Das grenzenlose Talent der 80er und 90er, Innovator der Windsurf-Elite in der Welle, Erfinder zahlreicher bahnbrechender Moves, einer der ersten in Jaws, aber auch Bad Boy im Worldcup, Raudi, Drogenabhängiger, Alkoholiker, Häftling. Mark Angulo – eine Legende am Wendepunkt seines Lebens.
Seine Innovation und natürliche Begabung führte zum modernen Surfen in der Welle. Er ist Erfinder des Wave-360ers, Goiters und Vater der verdrehten Aerials in den 80igern. Und er war der erste Windsurfer in Jaws. Heute noch inspirieren seine Moves die besten Windsurfathleten. Mark Angulo war der Inbegriff des Noch-verdrehter, Noch-radikaler. Das brachte ihm einige renommierte Wettkampfsiege (z. B. Aloha Classic) während der goldenen Hawaii-Epoche, aber er war auch in anderer Hinsicht verdreht und radikal: Es zog ihn, wie seinen Bruder Josh, tief in den Sog des Drogenkonsums. Er wird Alkoholiker. Das kostete ihn seine vielversprechende Karriere. John Carter führte ein offenes Gespräch mit Mark über die Dämonen, die der Vorzeige-Athlet zu bekämpfen hatte und seinen Weg zurück zur ersehnten Normalität und wieder aufs Wasser. Vor Hookipa zelebrierte er im Herbst 2006 sein Comeback mit seiner irrwitzigen Radikalität. Kann er mit 38 in die Spuren seines jüngeren, erfolgreichen Bruders Josh stapfen? RÜCKBLICK Mark Angulo wird 1968 in Kalifornien geboren und wächst in den 70ern und 80ern an der berühmt-berüchtigten Northshore Oahus auf. Sein Vater, Ed Angulo, machte sich in Kalifornien einen Namen als Shaper. 1969 zog es ihn wie ein Magnet in die hawaiianische Wellenreitmetropole Oahus. Die radikalsten Wellen und Surfertypen an der Northshore beeinflussten den Werdegang der Angulo-Kids und schürten das begnadete Talent beider Jungs. Mark: „Wir waren eine Surferfamilie. Meine Mom brachte uns schon als Kleinkinder an den Shorebreak, während mein Vater für die renommiertesten Marken shapte. Meine besten Freunde waren alles bekannte Wellenreiter wie Ricky Irons. Oder ich hing ab mit Mark Thomas von Rip Curl oder mit dem Sänger Jack Johnson.“ DIE HARTE SCHULE Mark: „Wir waren nur Kids und waren uns unsrer harten Umgebung bis später nicht bewusst. Wer an der Northshore aufwächst, wird, ohne es zu wissen, automatisch kompetent in der Welle. Wir spielten jeden Tag an den gefährlichsten Stränden und Wellen der Welt. Wir hatten Spaß, ohne die Gefahren des Ozeans zu realisieren. Ja, das war wirklich hardcore! Wer Monster Mush, Backyards und Cobola Bay kennt, weiß, was ich meine.“ 1986 zog die Angulo-Familie, der Windsurfindustrie folgend, dann nach Maui. Die Angulo-Kids waren schon herausragende Windsurfer in der Welle. Marks Talent und Eds Shaper-Know-how katapultierte die Custom-Boardmarke Angulo zu einem der Marktführer. Mark: „Ich konnte mir damals ein sehr gutes Taschengeld mit Siegen auf Maui oder unter den Top Five verdienen. Dann bin ich 1986 zur Gorge gefahren. Da traf ich Barry Spanier (Red.: heute Naish Sails) und Jeff Bourne von Neil Pryde und die wollten, dass ich für sie fahre und boten mir eine Menge Geld. Ich dachte: Wow, na klar! Ich kam nach Hause, gewann Contests und reiste von ’86 bis ’90 in der Welt herum. Da sind viele gute, aber auch viele schlechte Dinge passiert. Ich war im Rausch, verdiente viel Geld. Meine Freunde auf Hawaii mussten in Restaurants bedienen und rauchten Hasch und ich in meinen jungen Jahren verdiente jährlich bis zu 100.000 Dollar. Vielleicht war es für mich nicht das Beste, aber heute wäre ich glücklich mit dem Geld.“ (lacht) DER INNOVATOR
