Vincent Langer

Vincent Langer
Vincent Langer

Wer mit 26 freiwillig aufs Dorf zieht und sein geliebtes Waveboard in die Ecke stellt, muss Großes vorhaben – 2013 wird nichts dem Zufall überlassen. Im surf-Interview spricht Vincent Langer über sein früheres Scheitern, Hungerkuren, die Konkurrenz mit Bernd Flessner und warum es richtig ist, manchmal auch Menschen auf die Füße zu treten.

Anstatt von Französischer Revolution, Bismarck, Felgaufschwung und Fußball steht in Zukunft Boardtuning, Beinpresse, Finnentests und Sponsorenakquise auf dem Stundenplan von Vincent Langer – Norddeutschlands Schüler müssen noch unbestimmte Zeit auf "Lehrer Langer" warten und mit anderen Geschichts und Sportpädagogen vorlieb nehmen. Denn 2013 will Vincent Langer endlich zu 100 Prozent angreifen und Vollprofi werden. Dann werden wohl auch die letzten Stimmen verstummen, die ihn nach wie vor hartnäckig als "Deutschlands vielversprechendste Nachwuchshoffnung" titulieren.

Vincent, herzlichen Glückwunsch zu deinen Erfolgen im vergangenen Jahr. Es gibt Menschen, die würden dich jetzt als "Deutschlands vielversprechendste Nachwuchshoffnung" ansprechen... Danke, aber mittlerweile bin ich da, glaube ich, rausgewachsen, auch wenn ich mit 26 ja noch zu den Jüngeren gehöre. Vielleicht liegt es daran, dass es im DWC große Nachwuchsprobleme gibt. Sogar Gunnar Asmussen wurde noch als Nachwuchsfahrer angekündigt, als er schon über 30 und zehn Jahre dabei war. Mittlerweile werde ich oft um Rat gefragt, das zeigt mir, dass die meisten verstanden haben, dass ich nicht mehr der kleine Vinci von früher bin.

Dass wir zu diesem Interview zusammenkommen, ist in gewisser Weise auch einem Scheitern vor einigen Jahren geschuldet. Denn bis 2008 hattest du eigentlich andere Pläne, oder? Das ist richtig. Von 2006 bis 2008 war ich im Olympiakader des DSV und hatte das Ziel, in der RS:X-Klasse an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Die Qualifikation habe ich damals leider verpasst und mich danach entschieden, voll im Formula-Racing und Slalom anzugreifen.

  Auch wenn der Fokus klar auf Slalom und Racing liegt – Vincent Langer kann’s auch in der Welle oder auf dem Freestyleboard.
Auch wenn der Fokus klar auf Slalom und Racing liegt – Vincent Langer kann’s auch in der Welle oder auf dem Freestyleboard.

Woran ist es damals gescheitert? In der RS:X-Klasse wird bei sehr wenig Wind gestartet. Da haben es kräftige Athleten sehr schwer. Zusätzlich machte mir das Leichtwindrumgeeier auch nur bedingt Spaß – der ist aber das Wichtigste, um in seinem Sport Erfolg zu haben.

Deine Konsequenz, bestimmte Ziele zu verfolgen, ist groß. Aber mit den in der RS:X-Klasse optimalen 70 Kilo konntest du dich nicht anfreunden. Ich bin sehr konsequent und gebe alles für meinen Sport. Für das RS:X-Board liegt das Idealgewicht bei etwa 70 bis 75 Kilo. Das ist jedoch ein Gewicht, welches bei meiner Statur nicht machbar war. Ich habe mich damals mit Ernährungsplan sowie Ausdauersport auf 80 Kilo runtergehungert und mich damit extrem unwohl gefühlt. Trotzdem war ich damit viel zu schwer und chancenlos. Letztes Jahr hatte mich dann auf 100 Kilo hochgefuttert, weil ich dachte, dass dieses Gewicht für meine jetzigen Ambitionen ideal sei. Das war ebenfalls Quatsch, und heute bin ich irgendwo in der Mitte und mir geht’s gut.

