Lars und Stefan Gobisch

Lars und Stefan Gobisch
Lars und Stefan Gobisch

Lars und Stefan Gobisch kennt in der deutschen Wave-Szene jeder. Ob in Weißenhaus oder Klitmöller – ihr kraftvoller Style schindet mächtig Eindruck. Fast noch beeindruckender ist, wie die beiden ihre Surf-Leidenschaft mit ihrem Job als Ärzte in einer Kieler Klinik verbinden.

  Dr. med. Windsurf – Fachsimpeln über Skoliose oder Pushloop – Lars (rechts) und Stefan Gobisch sind sowohl auf dem Wasser als auch in der Klinik Fachmänner.
Dr. med. Windsurf – Fachsimpeln über Skoliose oder Pushloop – Lars (rechts) und Stefan Gobisch sind sowohl auf dem Wasser als auch in der Klinik Fachmänner.

Fest im Berufsleben stehen und gleichzeitig auf höchstem Niveau windsurfen? Das ist eigentlich unmöglich! Nicht ganz, wie die Waveschlitzer Stefan und Lars Gobisch gleich im Doppelpack beweisen. Die beiden Brüder sind erfolgreiche Ärzte an der renommierten Kieler Lubinus-Klinik. Daneben zählen sie aber auch zu Deutschlands besten Wavepiloten. Ein Leben zwischen OP-Tisch und doppeltem Frontloop: spannend, vielfältig und definitiv immer radikal.

  Lars Gobisch
Lars Gobisch

Auf dem grellen Leuchtkasten schimmern dunkle und helle Konturen einer kompliziert anmutenden Röntgenaufnahme. Es ist früh morgens, gegen sieben Uhr. Die Herren in weiß inspizieren routiniert das kryptische Licht-Schattenbild. Einige Fingerzeige, ein kurzes Fachgemurmel und schließlich zuversichtliches Nicken. Der gut gebräunte Arzt mit dem Namensschild “Dr. L. Gobisch” beginnt mit seiner OP-Vorbereitung, um Minuten später hinter der milchigen Schiebetür des Operationssaals zu verschwinden. “Wirbelsäulenchirurgie” ist in schwarzer Blockschrift auf ein Schild im Flur geklebt.

  Stefan Gobisch
Stefan Gobisch

Ein Stockwerk tiefer hat gerade die Sprechstunde begonnen. Die freundliche “Der nächste bitte”–Stimme ruft einen Patienten nach dem anderen herein. Das Wartezimmer ist schon jetzt gut gefüllt. Es könnte ein langer Tag werden für den jungen Arzt Dr. Stefan Gobisch. Und das ausgerechnet heute. Die großen Bäume vor der Kieler Lubinus-Klinik werden schon seit der Nacht von heftigen Windböen geschüttelt. Ein Tiefdruckgebiet aus westlichen Richtungen zieht schnell über Norddeutschland hinweg. Im Gepäck hat es solide sieben Windstärken, die sich tagsüber noch auf stürmische acht bis neun aufbauen werden. Ideale Windsurfbedingungen für Weißenhaus, den besten Wavespot in der westlichen Ostsee. Nur 30 Autominuten von Kiel entfernt. Die perfekte Vorhersage für den Homespot hatte sich schon vor Tagen auf den Satellitenbildern angekündigt.

  Stefan bereiste in den letzten Jahren mit wachsender Begeisterung Neuseeland. Für surf hat er jetzt einen umfassenden Guide erstellt.
Stefan bereiste in den letzten Jahren mit wachsender Begeisterung Neuseeland. Für surf hat er jetzt einen umfassenden Guide erstellt.

Was anderen Ärzten der Klinik sicherlich herzlich egal ist, beschäftigt Lars und Stefan Gobisch schon seit Tagen. Heute schlägt nicht nur das Herz des engagierten Arztes in der Brust der Brüder. Heute leidet auch die Seele zweier Windsurfer, die unbestritten zu den besten Waveridern in Deutschland gehören. Erfolgreichen Job und ambitioniertes Windsurfen verbinden ist zweifellos eine echte Herausforderung. Wer Lars und Stefan in Action auf dem Wasser sieht, kann eh nur schwer glauben, dass sich die beiden noch mit anderen Dingen als Windsurfen beschäftigen. “Die beiden Goben surfen fast auf Worldcup-Niveau”, weiß auch Freund und Surfbuddy Klaas Voget zu berichten, “und das, obwohl sie mit beiden Beinen und sehr engagiert im Job stehen!”

