Als Nico Prien zu seinem Arbeitgeber Starboard nach Thailand reiste, rechnete er mit dem Schlimmsten – doch statt Quarantäne im Hotel erwarteten ihn überraschend gute Surftage auf Phuket.
Es ist Mittwoch, der 4. Januar, 8:30 Uhr, als ich meinen Espresso unter der Kaffeemaschine herausziehe und nervös darauf warte, ob Thailand nun wieder zum Test&Go-Modell zurückkehrt. Einreisen – eine Nacht im Hotel, um auf das Ergebnis des PCR-Tests zu warten – und Go.
Wie schon im letzten Jahr würde ich für Starboard nach Thailand zur dortigen Niederlassung reisen, um mich mit meinem Produkt- und Marketingteam persönlich zu treffen und die letzten Produkttests auf dem Wasser für die 2023er-Serie durchzuführen.
Ganz so einfach sollte es aber nicht werden, denn die Regierung entschied sich, die einfache Einreisevariante aufgrund der Omikron-Variante weiter auszusetzen.
Mir blieben also zwei weitere Möglichkeiten: Sieben Tage Quarantäne im Hotel in Bangkok oder aber die Phuket Sandbox, bei der ich mich sieben Tage lang auf der, wie sich später herausstellte, vor allem bei russischen Touristen beliebten Insel, frei bewegen könnte.
Nachdem ich letztes Jahr noch nicht die Wahl hatte und daraufhin meine Quarantäne vierzehn Tage im Hotel in Bangkok verbrachte, buchte ich meinen Flug natürlich nach Phuket.
Wie bei mir üblich, buchte ich meine Bleibe erst drei Tage vor Abflug, bekam die Sandbox-Erlaubnis zwei Tage vor Abflug und machte meinen Covid-Test am Tag des Abflugs.
Meine Segeltasche wurde dieses Mal ohne Probleme eingecheckt. Eigentlich wäre ich schon im Dezember geflogen, jedoch wollte Turkish Airlines meine Segeltasche aufgrund der Länge einfach nicht mitnehmen. Jegliche Versuche, dem Bodenpersonal zu erklären, dass ich regelmäßig mit noch längeren Taschen fliegen würde, blieben leider erfolglos. Dieses Mal hatte ich sie einfach als etwas kürzer angemeldet und als der Flieger abhob, fühlte ich mich schließlich darin bestätigt, dass 250 Zentimeter locker in den Flieger passen.
Einen halben Tag später drängel ich mich durch die Massenabfertigung am Flughafen von Phuket, wechsle noch schnell ein paar Euro in thailändische Baht, besorge mir eine SIM-Karte und lasse mich und meine Segeltasche vom Hotelpersonal abholen.
Noch am selben Abend hole ich unseren Produktmanager und Shaper Remi vom Flughafen ab. Er hat zwar zwei frische Prototypen aus der Werkstatt mitgebracht, allerdings hatte er die Spanngurte vergessen. So musste für den Rest des Trips mein Trimmsystem vom Gabelbaum herhalten.
Am nächsten Morgen ging es bereits früh los. Das machte aber nichts, da ich dank Jetlag schon um drei Uhr nachts senkrecht war. Sobald das Buffet öffnete, saugten wir schnell eine frische Kokosnuss aus und machten uns auf die Spotsuche.
Bisher ist Remi immer an der Westküste, direkt beim Flughafen windsurfen gewesen. „Dort passt die Windrichtung am besten“, so der selbst ernannte MacGyver. Allerdings war er immer im Sommer dort. Dann ziehen die Schlechtwettersysteme über Phuket und bringen manchmal gute Südwest-Winde mit.
Nun kam der Wind aber östlich und die gesamte Westküste wurde für uns quasi unbrauchbar. Der hohe und dichte Palmenbewuchs bis kurz vor den Strand sieht zwar wunderschön aus, blockt den ablandigen Wind aber gänzlich ab. Und so mussten wir uns doch in Richtung Ostküste, wo sich keiner von uns beiden auskannte, aufmachen.
Mithilfe der Landkarte auf dem Smartphone suchten wir nach gelben Flecken – sprich Sandstrand – mit westlicher Ausrichtung. Gar nicht so einfach, denn schon die vielen Inseln vor der Küste lassen auf steile Küsten und teils windabgedeckte Strände schließen. Einige potenzielle Spots haben wir dann aber doch gefunden.
Beim ersten waren wir auf jeden Fall schon einmal positiv von den Bedingungen überrascht. Gute 15 Knoten, auflandig und mäßiger Chop. Der Zugang zum Strand führte allerdings nur über einen Privatstrand, auf dem gerade gebaut wurde. Ein geschlossenes Tor verwehrte uns die Durchfahrt. Nach etlichen Versuchen entlang der Hotels und Privatbuden direkt am Strand, fanden wir doch noch einen weiteren Zugang. Auch hier wurde wieder gebaut und unser Versuch über das Tor zu klettern wurde von den grillenden Bauarbeitern vereitelt. Offensichtlich wollten sie nicht bei ihrer effizienten Arbeit gestört werden.
