Linus Heuer
· 13.04.2023
Mario ist zwar kein professioneller Windsurfer, verdient aber trotzdem sein Geld mit dem Brett. Sein YouTube-Kanal Surferzyzz, der Online-Shop Wind Lounge und das Modelabel Jibe Wear machen‘s möglich.
Mario Kümpel, besser bekannt als Surferzyzz, ist 25 Jahre alt und lebt in Leipzig – wenn er nicht gerade mal wieder um die Welt reist. Bekannt geworden ist er durch seine mittlerweile über 400 produzierten Windsurf-YouTube-Videos. Dabei sollte es aber nicht bleiben, und so gründete Mario 2018, gemeinsam mit zwei Freunden, das Modelabel Jibe Wear – und nur zwei Jahre danach den Online-Surfshop Wind Lounge.
Ganz schön viel für eine Person. Wir haben ihn daher gefragt, wie er das alles schafft.
Moin, Linus, gerne doch, ich freue mich auf deine Fragen.
Ich habe als Jugendlicher schon immer sehr viele Filme, Serien und YouTube-Videos konsumiert. Besonders YouTube war für mich aber eine andere Welt. Echte Leute, die Teile ihres echten Lebens zeigen. Das war sehr inspirierend, und ich wurde durch YouTube damals selbst zu einem anderen Menschen. In der Schule hatte ich es nicht so leicht, zufälligerweise folgte ich damals einem Gaming-YouTuber, dem es ähnlich ging wie mir. Der fing dann an Fitness zu machen, hat alles dokumentiert und sich dabei komplett verändert. Quasi vom Nerd zum coolen Typ mit Freundin. Das wollte ich nachmachen – und bin dann auch fast cool geworden (lacht). Weil es im Windsurfen niemanden gab, der regelmäßig Videoblogs produziert hat, habe ich mich dann einfach ausprobiert. Ich dachte mir, vielleicht kann ich ja auch Leute begeistern. So, wie es mir damals passiert ist. Dass ich Leute damit erreichen kann, wusste ich, als ich nach einem Jahr ungefähr hundert Abonnenten hatte und die ersten Kommentare kamen. Ich war davon überzeugt, dass daraus was entstehen kann. Warum, weiß ich auch nicht (lacht).
Long story, short: Mein Papa ist Windsurfer mit Leib und Seele, da hatte ich ja keine Wahl! Mit elf wurde ich das erste Mal auf ein Board gestellt – und wenig später hat auch mich die Sucht ergriffen. Ich muss aber ehrlich sagen, es war eine Hassliebe. Nach jeder dritten Session wollte ich nie wieder windsurfen. Ich habe das mit dem Höhe laufen einfach nicht richtig hinbekommen – und das Frustlevel war extrem hoch. Die geilen Gleitfahrten haben das aber zum Glück wieder wettgemacht!
Grundsätzlich sind fast alle meine 15.000 Abonnenten Windsurfer. Wingsurfer kommen langsam auch immer mehr dazu. Die Demografie meiner Community entspricht dann auch ziemlich genau der Demografie unserer Sportart. Überwiegend männlich, zwischen 30 und 50 Jahre alt. Frauen sind selbstverständlich auch unter meinen Zuschauern. Am interaktivsten sind aber insgesamt die jungen Zuschauer. Die sind mega hyped auf Windsurfen, und das motiviert mich umso mehr - die wissen natürlich auch am besten, wie Social Media funktioniert.
Korrekt, das war echt nicht easy. Ganz am Anfang meiner Karriere war ich sogar noch in der Schule. Da habe ich einfach das Kamera-Equipment von meinem Papa benutzt, der hat mich da sehr unterstützt und alles ermöglicht. Später im Studium hatte ich circa 700 Euro monatlichen Support von meinen Eltern – das hat in Kiel genau zum Leben gereicht. Benzin, Equipment und vieles mehr habe ich mir dann mit einem Minijob dazuverdient. Außerdem hatte ich von meinem Opa ein bisschen Geld geerbt, ohne das hätte ich mir keine erste Kamera, Laptop und kein erstes Auto kaufen können. Da war also sowohl Glück als auch Verstand dabei.