Das außergewöhnliche Windsurftalent kommt nicht von ungefähr. Lars, 36 Jahre, geboren in Halle und Stefan, 33 Jahre, geboren in Frankfurt/Oder, stehen schon seit ihrem sechsten Lebensjahr auf Windsurfbrettern. Der surfbegeisterte Vater, ebenfalls Arzt und damals Leiter einer Poliklinik in der DDR, bringt den beiden die ersten Schritte bei. In der DDR schwer erhältliches Windsurfmaterial wird mit Improvisation und handwerklichem Geschick kurzerhand selbst gebaut. “Wir haben uns unsere Boards eben einfach selber geshapt”, erinnert sich Stefan an die Anfänge. Die Seen der Umgebung und regelmäßige Urlaube auf Rügen oder an der polnischen Ostsee dienen Lars und Stefan zum Training. “Das ging damals ziemlich ab”, berichtet Lars, “wir sind da mit den schweren Planken und den alten Lappen sogar schon erste Cheese Rolls gesprungen!”

  „Wir wechseln uns am Strand mit Windsurfen und Kinderbetreuung ab. Wenn Jule Windsurfen ist, passe ich auf die Kinder auf und andersherum. Wir haben ein Mobil, wo wir easy mit der ganzen Familie reisen können“
„Wir wechseln uns am Strand mit Windsurfen und Kinderbetreuung ab. Wenn Jule Windsurfen ist, passe ich auf die Kinder auf und andersherum. Wir haben ein Mobil, wo wir easy mit der ganzen Familie reisen können“

Ein Jahr vor der Wende flieht die Familie Gobisch über Ungarn aus der DDR. “Der Vorwand war damals natürlich ein Surfurlaub!” erzählt Lars, “wir sind mit unserem Surfanhänger Richtung Ungarn gerollt. Stefan war damals noch sehr klein. Er hat erst auf der Fahrt erfahren, was wir vorhaben.” Nach der Wende zieht es Lars zum Medizinstudium nach Kiel. Stefan geht zunächst nach Rostock und wechselt nach dem Physikum ebenfalls an die medizinische Fakultät der Kieler Uni. “Unseren Studienplatz haben wir logischerweise sehr bewusst ausgewählt”, meint Stefan “Kiel ist für Windsurfer sicherlich der beste Platz in Deutschland, wenn man in einer Stadt leben möchte oder muss. Spots wie Weißenhaus oder Heiligenhafen liegen vor der Haustür und nach Rømø oder Klitmøller fährt man nur ein paar Stunden.”

Inzwischen sind die beiden Brüder an der renommierten Kieler Lubinus-Klinik beschäftigt. Stefan hat vor einem Jahr seinen Doktor gemacht. In zwei Jahren wird er die sechsjährige Facharztausbildung abschließen. Lars ist leitender Oberarzt der Abteilung Wirbelsäulen-Chirurgie und steht täglich bis zu sechs Stunden im OP. Mit seiner langjährigen Freundin hat er zwei Söhne, einer vier Jahre, der andere zehn Monate alt. Kaum zu glauben, dass da überhaupt noch Zeit bleibt, aufs Wasser zu kommen. “Der Weg zur regelmäßigen Windsurfsession ist eigentlich relativ einfach”, erklärt Lars, “wir machen absolut keine Kompromisse, wenn’s ums Windsurfen geht!” “Hochzeiten von entfernten Bekannten, viele Geburtstagsparties oder auch mal die eine oder andere Familienfeier finden ohne uns statt”, erläutert Stefan die radikale Formel, “natürlich war es als Student noch wesentlich leichter, die meisten Windtage mitzunehmen. Heute müssen wir dann eben auf so manches gesellschaftliche Ereignis verzichten. Es zählt für uns die Zeit auf dem Wasser. Darauf wird alles ausgelegt.” Klaas Voget kennt diese radikale Einstellung der Gobischs zum Thema Windsurfen nur allzu gut: “An windigen Tagen steht das Surfmobil der Jungs immer schon bepackt und abfahrbereit vor der Klinik. Sie rufen mich dann früh morgens an und lassen sich regelmäßige SMS Updates über die Wind- und Wellenlage geben. Ich bewundere ihre Motivation und ihr Planungsgeschick, wenn’s ums Windsurfen geht. Sobald sie am Strand sind, können sie ihren Beruf komplett ausblenden. Ich denke, das schaffen nicht viele Ärzte. Dieser Ausgleich wirkt sich mit Sicherheit auch positiv auf ihren Job aus.”