Welches Körpergewicht sollte denn heutzutage ein Surfer auf die Waage bringen, um in der Formula-Racing oder im Slalom bestmöglich bestehen zu können? Das unterscheidet sich leider, und darum ist es schwer in beiden Disziplinen auf Top-Niveau mitzufahren. Für’s Formulaboard sind 90 Kilo das goldene Gewicht. Man gleitet noch früh an, kann aber bei mehr Wind schon den Speed der schweren Jungs halten. Im Slalom sieht es anderes aus. Um die 100 Kilo sollte man schon wiegen, denn "fat is fast". Jungs wie Antoine Albeau oder Dunki sehen nicht umsonst so aus.

Trotzdem, ein bisschen Training und Leidenschaft gehören wohl auch dazu... Ich glaube, ich habe gegenüber anderen Regattasurfern den Vorteil, dass Racing mir wirklich sehr viel Spaß macht, auch außerhalb von Regatten. Ich finde es wirklich geil, mit einem 12,0er-Segel bei 20 Knoten am Limit umher zu fliegen, genau wie eine Session mit sieben Knoten am unteren Gleitlimit. Darum bin ich wohl mehr als jeder andere mit dem Formula- oder Slalomboard auf dem Wasser. Ich mache auch alleine lange Trainingseinheiten und bin oft mehrere Stunden draußen, um zum Beispiel von Kiel nach Eckernförde zu kreuzen.

Hat dir das DSV-Kadertraining im Hinblick auf dein Formula- und Slalomengagement vielleicht sogar geholfen? Ganz sicher sogar, besonders in der taktischen Ausbildung. Diese kommt mir vor allem auf dem Formulaboard zugute. Aber auch Timing und das Lesen von Wind und Wellen sowie eine professionelle Herangehensweise habe ich von meinem Trainer mit auf den Weg bekommen. Es gab Tage, da haben wir den ganzen Tag nur Starts trainiert, das zahlt sich heute aus. Du siehst, Racing ist nicht nur surfen, es gehört noch viel mehr dazu.

  ,,Mit zehn hatte ich keinen Bock auf Windsurfen und wollte, wie normale Jungs, kicken. Mein Vater hat mich dann am Strand ausgesetzt und ging surfen... Und was hätte ich da sonst machen sollen, außer doch aufs Wasser zu gehen?’’
,,Mit zehn hatte ich keinen Bock auf Windsurfen und wollte, wie normale Jungs, kicken. Mein Vater hat mich dann am Strand ausgesetzt und ging surfen... Und was hätte ich da sonst machen sollen, außer doch aufs Wasser zu gehen?’’

Welchen Anteil spielt hierbei noch das Material? Hat man ohne einen Berg des neuesten Materials überhaupt eine Chance? Am Anfang bin ich mit einem Brett und einem Segel angetreten – natürlich hatte ich immer das falsche, und ich kann gut mit Regattaneulingen mitfühlen. Ab einem gewissen Niveau ist das Material und die Abstimmung extrem wichtig, ganz besonders auf internationalem Top-Niveau! Hier bestimmen Kleinigkeiten wie Finnen, Fußschlaufenposition und Segeltrimm über Sieg oder Niederlage. Am Wichtigsten ist aber, dass man auf seinem Material eingefahren ist. Björn Dunkerbeck sagte einmal: "Never change a winning team" und damit hat er recht. Ich bin bis 2012 vier Jahre lang das gleiche, alte Board gefahren. Ich hatte mich lange auf dieses Board eingefahren und dafür, nach langem Herumprobieren, endlich die perfekte Finne gefunden. In der nächsten Saison werde ich aber doch mal mit einem aktuellen Board an der Start gehen. Da freut sich auch mein Sponsor.

