Dennis Müller jagt konsequent seine Träume. Nach der Ausbildung als Bankkaufmann in Wesel zog es ihn wegen des Windsurfens nach Norderney. Nach sechs Jahren Sparkasse lockte ihn die Windsurf-Welt. Er kündigte und ging mit seiner Freundin auf „Eine Reise mit dem Wind“.
Wesel ist sicher nicht der Nabel der Windsurfwelt. Das musste Dennis Müller schon früh feststellen. In seinen Träumen kamen weder der Rhein noch der Xantener Nordsee vor. Vielmehr tauchten vor seinem inneren Auge Spots wie Kapstadt, die Kanaren, Chile oder Brasilien auf. Seine Leidenschaft zum Windsurfen spornte ihn früh an. Schon mit zwölf Jahren nahm er an den ersten Regatten teil. Seinen Zivildienst absolvierte er auf Norderney, wohin es ihn nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann auch dauerhaft zurück zog.
Damit war besurfbares Wasser nur noch einen Steinwurf entfernt. Doch die Erfüllung seiner Träume konnte ihm auch der Job als Kundenberater bei der Sparkasse nicht bieten. Dazu bedurfte es dann die Überwindung, seinen Chef um eine 15-monatige Auszeit zu bitten. Der stimmte zu und Dennis konnte Ende 2011 zu seiner ersten Windsurf-Weltreise aufbrechen. 2013 kehrte er um viele tolle Erfahrungen und grandioser Erlebnisse reicher voll motivert an den Schreibtisch der Sparkasse zurück.
Die nächsten Jahre war wieder überwiegend Business-Anzug statt Neoprenanzug angesagt und Dennis kletterte die Karrieretreppe zum Leiter Privatkundenbereich der Filiale Norderney hoch. Aber der Hunger nach mehr Windsurf-Trips rund um den Globus wurde im Laufe der Zeit wieder immer stärker. Und bevor die Ü30-Parties drohten, fasste Dennis mit seiner langjährigen Freundin Katrin einen Entschluss: „Eine Reise mit dem Wind“ musste her und dafür kündigte Dennis seinen sicheren Job.
Mit Verlaub, Dennis, du kündigst einen Top-Job auf einer Windsurfinsel, um ein bisschen zum Windsurfen um die Welt zu tingeln – hast du noch alle Latten am Zaun?
Ja, vielleicht ist da etwas dran! Norderney ist unsere neue Heimat geworden. Wir haben lange davon geträumt, zusammen die Welt zu bereisen, haben viel überlegt, aber dass wir diesen Weg gewählt haben, schenkt uns mehr als die besten Wellen und die Welt zu sehen. Durch diese Entscheidung können wir unser Leben ein bisschen anders leben als das was erwartet wird. Wie lange die Reise für uns gehen wird ist noch offen, vermutlich ist es das Geld, das irgendwann ausgehen und uns anhalten wird. Aber eines ist ganz sicher: Wir wollen zurück auf unsere Lieblingsinsel – irgendwann, nur noch nicht jetzt. Das Schöne ist zu wissen, dass ich die Zusage erhalten habe, wieder in meinem damaligen Job anfangen zu können.
Hat deine Freundin ihren Job auch gekündigt?
Katrin ist bei einem Immobilienunternehmen beschäftigt und konnte mit ihrem Arbeitgeber eine sehr gute Lösung vereinbaren, ohne dafür kündigen zu müssen. Unsere Basis für drei Monate im Sommer ist Norderney. Sie arbeitet in dieser Zeit und bekommt das Gehalt auf ein Jahr verteilt ausgezahlt. Somit bleibt sie weiterhin in Deutschland krankenversichert und kann auch nach unserer Reise wieder in ihren Job zurückkehren.
Trotzdem heißt das, ihr müsst in nächster Zeit auf eine ganze Menge Geld verzichten. Wie kommt ihr über die Runden, beziehungsweise wie finanziert ihr eure Reisen?
Wir haben natürlich vorher schon etwas zur Seite gelegt. Das habe ich ja gleich nach meiner Ausbildung auch schon mal gemacht. Damals habe ich weiter Zuhause gewohnt und habe mein Gehalt nicht für irgendwelche Neuwagen verballert, sondern habe mir etwas angespart. Damit habe ich dann meine erste 15-monatige Auszeit finanziert. Dieses Mal haben wir gleich unsere Wohnung gekündigt, da wir ja ohnehin unterwegs sind. Damit hatten wir gleich mal 8000 Euro mehr in der Reisekasse. In diesem Sommer waren wir für drei Monate, in denen Katrin gearbeitet hat, wieder auf Norderney. Aber da haben wir im Wohnwagen auf dem Campingplatz gewohnt.
Das heißt, ihr seid die ganze Zeit auf engstem Raum zusammen. Geht ihr euch da nicht auf die Nerven?
Natürlich geht man sich auch mal auf den Keks, wenn der Bulli mit SUPs, Longboards und das Dach mit Surfzeug und Mountainbikes voll ist. Als wir im Frühjahr einen sechswöchigen Bulli-Trip gemacht haben und in Tarifa zwei Wochen durchgehend Levante hatten mit acht bis zehn Windstärken, das war ein bisschen heftig (lacht) und man kaum einen ruhigen Schlafplatz fand, wo der Bulli nicht vom Wind schwankte. Aber wir sind ein sehr gutes Team. Erst mal haben wir ja auf unseren Reisen nicht so einen zeitlichen Stress, den man bei einem zweiwöchigen Urlaubstrip hat. Oft machen wir es so, dass ich ein paar Stunden surfe, und den Rest der Zeit machen wir dann gemeinsam etwas. Es geht uns auch darum, Land, Leute und die Kultur kennenzulernen. Diese Erfahrungen kann einem hinterher keiner mehr nehmen. Stand-up-Paddeln und Mountainbiken gehen wir immer gemeinsam. Außerdem macht Katrin viele Fotos und Sport.
