-Spot geht es mit der Fähre über die Swine, dann auf einer holprigen Landstraße weiter nach Miedzyzdroje, einem der bekanntesten Badeorte der Ostseeküste.
Trotz des frischen, schräg-auflandigen Windes ist viel los am Strand, der – Curva! – schon wieder karibisch weiß ist und sich anfühlt wie Puderzucker. Eine lange Seebrücke zweigt sich von der Promenade ab und verleiht der Kulisse den Charme vergangener Zeiten. Kaiser Wilhelm II. soll hier oft auf Kur gewesen sein. Ich baue mein 4,8er auf und bedauere den Umstand, dass Windsurfen nicht früher erfunden wurde. Die bunten Segel vor endlosem Sandstrand und bewaldeten Hügeln im Hintergrund – das hätte dem schwermütigen Preußen bestimmt gut getan.
Den gesamten Reisebericht Polen mit diesen Spots findet ihr unten als PDF-Download:
• Stettiner Haff • Swinoujscie • Miedzyzdroje • Dzwirzyno • Rowy • Leba • Debki • Hel