Kommt auf die Kritik an. Wenn einer mir am Strand offen und konstruktiv einen Verbesserungsvorschlag macht, freue ich mich sogar. Wenn es dann um Beleidigungen im Internet geht, ist das natürlich erst mal sehr verletzend. Auch wenn hinterm Rücken gelästert wird, tut einem das natürlich weh. Das war aber früher viel schlimmer für mich, mittlerweile halte ich das aus. Man gewöhnt sich einfach daran. Das Thema ist aber sehr schwierig, ich habe nämlich in der Regel 100 Prozent positive Kommentare und 99 Prozent positive Bewertungen bei meinen Videos. Da kommt man sich fast blöd vor, wenn man sich von den Einzelfällen manchmal triggern lässt. Aber ich bin halt auch nur ein Mensch (lacht).
Na ja, die Skater, Snowboarder und so weiter, die hatten immer alle einen eigenen Style! Ich bin kein Modeguru oder so, aber die Idee war einfach, Klamotten zu produzieren, die ganz glasklar von und für Windsurfer gemacht sind. Und das dann auch noch in cool. Wie schwer so was ist, haben wir dann natürlich auch gemerkt. Aber hey, alle meinten, so was ist unmöglich – und dafür sind wir verdammt weit gekommen. Bald geht es hoffentlich bei Jibe Wear wieder weiter!
Na ja, Chiemsee ist ein riesiges Unternehmen, und die sind einfach keine glasklare Windsurfmarke mehr. Ist aber überhaupt nicht böse gemeint. Ich finde die Klamotten von denen megageil und hab immer nen Chiemsee-Shirt im Schrank!
Absolut, Wind Lounge war in jeglicher Hinsicht das größte Risiko, was ich je eingegangen bin. Ein Modelabel kannst du mit recht wenig Startkapital gründen, einen Surfshop nicht. Der Arbeitsaufwand ist auch ein ganz anderer. Aber die Gelegenheit hat sich ergeben, wir waren das perfekte Team für den Job, also ging es einfach rein ins Abenteuer.
Unser Fokus liegt auf Beratung, Service und Kundennähe. Es gibt zum Beispiel so unfassbar viel Material am Markt, dass Windsurfer Mario Kümpel regelrecht dankbar sind, wenn man die Auswahl vorsortiert und sich klar positioniert. Deswegen haben wir auch nicht zehn verschiedene Board-Marken im Sortiment – am Ende hilft das ja keinem. Solche Entscheidungen zu treffen und eben nicht auf Masse zu gehen, ist viel Verantwortung, macht aber umso mehr Spaß, wenn man das positive Feedback der Kunden erhält.
Wir haben 2022 unser Team für Wind Lounge gegründet. Im Endeffekt bekommt da der Windsurfnachwuchs günstigere Konditionen auf unser Material – und wir helfen auch ansonsten, wo wir können. Auch wenn unsere Zeit natürlich sehr limitiert ist. Uns ist es einfach wichtig, dass jungen Windsurfern der Einstieg in den Sport etwas vereinfacht wird – gerade, wenn Regatta-Ambitionen mit im Spiel sind. Wir sind da jetzt aber auch nicht der Messias, der das Nachwuchsproblem löst – dafür braucht es noch deutlich mehr Ideen und Einsatz.
Christopher und ich wohnen in Leipzig – hier lohnt sich einfach kein großes Ladengeschäft. Gerade in unserer Anfangsphase wäre das auch einfach viel zuviel Aufwand gewesen. Aber mal schauen, was noch so kommt.