Noch mal zurück zum Geld. Wie viel Euro veranschlagt ihr für ein Jahr „Reise mit dem Wind“?
Im letzten Winter haben wir zu zweit die Reisen nach Chile, Kapstadt und den Bulli-Trip gemacht, das hat uns schon rund 10.000 Euro gekostet. Wir brauchen also schon etwa 30.000 Euro im Jahr zum Leben und Reisen. Dabei muss man aber auch bedenken, dass wir jetzt in diesem Jahr noch Norwegen und Schweden auf dem Zettel haben, dann im Herbst nach Brasilien gehen und von dort nach Australien und Bali. Man kann so eine Auszeit natürlich auch viel günstiger bestreiten, wenn man zum Beispiel mit dem Auto durch Europa fährt. Wir hatten im Vorlauf schon einiges angespart, was natürlich sehr hilft. Aber ich habe jetzt auch einige Sponsoren von Norderney, die mich unterstützen.
Was haben die Sponsoren von Norderney davon, wenn du um die Welt fährst zum Surfen?
Nach den sechs Jahren auf der Insel bin ich schon gut vernetzt. Das ist das Gute auf Norderney. Da kennt man sich und die Unternehmen, ist gleich per Du und wenn man eine offene Art hat, dann kann man daraus viel machen. Ich habe das Glück, dass ich durch die Sponsoren fast die ganzen Reisen refinanzieren kann. Mich unterstützt jetzt zum Beispiel „Frieseneis“ und die Reederei Frisia. Ich fahre natürlich deren Sticker im Segel und promote sie auf meinen Social-Media-Kanälen auf Instagram und Facebook. Außerdem halten wir unsere Trips mit Videos fest und die TV-Sendung „DAS!“ im NDR hat auch über uns berichtet. Damit biete ich ihnen eine gute Werbeplattform. Ich war zum Beispiel dank Frieseneis auch in Berlin beim Empfang des niedersächsischen Ministerpräsidenten und habe mein Projekt und meine Sponsoren dort präsentiert. Ich möchte auch so eine Art Inselbotschafter für Norderney sein, damit die Insel wieder mehr als Wassersportinsel wahrgenommen wird. Die Insel boomt, aber leider gibt es nicht mehr so viele Windsurfer. Früher war hier eine richtig große Szene. Mit den Wessels-Brüdern, Arno Ufen, vielen Zivis und natürlich Flessi, der die Insel als „Botschafter“ immer unheimlich gepusht hat. Und für uns ist sie der abwechslungsreichste und anspruchsvollste Windsurfspot Deutschlands.
Was hat dir die Saison noch geboten?
Durch die Auszeit hatte ich auch erstmals die Möglichkeit, am Fotoshooting von meinem Sponsor GunSails in Sagres in Portugal teilzunehmen. In Chile kletterten wir durch Eis einen Vulkan hoch. Ich bin dort mit Delfinen gesurft, das werde ich nie vergessen. In Südafrika flashte uns der Krüger Nationalpark, vier Tage Safari war unser aufregendstes Erlebnis. In Tarifa haben wir mit dem Bulli wochenlang direkt am Strand geschlafen und jeden Sonnenauf- und Untergang erlebt.
Am Anfang habe ich dich gefragt, ob du noch alle Latten am Zaun hast, mit 30 Jahren deinen sicheren Job aufzugeben. Wenn du jetzt so erzählst, klingt das alles gar nicht so abwegig.
Ich glaube, viele Leute haben den Wunsch nach so einer Auszeit, doch sie trauen sich nicht, ihn umzusetzen. Viele fangen nach der Schule an zu studieren oder machen eine Ausbildung. Dann kommt der Job, eventuell eine Familie, Kinder und plötzlich wird ihnen klar, dass sie erst wieder in der Rente Zeit für sich haben. Aber es gibt heute viele Möglichkeiten, sich Freiräume zu schaffen. Mein älterer Bruder, durch den ich erst zum Surfen gekommen bin, ist so ein Fall. Er hatte nie die Chance, sich rauszunehmen. Erst jetzt, als er Vater geworden ist, nimmt er Elternzeit und geht mit Frau und Kind mit einem Bulli auf Tour. Wir Deutschen neigen, glaube ich, dazu, erst mal einen hohen Lebensstandard erreichen zu wollen, mit Haus und schickem Auto und so. Und dann ist es vielleicht zu spät, sich seine Visionen zu erfüllen.
Was ist dein Rat?
Am besten ist es eigentlich, gleich nach der Schule loszuziehen. Es muss ja nicht so lange sein, und wenn man während der Schulzeit durch Jobs schon mal ein bisschen Geld zur Seite legt, dann kann man das auch finanzieren. Wer schon einen Job hat, der sollte einfach mal mit seinem Unternehmen sprechen. Viele Chefs bieten da heutzutage schon flexible Lösungen an. Denn eins ist doch auch sicher, wenn jemand seinen Lebenstraum schon mit 30 anstatt mit 67 realisieren kann, kommt er doch voller Motivation in den Job zurück.