Kurz bevor wir es aufgeben wollten, fand ich noch ein Pier. Von hier fahren mit Touristen beladene Boote zu bekannten Orten, wie etwa der „James-Bond-Insel“.
Wir stehen an einer kleinen, von Mangroven umgebenen Bucht. Der Wind kommt seitlich von rechts herein und das Wasser ist, wie bei Mangrovenwäldern üblich, sehr trüb. So ganz überzeugt waren wir noch nicht, denn der Ein- und Ausstieg über den Pier hätte sich schwierig gestaltet. Auf der Karte blitzte ein paar Kilometer nördlich noch ein Schiffswrack auf und daneben ein winziger, gelber Punkt. Eine Straße führte dort jedoch nicht hin. Wir fanden einen – nennen wir es mal – unbefestigten Weg, welcher grob in die richtige Richtung führte und unsere letzte Chance sein sollte.
Der gemietete Geländewagen ruckelte durch den dicht bewachsenen Strand-Dschungel von Phuket, während mein Kopf immer wieder gegen die neben mir liegenden Boardbags donnerte. Nach dreimaligem Zurücksetzen und mehrfachem Umdrehen zeigte sich hinter dem Grün ein Strand. Da war er! Unser Zugang zum Wasser.
Ein 100 Meter langer Sandstrand, vereinzelt bewachsen von Mangroven und Palmen. Wie in einem Film. Der Wind kommt perfekt von der Seite und wird sogar noch in die Bucht hinein beschleunigt. Jetzt schauen wir auf gute 20 Knoten Wind. Wir konnten unser Glück kaum fassen und schafften die 7.0er Freeride-Segel, den Prototyp des neuen Starboard Carve mit 119 Litern und das Referenz-Board aus der 2022er Produktion durch den kleinen Zugang. Schnell aufgebaut, Lycra-Shirt und Sonnencreme auf die Haut und ab aufs Wasser.
Es war einfach perfekt. Wir rasten zu zweit etwa drei Minuten lang in eine Richtung, bis wir auf der anderen Seite der Bucht ankamen. Eine Halse kontrolliert über den Chop und zurück ging es in Richtung Schiffswrack. Nach einigen Runden waren wir sehr zufrieden, denn der Prototyp stellte sich in den kurzen Kabbelwellen als deutlich besser kontrollierbar und damit letztlich auch schneller heraus. Ein entspanntes Carven durch die Halse und einfaches Durchgleiten – Remi hat es mal wieder geschafft.
Gerade als wir das zweite Test-Board vorbereitet hatten, fiel der Wind unter die Gleitschwelle. Wir hatten zu viel Zeit mit der Spot-Suche vertan und mussten so auf den nächsten Tag hoffen. Meine Theorie ist, dass die Hitze gegen Mittag den Wind schwinden lässt. So stellte ich in den kommenden Tagen fest, dass der Wind immer morgens und abends besonders stark war. Die Windvorhersage der Windy-App war ebenfalls ziemlich zutreffend.
Am darauffolgenden Tag fuhren wir direkt den richtigen Spot an und wurden erneut von soliden 20 Knoten aus gleicher Richtung begrüßt. Heute hatte auch Remi seine Strandschuhe dabei, denn die Realität geht auch an diesem Paradies nicht vorbei. Am ganzen Strand fanden wir immer wieder entsorgte Glasflaschen, die teils zerschlagen waren und dazu natürlich auch reichlich Plastik. In Asien muss noch sehr viel passieren, wenn es um das Bewusstsein zur Müllentsorgung und Plastiknutzung geht.
Da wir dieses Mal früher dran waren, stand die Tide ein wenig höher, so dass wir vereinzelte Steine im Wasser nicht mehr sehen konnten. Es kam also bei uns beiden zu diversen kleineren Schnitten an den Füßen.
Das sollte unserer Session und dem Test des 83 Zentimeter breiten Futura aber nichts anhaben. Wieder mal hatten wir etliche sagenhafte Schläge, in denen wir über den Chop flogen, bis wir beide kaputt waren. Remi hat erneut den richtigen Riecher erwiesen und ein Board gebaut, welches leichter am Fuß hing und so mit weniger Kraft über die Kabbelwellen flog. Das sorgt auch dafür, dass man das Board mit weniger Kraft ankanten kann und für die gesamte Halse weniger Kraftaufwand benötigt.
Mit einem breiten Grinsen, zwei guten neuen Brettern, gesammeltem Müll in unseren Taschen und dem Trimmsystem über den Boardbags überließen wir den Strand wieder dem lokalen Fischer, der dort täglich mit seinem altersschwachen Moped auftauchte.
Remi reiste wieder ab, um die Master-Boards schnellstmöglich für die Produktion hübsch zu machen und ich sitze noch meine restlichen paar Tage in der nicht ganz so schlechten Quarantäne ab. Unverhofft kommt oft.
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