Andreas Erbe
· 03.09.2021
Mitte der 90er-Jahre gehörte Ralf Bachschuster zum legendären „Team Germany“. Der Mann aus Ingolstadt war nicht nur einer der erfolgreichsten Deutschen in der Welle und im Slalom, sondern auch bekannt für klare Worte und konsequente Entscheidungen – kurz nach seinem Worldcup-Ausstieg 1997 kehrte er dem Windsurfen den Rücken zu – und widmet sich seither dem Kiten. Trotzdem ist er dem Windsurfsport auf ewig dankbar.
Zum Abschluss unseres Video-Interviews schwenkt Ralf noch einmal die Kamera um 360 Grad – an mir ziehen Kapstadts Wahrzeichen, der Tafelberg, die Hänge oberhalb seines Hauses – die erst kürzlich wieder einmal in Flammen standen – die dichten Häuserschluchten von „Mother City“ und schließlich der Atlantische Ozean vorüber. Seit mehr als 25 Jahren lebt Ralf in Oranjezicht, einem Stadtteil von Kapstadt. Damals, 1995, surfte er noch erfolgreich im Worldcup, gewann in diesem Jahr den Slalom beim Worldcup auf Sylt und war Dauergast in den Top-Ten im Slalom und in der Welle. Dreimal gewann er den Jump Contest beim Indoor Worldcup in Paris-Bercy. „Aber um ehrlich zu sein, gegen Naish und später Dunkerbeck hatte ich kaum eine Chance.“ Trotzdem kann sich die Bilanz für einen, der nicht von einer wind- und sonnenverwöhnten Insel stammt, mehr als sehen lassen. Als seinen größten Erfolg sieht er ohnehin, „dass ich die Welt bereisen durfte und überall windsurfen konnte – 13 Jahre auf der Worldtour waren ein unglaublicher Spaß und extrem privilegiert.“ Doch 1997 war Schluss – nicht nur mit den Contests.
Dein letzter Worldcup war 1997 auf Fidschi. Eigentlich ein Traum für jeden Worldcupper – warum hast du so abrupt im Worldcup aufgehört.
Ich war oft unter den ersten Fünf in der Welle und fand den Gedanken schrecklich, da weiter zu kämpfen für nichts. Ich sah keinen Sinn mehr darin. Ich merkte, dass ich nicht mehr besser werden konnte, beziehungsweise mein Level in der Welle nur noch mit extrem hohem Aufwand hätte halten können. Ich hatte den Anspruch, richtig gut zu fahren in der Welle – und das konnte ich irgendwann nicht mehr.
Du bist dann sehr schnell und konsequent aufs Kiten umgestiegen. Was hat dich so daran gereizt?
Ich wollte einfach etwas Neues ausprobieren. Mich interessierte immer schon die Geschwindigkeit auf der Welle.
Rund um Kapstadt sieht man unzählige Kiter auf dem Wasser. Dein Style sticht aber immer hervor. Du filetierst die Wellen mit deinem Brett wie mit einem Sushimesser. Bist du nie Kite-Contests gefahren?
Das hat mich nie interessiert. Dieses Rumgewirbel in der Luft mit Drehungen, das fand ich schon beim Freestyle im Windsurfen schrecklich. Ich habe auch nie verstanden, warum man beim Kiten Directional Strapless (ohne Schlaufen auf einem Wellenreitbrett, Redaktion) fährt. Das können vielleicht eine Handvoll Leute, der Rest schwimmt nur rum.
Du hast auch eine eigene Brettmarke – RB63.
Das mache ich schon seit 1999. Allerdings ist das nur eine kleine Custom-Made-Schmiede. Es gibt nur drei verschiedene Größen und die lasse ich in Muizenberg bauen. Außerdem gibt es bei RRD ein Kiteboard – das Baracuda – von mir.
Verdienst du damit deinen Lebensunterhalt?
Ich sage immer, man muss weniger ausgeben als man einnimmt, dann funktioniert’s. Ich vermiete auch noch einige Apartments.
Seit einem Jahr bist du auch Vater.
Ja, Leni wird jetzt ein Jahr alt. Sie ist in Hamburg zur Welt gekommen und meine Lebensgefährtin Jasmin kommt aus Hamburg und ist auch Kiterin. Wir haben uns kennengelernt, weil sie ein Board von mir bestellt hatte.
Könntest du dir vorstellen, wieder nach Deutschland zu ziehen?
Schwer. Im Vergleich zu Südafrika ist Deutschland schon sehr teuer. Aber vor allem mag ich keine Kälte. Ich hasse es, Strümpfe anziehen zu müssen. Ich bin immer barfuß.
Bist du noch mal aufs Windsurfbrett gestiegen, seit du kitest?
Ja, vielleicht ein- oder zweimal. Aber ich will nicht sagen, dass ich keinen Sinn darin sehe, aber ich habe das 20 Jahre gemacht, habe das Zeug hin- und hergeschleppt und da habe ich keinen Bock mehr drauf.
Aber wenn du heute privat Windsurfen würdest, brauchst du ja auch nur noch sehr wenig Material.
Aber auch das wäre mir zu viel. Beim Kiten habe ich ein Board und zwei Kites. Aber Windsurfen finde ich immer noch mega, das hat voll seine Berechtigung – es war damals mein Leben und jetzt ist halt was Neues. Außerdem ist Kiten viel weniger anstrengend – das merkt man in meinem Alter schon.
Hast du den neuen Trend Wingfoilen schon mal ausprobiert?
Das habe ich auf dem Rietvlei See in Kapstadt gemacht und teste mich so langsam ran. Ich find das super, aber es muss noch deutlich schneller werden. Speed und Style ist ja eigentlich mein Motto und da muss es noch hin.
Beobachtest du das Windsurfen auch noch?
Ja klar. Windsurfen habe ich eigentlich alles zu verdanken. Ich habe mit 15 Jahren in Ingolstadt meine Maschinenschlosserlehre gemacht. Als ich 18 Jahre alt und Geselle war, habe ich gekündigt und bin an den Gardasee gegangen. Mit 19 Jahren bin ich dann das erste Mal geflogen. Windsurfen hat mir ermöglicht, die Welt zu sehen und einen ganz anderen Lifestyle zu erleben. Das war großartig. Du musst dir vorstellen, ich konnte kein Englisch, durchs Windsurfen habe ich die Sprache gelernt. Ich bin dem Windsurfen und den Leuten von damals unendlich dankbar.