King of Aerobics – König der Akrobatik wurde Mark genannt. Den Namen verdiente er sich in der Surfelite, indem er den Sport auf ein anderes Niveau brachte. Er war innovativ, faszinierend zum Zuschauen und für seine Konkurrenten in der Welle unberechenbar. Sein rohes Talent und sein Mut wird heute noch hoch angerechnet. Größen wie Levi Siver, Alex Mussolini oder Boujamaa Guilloul haben sich von ihm inspirieren lassen. Mark: „Ich will nicht angeben, aber als ich von Oahu kam, konnten die meisten Windsurfer gut wellenreiten, aber nicht richtig gut. Ich war mit den besten und radikalsten Wellen seit meiner Geburt konfrontiert, ähnlich wie Robby Naish. Windsurfen in der Welle war für mich ganz natürlich. Der Wave-360er war aber aus einem Fehler entstanden. Mich hat es aus der Welle gepustet und ich bin unfreiwillig rotiert. Ein Freund von Backyards, Craig Yester, nannte mich früher Baby Gu. Daher der Name Gu Screw. Mein Vater mochte das Wort screw (Red.: Schraube, aber im Slang auch: vögeln) nicht, also nannten wir es Aerial 360. Alle haben sie über mich gelacht, wenn ich neue Moves geübt habe. Plötzlich konnte ich sie und dann mussten alle anderen Fahrer nachziehen. Ich wollte immer einen Schritt vorne sein. Das klingt komisch für den, der mich damals als eher relaxt kannte.“ DER TRÄUMER
Mark: „Manchmal passieren Dinge, die sind ganz einfach komisch. Auch heute noch. Ich träume von Dingen, die dann Wirklichkeit werden. Zum Beispiel habe ich von Moves geträumt. Dann habe ich sie am nächsten Tag probiert und es hat fast immer funktioniert. Der Goiter war so ein Traum. Ich hab’ den Goiter erträumt, man! (lacht) Ich bin aufgewacht und hab’ gedacht: Mann, das war komisch. Manchmal bin ich in der Luft in eine verdrehte Position geblasen worden, und der Move war kreiert. Diese Verdrehungen bei Aerials oder Loops gab’s schon beim Wellenreiten. Auf Oahu nannten mich die Wellenreiter Noodle Boy, weil ich so verdreht dastand. Eigentlich bin ich nicht so gelenkig, aber auf dem Wasser.....vielleicht, weil mein Kopf so groß und schwer ist.“ (lacht) Als Josh Angulo zwölf Jahre alt war, trat er in die Stapfen seines älteren Bruders Mark. Dank seines Bruders, seinem Talent und seiner ähnlich kompromisslosen Art in der Welle zu surfen, war er der Shooting Star in der Worldcup-Szene. Mark: „Josh war eine Ratte. Er war nur ein Kind und zu früh vielen Hardcore-Dingen ausgesetzt. Als er ganz klein war, musste er oft im Auto sitzen und uns beim Surfen zuschauen. Ohne Essen, ohne Wasser. Klar, dass der dann lieber ins Wasser wollte. Entweder im Auto schmoren oder mit den Big Boys surfen gehen. Er ging noch früher in noch größere Wellen wie ich. Er wurde besser als alle anderen Surfer und härter. Der hat dann auch so verdrehte Dinge gesprungen wie ich. Es liegt vielleicht doch in der Famillie. Meine Mutter ist Mexikanerin. Es ist eindeutig ein mexikanisches Ding. (lacht) DIE TOUR DE MARK Mit seiner Surfkarriere im Mega-Aufwind sah sich Mark als eine der Schlüsselrollen in den Marketing-Kampagnen des Neil Pryde-Teams. Er war der Vorzeigeathlet der Marke und reiste zu allen wichtigen Veranstaltungen. Mark: „Ich war nicht bei jedem Worldcup dabei. Bis heute bin ich eine totale Niete in der Welle mit Wind von links. Es ist wie Zähne ziehen für mich: Ich kann noch nicht einmal einen vernünftigen Bottom Turn auf Backboardbug fahren.