Gab es da keinen Stress vom Sponsor, nach dem Motto: Die neuen Boards scheinen schlechter zu sein als die alten. Das wird Starboard wahrscheinlich nicht so richtig erfreut haben. Ich glaube, dass man sich manchmal auch gegen Widerstände durchsetzen muss. Letztlich wollen Sponsoren doch auch nur, dass man erfolgreich ist. Und wenn ich das Gefühl habe, auf einem älteren Board, das ich perfekt kenne, bessere Leistungen bringen zu können, sollte man auch alles dafür tun, diesen Vorteil zu nutzen. Ich fahre immer Vorbereitungswettkämpfe am Anfang der Saison, um das neue Material mit dem Stuff vom Vorjahr zu vergleichen. Ich wechsle erst dann gegen das Neue, wenn ich wirklich von einem Entwicklungsfortschritt überzeugt bin. Bei den Segeln ist das etwas anderes, weil man die auf jedem Foto sieht. Hier bin ich auch immer brav die aktuellen Modelle gefahren. Aber auch um diese einzustellen, brauche ich einige Tage. Darum sind lange Trainingseinheiten und viele Trainingsregatten notwendig, um das Beste bei großen Events herauszuholen.

2011 gab es auf Sylt einen Event, bei dem du erst hinterhergefahren bist, dir dann ein Segel einer Konkurrenzmarke geliehen hast und anschließend alle in Grund und Boden gefahren hast. Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht des Sponsors und geht einen Schritt zu weit? Im konkreten Fall auf Sylt wurde das alles unnötig aufgebauscht. Ich hatte damals das O.K. von Point-7, andere Segel zu nutzen, weil ich wusste, dass meine damals nicht konkurrenzfähig waren. Ich bekam grünes Licht, nur deshalb habe ich das gemacht. Ich würde nie absichtlich einem Sponsor schaden.

Kommen wir nochmal auf deine dir eigene Konsequenz zurück. Ist es richtig, oder nur ein Gerücht, dass du dein Wavematerial mehr oder weniger in die Ecke gestellt hast? Das ist kein Gerücht. Ich fahre für mein Leben gerne auf kleinen Boards, übe Freestyle-Manöver und gehe in die Welle. 2013 Jahr habe ich mich jedoch entschlossen, die gesamte Saison – egal was für Bedingungen sind – nur mit Slalom und Formulamaterial auf dem Wasser zu sein.

  Vincent Langer kann’s auch in der Welle oder auf dem Freestyleboard. Und notfalls auch zu Pferd.
Vincent Langer kann’s auch in der Welle oder auf dem Freestyleboard. Und notfalls auch zu Pferd.

Und bei sieben Windstärken, wenn andere Jungs in Cabezo/Teneriffa das 4,0er-Segel aus der Tüte ziehen, bist du mit Andrea Cucchi unterwegs? Wenn die anderen Spaß mit kleinen Wavesegeln haben, habe ich Spaß mit meinem kleinen 6,2er Slalomsegel. Gute Trainingspartner, wie zum Beispiel auf Teneriffa Andrea Cucchi, sind dann mit mir auf dem Wasser, so dass ein effektives Training möglich ist. Und es macht Spaß, auch wenn viele es nicht glauben.

Unser Respekt! Scheinbar funktioniert deine Trainingsgemeinschaft mit Andrea Cucchi. Das war mit anderen Regattagefährten nicht immer der Fall. Lassen sich manche Fahrer ungern in die Karten schauen? Beim Training muss die Chemie stimmen, denn Trainingspartner sind auch immer Freunde, ansonsten kommt die Freude zu kurz. Zusätzlich ist es wichtig, dass das Leistungsniveau passt. Es bringt mir wenig, mit einem Surfer zu trainieren, um den ich Kreise fahren. Meine Trainingsgruppe – im Winter Andrea Cucchi und im Sommer einige Dänen – funktioniert sehr gut und macht viel Spaß. Bei den deutschen Fahrern beschränkt sich dies auf Fabian (Mattes, d. Red.) und Johannes Schade. Andere deutsche Fahrer kommen weniger in Frage, die sind mir teilweise zu verbissen.

