
Stephan Gölnitz [Segel] NEILPRYDE Hellcat 8,2 : [Tester] Frank Lewisch : [Spot] Dahab
Gardasee, Südafrika, Ägypten, Gardasee – die Reiseroute von September bis März zumindest einiger unserer Testsegel liest sich wie aus einem Drehbuch zu Endless Summer. Insgesamt 17 Segel zu beurteilen erfordert einen hohen Aufwand – gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass diese Segel vielen Surfern erst zu der erhofften ordentlichen Windausbeute verhelfen. Wer einmal ein Achtnuller besitzt, wird sich wundern, wie oft man tatsächlich eins braucht. Selbstverständlich hat das Testteam nebenbei auch viele andere Produkte getestet – immer wenn der Wind für die Achtnuller zu stark war.
17 Segel in einer Gruppe erfordern dabei einen besonderen logistischen Aufwand. Am Gardasee haben wir mit NeilPryde H2, Vandal Stitch und North X_Type den Test begonnen, dann verließ uns der Wind leider bis zur Abreise. Weil bei der Lufthansa das Verständnis für unsere Probleme leider auch Grenzen kennt, reisten nur die Cambersegel nach Langebaan – plus ein Vandal Stitch als camberloses Vergleichssegel. Damit es schließlich ein so umfassendes Testpaket wird, wie hier präsentiert, wurden Anfang März die camberlosen Freeridesegel nochmals gepackt. Dahab, Ägypten hieß das Ziel. Doch auch hier reichte der Wind am Ende nicht ganz für sichere Resultate, erst ein letzter Kurztrip nach Torbole ermöglichte eine saubere Beurteilung der beiden letzten camberlosen Kandidaten.
Es war ein guter Trip zu Saisonbeginn, der uns noch mal die Vorzüge dieser Segelklasse offenbarte. Denn was gibt es schöneres, als bei schwach beginnender Ora als Erster über den leeren See zu gleiten. Die camberlosen Segel wirken super leicht, selbst mit nicht-hühnenhaften Körpermaßen von gerade mal 80 Kilo sind die großen Tücher einfach zu handeln. Moderne Schnitte und hochwertige Latten halten die Segel auch in den Böen stabil, die Segelgröße “Achtnull” deckt einen Windbereich ab, in dem Windsurfen einerseits noch sehr entspannt zugeht, andererseits aber bereits sehr sportlich abgehen kann. Beinahe so sportlich wie mit dem Racesegel, das wir als Referenz gegen die Freeracesegel ins Rennen geschickt haben.
Racesegel im Vergleich
Wer mit Cambersegeln liebäugelt, schielt womöglich auch zu den “richtigen” Racesegeln. Grund genug für uns als Nummer 17 im Test ein North Sails Warp 8,0 zum Vergleich mitzunehmen. Die Kurzkritik: Das Racesegel wirkt sehr straff, spürbar schwerer beim Angleiten und in Manövern schon sehr unhandlich, beim Wasserstart zieht es mehr nach unten als nach oben. Im Leistungsvergleich gewinnt es aber erstaunlicherweise bereits bei mittlerem Wind und auf allen Kursen, bei Starkwind sowieso. Auf schnellen Slalomboards lässt sich mit dem Racesegel immer noch ein Pünktchen mehr Speed herausfahren, da kann keines der Freeracesegel folgen. Dabei ist es erstaunlich einfach zu fahren, super druckpunktstabil und neutral. Für die Top-Leistung muss aber alles stimmen: von der Finne bis zur perfekt eingestellten Trapeztampenlänge. Regattafahrer brauchen daher Racesegel. Wer aber ohne Competition-Lycra und Segelnummer unterwegs ist, ist zu 90 Prozent mit einem Freeracesegel aus diesem Test besser bedient.
Einige tendenziell flachere Profile darunter, wie die raceorientierten North Sails Ram_F10 und Gaastra GTX Race, aber auch das Gaastra Matrix, wirken im unteren Windbereich etwas weniger fahrstabil, dafür agiler und reaktiver. Vor allem Surfer mit gutem Segelgefühl mögen das und können das Segel feinfühlig optimal anstellen. Segel mit besonders tiefem Bauch erreichen vielleicht nicht den absoluten Top-Speed, liegen aber meist stabiler in der Hand, erfordern weniger Segelkorrekturen und sind schnell im unteren und mittleren Windbereich. Typische Vertreter dieser “echten” Freeridesegel sind das Sailloft Cross Pro und das North Sails S_Type. Das neue NeilPryde H2 lässt sich am ehesten als Bindeglied zwischen den beiden Gruppen einordnen.
Das camberlose Vandal Stitch war für Wochen unser Referenzsegel beim Test der Cambertücher in Langebaan, und sorgte schon früh für die Überraschung im Test. Denn bereits bevor die camberlosen Segel gegeneinander getestet waren, war klar, dass auch in dieser Größe Camber für Leistung und Einsatzbereich nicht zwingend nötig sind. Camberlose Segel können weitgehend mithalten, die Leistungsunterschiede sind recht gering, die Vorteile beim Aufbau, und vor allem in Manövern sehr groß. In Punktsumme liegen die besten Cambersegel mit den stärksten No-Cams gleichauf. Wir würden einer knappen Mehrheit der Surfer mit diesen Testerkenntnissen sogar in der Größe um acht Quadratmeter eher ein camberloses Segel empfehlen als eines mit den Profilzangen. Die Auswahl guter Produkte ist in beiden Fällen jedenfalls groß genug.

Stephan Gölnitz Camber-Segel sind – Ausnahmen bestätigen einige Segel – fahrstabiler, wirken meist etwas straffer, gleiten einen Tick früher und einfacher an und bieten häufig einen größeren Einsatzbereich ohne umzutrimmen.
Freeride- und Freeracesegel 2010
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