“ KONTROLLVERLUST Einerseits verhalf die „to do or die“ – mach‘ es oder stirb – Attitüden Angulos zu Ruhm auf dem Wasser, aber dieses Verhalten wirkte sich auf dem Land negativ aus. Als Stars waren Tür und Angel offen für die „verdrehten“ Maui-Jungs. Parties, Alkohol, Drogen und ein extremes Auftreten machten beide zu „bad boys“ der Windsurfszene. Mark: „Zu der Zeit bin ich wirklich von meiner Brettkante abgerutscht. Ich würde zu Events kommen, saufen und zum Problemfall werden. Es war nicht immer alles so schlimm, ich hab’ auch schöne Erinnerungen. Dann hab’ ich mich beim Worldcup in England mit dem damaligen Tour-Manager Terry Wyner in einen Streit verwickelt und wurde von der PBA ausgeschlossen, weil ich ihn geohrfeigt habe. Dann ging es Schlag auf Schlag bergab: Auf der ISPO in München traf ich Mr. Neil Pryde höchstpersönlich. Er schnappte mich und zog mich in einen ruhigen Raum. Es war keine direkte Kündigung, Aber er ließ mich wissen, dass er mein Benehmen nicht weiter tolerieren könne. Als ich dann nach Hause kam, hörten die Zahlungen abrupt auf.“ DER WILDE MARK Mark: „Keine Ahnung, woher die wilde Seite in mir herkommt. Wir sind sehr streng christlich erzogen worden, sind erst auf einer privaten Schule gegangen, dann auf eine öffentliche. Es sind mir gute, aber auch schlechte Dinge auf Oahu widerfahren. Ich denke, mit meinem Ruhm, dem vielen Geld, da habe ich die Kontrolle verloren. Mit dem Alkohol geriet alles außer Kontrolle. Das war Anfang der 90er. Nachdem Mark seinen Hauptsponsor Neil Pryde verlor, ging alles den Bach runter. Wer weiß, was er der Windsurfwelt beschert hätte, wären seine Prioritäten aufs Surfen fixiert gewesen? Mark: „Wenn ich zurückblicke und sehe, wie ich mich in den letzten zwei Jahren verändert habe, dann bedauere ich nur eines: Zu was wäre ich in der Welle beim Surfen fähig gewesen? Bei mir im Leben existiert eine Lücke von zehn Jahren, wo ich nicht ich selber war. Hätte ich die Welt des Windsurfens verändert? Vielleicht. Ich bedauere sonst nichts. Wir gehen alle aus bestimmen Gründen durch Phasen im Leben. Das ist Teil meiner Erfahrung. BAD BOYS IM DOPPELPACK Wärend Mark selbst bei kleinen Firmen wie Simmer rausgeschmissen wurde, machte sein kleiner Bruder Josh ebenfalls als „bad boy“ im Worldcup auf sich aufmerksam. Das Bad-Boy-Doppelpack drohte zu explodieren. Mark: „Josh machte ähnliches mit, wie ich. Es dauerte nicht so lange an wie bei mir. Es war nur flüchtig. Ich bilde mir gerne ein, ich hätte ihm mehr beigebracht als Bottom Turns. Zum Beispiel, dass er früher aufhören musste zu trinken. Er hat es geschafft. Wir machen beide noch Fehler. Es war eine harte Zeit. Ich verbrachte viel Zeit in Rehabilitationszentren. Ich war eingesperrt an Orten, fernab vom Ozean und Windsurfen. Dort konnte ich mir Gedanken machen, über das, was ich angerichtet hatte. Ich dachte gar nicht so sehr an all die schönen Windsurfspots, aber daran, dass ich glücklich werden und meine Familie wieder sehen wollte. Ich wollte nach Hause und vielleicht ein bisschen Spaß im Meer haben. Heute habe ich mehr als das: Gott hat meine Familiensituation in Eintracht gebracht. Ich würde nicht behaupten, er hat meine Karriere gerettet, aber ich kann wieder Windsurfen. Und ich bin gesund. Ich hatte einige schwere Autounfälle und ich weiß, dass es Gott war, der mir die Chance gab, lebend auszusteigen. So lernt man, was wirklich wichtig ist im Leben.“ NIEMANDSLAND Mark: „Viel ist geschehen in den zehn Jahren: Meine Frau Eleanor hat mich verlassen und sich scheiden lassen. Ich hab in einer kleinen verschissenen Hütte dahinvegetiert. Ich trank noch nicht einmal mehr Bier. Nur Wodka. Wodka den ganzen Tag. Ich surfte nicht mehr und war immer krank. Ab und zu zeigte ich ein paar Kindern das Tow-Surfing. Ich kann mich noch genau erinnern: Ich hatte mich mit zwei Kids (Söhne eines Freundes) verabredet. Ich kam zur Verabredung, aber ich fühlte mich wegen den Drogen blind und konnte mit den Kids nicht raus. Ich dachte immer, ich tu’ nur mir selber weh. Als ich aber die Enttäuschung in den Augen der Kinder sah, wusste ich, dass es nicht so ist. Da fühlte ich mich wie ein wahrer Loser!“