Ist es diese Verbissenheit, die dich beim besagten Materialwechsel auf Sylt gestört hat? Dein Konkurrent Bernd Flessner war damals stinksauer und hat Dani Jacobsen, der dir sein Segel geliehen hatte, erstmal ordentlich rund gemacht und Konsequenzen angedroht. Oder gehört sowas einfach zum Leistungssport dazu? Damals war es zwischen uns beiden extrem knapp, ich sägte an seinem Thron und Flessi stand ziemlich unter Druck. Da sagt man manchmal Dinge, die man hinterher besser nicht gesagt hätte – ich will mich da gar nicht ausnehmen. Mittlerweile hat sich das jedoch wieder komplett entspannt. Ich glaube, er hat nun akzeptiert, dass er nicht der ewige Sieger sein kann und dass er gegen mich auch mal verlieren darf. Eigentlich ist er ein sehr netter und hilfsbereiter Typ.

Letztes Jahr hast du den nächsten Schritt gemacht und bist beim Worldcup Sylt beeindruckend gefahren. Und das, obwohl du eigentlich gar nicht am Saison-Highlight teilnehmen wolltest. Worldcup Sylt? Klar, da musste ich als DWC-Ranglistenerster am Start sein, aber ich habe mich definitiv nicht darauf gefreut. Das war meine 14. Regatta der Saison und irgendwann ist die Luft auch mal raus. Zusätzlich stand ich auf dieser Regatta unter hohem Druck und musste erfolgreich abschneiden, damit meine Sponsoring-Zuwendungen für 2013 auf Reisekosten für ausländische Worldcups erweitert werden. Es ist also nicht immer nur spaßig. Im Nachhinein bin ich jetzt natürlich mit meinem 13. Platz extrem zufrieden.

Weg vom eigenem Regattaengagement und hin zur Förderung von Kindern und Jugendlichen. Da engagierst du dich auch. Es gibt leider wenig Leute, die wirklich Ahnung vom Windsurf-Regattasport haben. Darum habe ich 2012 den Landeskader von Schleswig-Holstein trainiert. Es ging dabei nicht um Kohle, sondern darum, dass wieder guter Nachwuchs nachkommt. Zusätzlich ist für Anfang August 2013 ein Kids Camp in Heidkate mit 30 Kindern und Jugendlichen geplant. Zurzeit wird nämlich leider sehr wenig für unsere Kids getan. Ziel ist es, Spaß auf dem Wasser zu haben und viel über Wind, Wetter, Sport und natürlich Windsurfen zu vermitteln. Ich bin mir sicher, dass das Camp richtig klasse wird.

Gerüchten zufolge, sollen dir auch schon mal im DWC 50 Euro geboten worden sein, damit du das Rigg eines Konkurrenten einstellst? Durch meine Testarbeit bei Point-7 habe ich sehr viel über Segel gelernt. Fragen kommen daher sehr oft und mir wurde tatsächlich auch schon mal Geld geboten. Doch das mache ich gerne, auch ohne Geld!

Nach dem Studium in Flensburg geht es für dich zurück nach Kiel. Aber nicht in die City, ins tobende Leben, sondern in ein Kaff namens Wendtorf. Warum? Ein Umzug nach Wendtorf, direkt ans Wasser, wird definitiv im April 2013 stattfinden. Dann komme ich auch jeden Tag aufs Wasser, ohne das Auto nennenswert bewegen zu müssen. Das wird stark!

Frauen lernt man da wahrscheinlichnicht kennen... Nein, aber ich bin seit zwei Jahren Single und glücklich wie es jetzt ist! So kann ich mich voll aufs Windsurfen konzentrieren.

Wir wünschen dir alles Gute für die kommende Saison und dass dann irgendwann die richtige Frau auf dich wartet!

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