  Bei Lars braucht man keine Logos im Segel, um ihn zu indentifizieren. Die Höhe der Sprünge spricht für sich.
Bei Lars braucht man keine Logos im Segel, um ihn zu indentifizieren. Die Höhe der Sprünge spricht für sich.

Wochenenden in Klitmøller, regelmäßige Urlaube auf Gran Canaria, Neuseeland oder in Südafrika. Das funktioniert bei allem Fokus aufs Windsurfen nur mit einem unterstützenden Umfeld. Stefans Freundin Saskia ist ebenfalls windsurfbegeistert und begleitet ihn, wann immer das möglich ist. Nach ihrer eigenen Session steht sie mit langer Linse am Strand und fotografiert die Airtime der beiden Surfärzte. Auch Lars’ Freundin ist selbst seit Jahren in Wellen unterwegs. “Wir wechseln uns am Strand mit Windsurfen und Kinderbetreuung ab. Wenn Jule windsurft, passe ich auf die Kinder auf und andersherum. Wir haben ein Mobil, wo wir easy mit der ganzen Familie reisen können.”

Das Windsurfen auf hohem Niveau hat zumindest Lars schon so manche Meriten in der Contestszene eingebracht. Zweimal holte er sich den Titel beim legendären Soulwave in Dänemark, wurde einmal Deutscher Meister und war beim Stand-by-Contest Big Days in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Einmal Platz eins, im letzten Jahr Platz zwei und im Frühjahr in Neu Mukran vor Rügen wurde er in einem sehr starken Fahrerfeld Dritter hinter Kenneth Danielsen und Klaas Voget. Stefans Contestvita liest sich nicht ganz so ruhmreich, wofür er aber grinsend eine einfache Erklärung findet: “Lars ist vielleicht einen kleinen Tick besser und im Contest konzentrierter. Aber wenn’s gut läuft und richtig Hack ist, kann ich auch mal die Nase vorn haben. Letztlich gibt’s zwischen uns ja auch keine wirkliche Konkurrenz. Aber wir pushen uns schon immer gegenseitig, gerade wenn’s um das Lernen neuer Moves geht.”

Momentan stehen technisch anspruchsvolle Wavemanöver wie Taka oder Backside 360 auf dem Übungszettel. Auch an Doppelloops trauen sich die Brüder immer mal wieder heran.

Der lange Arbeitstag in der Lubinus-Klinik neigt sich langsam dem Ende entgegen. Stefans Wartezimmer hat sich gänzlich geleert. Lars hat nach sechs Stunden operieren keine weiteren Termine mehr auf dem Zettel. Draußen biegen sich die Bäume immer stärker. Der Sturm hat weiter zugelegt. Die Welle in Weißenhaus ebenfalls. Das wissen die beiden von der Voget-Hotline. “Wenn die Schicht gut besetzt und die Arbeit getan ist, können wir auch schon mal etwas eher abrücken”, erklärt Lars. Zum Glück ist das heute der Fall und nur Minuten später sitzen beide im voll bepackten Surfmobil vor der Klinik. Mit Vollgas geht’s Richtung Weißenhaus. Im Sommer ist es lang genug hell, um noch einige gute Stunden in den Wellen abzugreifen. Mit quietschenden Reifen schießt das Gobisch-Mobil an den Spot. Die Vorhersage hat nicht gelogen. Es sieht verdammt gut aus. In nur zehn Minuten haben beide aufgebaut und sich in die Neos gepellt.

Zwei Stunden Afterworksurf. Hohe Backloops, verzögerte Vorwärts und Wave-360er. Die Action auf dem Wasser hat mit Eintreffen der Gobisch-Brüder wie immer gehörig zugelegt. Bis zum letzten Sonnenlicht wird geschlitzt. Man muss die wertvolle Zeit auf dem Wasser natürlich bis zum letzten ausnutzen. Anschließend wird das rituelle, kühle Bier aus dem Kühlschrank gezogen. Gemeinsam mit Klaas auf einen erfolgreichen Windsurftag in Weißenhaus angestoßen. Die Gesichtszüge der Gobischs sind entspannt. Ein schelmisches Lächeln auf den Lippen. Trotz eines harten Tages in der Klinik sehen diese Jungs nun wirklich nicht nach gestressten Ärzten aus. “Eigentlich soll man sich vor dem Windsurfen ja immer ordentlich aufwärmen”, lacht Lars. “Und nach der Session noch ausreichend dehnen”, ergänzt Stefan den ärztlichen Rat. “Aber wann sollen wir das denn noch machen. Wir trinken nach dem Surfen lieber gleich unser Bierchen!”

Na dann Prost, die Herren Doktor Doktor Gobisch!