LICHT AM ENDE DES TUNNELS Mark war entschlossen, seinen Alkoholismus zu kontrollieren und ließ sich 2004 in eine Art Anstalt auf Maui einweisen. Er verbrachte ein Jahr dort, arbeitete hart und studierte die Bibel. Mark: „Der Ort hieß „My brothers keeper“. (Red.: Bruderschutz) Es war eine hawaiianische Familie aus Oahu. Zwei der Gründungsmitglieder waren Ice-Abhängige aus der härtesten Drogenszene Oahus. Sie entwickelten ein christlich-orientiertes Programm auf Maui. Die Zeit dort war das härteste Jahr meines Lebens: Um fünf Uhr Aufwachen, Bibelstudium, harte Arbeit, Bibelstudium, Schlafen gehen. “ DIE WAHRE LIEBE Mark: „Als ich das erste Mal nach der Anstalt vor Hookipa aufs Wasser ging, bin ich gefahren wie ein Depp. Ich hab’ diesen Mega-Goiter gesprungen und mich hat’s so zerwürfelt. Ich bin aber aus der Welle getaucht und hab’ so gelacht und wusste: Ich liebe Windsurfen! Dann fing ich bei meinem Vater im Shop zu arbeiten an und surfte jeden Tag oder ging Wellenreiten. Ich liebe Windsurfen und es zieht mich aufs Wasser. Ich sehe viele junge Burschen, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich damals und ich möchte jetzt als gutes Beispiel vorangehen. Ich arbeite an den Shapes der Angulo-Boards und ja, ich werde Veröffentlichungen in den Magazinen haben, aber ich bin 38 und meine Sonnenzeit ist vorbei. Ich möchte einfach viel aufs Wasser. Mein Ziel ist glücklich zu sein und ein geregeltes Leben zu führen. Ich kaufe Bretter von der Angulo-Factory, wo ich arbeite und Robby und Michi Schweiger gaben mir ein ganzes Auto voller Naish-Riggs. Robby ist ein guter Freund, der hat das aber überhaupt nicht nötig gehabt, mich zu unterstützen. Ich schätze das.“ IM SCHATTEN DES KLEINEN BRUDERS Während Mark seine Zeit in Knasts und Anstalten verbrachte, schaffte Josh es, seine Karriere trotz Alkoholismus zu retten und 2003 Weltmeister in der Welle zu werden. Er gewann auch den Aloha Classic 2006 und den Worldcup auf den Kapverden dieses Jahr. Heute ist Josh Vorzeigeathlet und der beste Botschafter der Board-Marke Angulo. DIE RUHE VOR DEM STURM Mit 38, schätzt Mark, hätte er noch vier gute Jahre als Surfprofi. Sein Vorbild ist der vier Jahre ältere Robby Naish, der fast so radikal fährt wie in alten Zeiten. Mark: „Es ist verrückt. Robby und ich sind die alten Hasen. Selbst Jason Polakow ist für mich jung. In Hookipa gibt es mich und Robby eine Menge Kinder. Robby ist eine große Inspiration für mich. Der sieht mich sicher auch als jung an. Wenn er aufhört, kann ich mir ausrechnen, wann es für mich so weit ist. (lacht) Die jungen Kids sind erstaunlich. Für mich ist Levi Siver, obwohl kein Kid mehr, wohl der beste Surfer in der Welle. Klar, so Typen wie Boujamaa und andere beeindrucken mich, aber man sieht, ob einer auch richtig gut wellenreiten kann. Die Jungs können es gut verstecken, aber am Ende zeigt sich zwischen den Sprüngen und Tricks die Wellenreittechnik. Kai Lenny ist eines der ganz jungen Kids und schon als Kleinkind auf der Welle groß geworden. Das macht viel aus. Aber es macht Spaß, das alles zu beobachten und Teil haben zu dürfen. Heute ist ein wahres Comeback noch schwieriger mit all den guten Athleten. Ich bin einfach froh, mein Leben wiedergewonnen zu haben. Für diese Erkenntnis habe ich einen hohen Preis gezahlt. Ich hab den Preis gezahlt und jetzt bin ich frei und klar im Kopf. Ich schulde niemandem etwas. Ich schaue nicht mit Bedauern über meine Schulter. Alles ist gut. Alles ist ruhig in der Nachbarschaft.“
Mark mit Vater Ed