Na ja, seien wir ehrlich. Anfassen geht im Online-Shop noch nicht. Wir wollen aber auch keine lokalen Surfshops ersetzen, wir wollen etwas Eigenes, etwas Neues erschaffen. Unsere Kunden sollen zum Beispiel mittelfristig zu fast allen Produkten ein entsprechendes Video auf unserem Wind-Lounge-YouTube-Kanal finden. Inklusive Interviews von anderen Kunden, Teamfahrern, Material-Reviews, Talks mit den Herstellern – und so weiter. Dazu kommt natürlich unsere Website, die von uns selbstgeschriebenen Produktanleitungen und so weiter. Das ist alles unfassbar viel Arbeit. Aber am Ende wird etwas entstehen, was nicht mit physischen Shops in Konkurrenz steht. Nicht, weil es besser ist. Sondern, weil es anders ist.
Wir haben uns bei der Gründung gesagt, wir wollen nur Produkte verkaufen, bei denen wir voll hinter der Marke stehen. Das waren anfangs dann einfach Marken, die wir schon in der Tiefe kennenlernen durften. Mittlerweile haben wir aber auch bekannte Marken wie Patrik und Point-7 im Sortiment – mit beiden haben wir übrigens extrem gute Erfahrungen gemacht. Point-7 ist auch mein neuer Segelsponsor.
Die Idee ist, dass wir Probleme von Windsurfern lösen, die eigentlich nicht sein müssten. Die Schraubenbox ist da nur ein Produkt von vielen, und die Geschichte ist recht einfach. Wir haben gesehen, dass andere Surfshops einzelne Schrauben für bis zu drei Euro verkaufen. Das ist natürlich komplett irre. Unsere eigene Schraubenbox enthält 30 hochqualitative und feinsortierte Schrauben in allen Größen, Unterlegscheiben – und man zahlt am Ende weniger als im Baumarkt.
Wir sind der jüngste Surfshop in Deutschland. Bisher ging es für uns daher einfach nur nach oben, denn wir kommen ja quasi von null. Wo die Grenzen sind, wissen wir ehrlich gesagt nicht. Unser Konzept macht es uns natürlich schwerer, schnell zu wachsen. Alles ist persönlich und wird mit Herzblut gemacht, und Herzblut ist limitiert. Doch wir sind bester Dinge, bisher läuft alles super und das, obwohl die Welt im Krisenmodus ist. Wir möchten aber definitiv nicht das nächste Surf-Amazon werden, sondern immer unsere Vision im Auge behalten.
Ich werde in nächster Zeit vor allem meine ersten Erfahrungen mit den neuen Segeln von Point-7 dokumentieren – mit meinem neuen Segelsponsor also. Ansonsten begleite ich auf YouTube natürlich unseren Weg mit dem Surfshop – und auch sonst alles an Windsurfabenteuern, was mir so über den Weg läuft! Der Fokus liegt für uns auf zwei Dingen: YouTube und Wind Lounge.
Ich hab schon Bock, aber das Foil-Thema ist einfach super krass. Bei Regatten mit Finne war es immer so, dass man zumindest nicht permanent Todesangst hatte und auch mal einfach pushen konnte. Wenn du mit dem Foil eine Regatta mitfährst, musst du auf dem Punkt sein. Da ich jetzt nicht jeden Tag trainiere, macht es das echt schwer. Aber hey, ich kenn mich, ich bekomm da garantiert wieder Bock drauf – und dann bin ich am Start!
Mein Vater gibt da Vollgas, schließlich wurde mit dem Foilen sein Hobby verboten. Das Ganze ist echt ätzend und absolut unverständlich. Die Begründung für das Verbot ergibt keinen Sinn, und leider muss jetzt der lange, rechtliche Weg gegangen werden. Für die Jugendlichen, die hier überlegt haben, fürs Olympia-Foilen zu trainieren, ist es mega hart. Ich will gar nicht damit anfangen, was passiert, wenn so etwas in andere Bundesländer überschwappt. Für mich selbst ist es einfach nur nervig, aber ich bin ja zumindest viel unterwegs – ich will also nicht zuviel rumjammern. Es gibt übrigens eine Spendenaktion für den Rechtsstreit – www.skvl.de
Anmerkung der Redaktion: Inzwischen ist das Foilverbot in Sachsen wieder aufgehoben - alle Hintergründe dazu erfahrt ihr hier!