Winterneopren im Vergleich

Winterneopren im Vergleich
Winterneopren im Vergleich

Der nächste Winter kommt bestimmt. Wir haben deshalb getestet, welcher Anzugtyp am besten wärmt: Vom klassischen Neopren-Glatthautanzug über Hybrid-Modelle bis zur kompletten Trockentüte. Vier Modelle traten im letzten kalten Winter exemplarisch als Vertreter ihrer Gattung an.

Auch wenn man sicherlich darüber streiten kann, wie sinnvoll oder sinnlos Surfen im tiefsten Winter ist, so zeigt sich doch, dass man mit der richtigen Kleidung seine persönliche Surfsaison erheblich verlängern kann. Wo die eigene Schmerzgrenze liegt, muss jeder selbst entscheiden. surf hat für euch vier unterschiedliche Anzugkonzepte verglichen und verrät, wie man dampfend statt tiefgekühlt vom Wasser kommt.

GLATTHAUT ODER KASCHIERT?

Wer darüber nachdenkt, auch in der kalten Jahreszeit aufs Wasser zu gehen, benötigt einen ausreichend dicken Neo. Die wärmsten Modelle der Hersteller sind meist zwischen fünf und sieben Millimeter dick. Neben der Dicke des Materials ist aber vor allem die Neoprenart entscheidend: Glatthaut-Anzüge sind, bei gleicher Dicke, deutlich wärmer als kaschierte Modelle, da das Wasser am Anzug abperlt und somit der Wind-Chill-Effekt (Abkühlung durch Verdunstung) weniger fröstelnd ausfällt. Dank Klettverschlüssen an Hals, Armen und Beinen sowie geklebter Nähte lassen sie Wasser nur tröpfchenweise ins Innere, zumindest solange sie frei von Beschädigungen sind. Hier nämlich liegt die Schwäche der Glatthautmodelle: Bei spitzen Gegenständen und Fingernägeln ist Vorsicht geboten, in puncto Haltbarkeit haben die kaschierten Anzüge, wie der getestete NPX, klare Vorteile. Unser Systemvergleich zeigte, dass bei Temperaturen über zwölf Grad ein fünf Millimeter dicker, kaschierter Anzug (eventuell mit Thermo-Unterzieher) in der Regel ausreicht. Wer auch darunter noch aufs Wasser will, ist mit einem Glatthautneo besser beraten. Die Bewegungsfreiheit ist in beiden Fällen vergleichbar gut.

HYBRIDANZÜGE

Stellvertretend für Hybridanzüge haben wir den ProLimit Hybrid LT Drysuit ausprobiert. Der untere Teil des Anzugs gleicht dabei einem normalen Surfanzug, oberhalb der Hüfte wird das ProLimit-Modell zum Trockenanzug. Der Einstieg erfolgt über einen breiten horizontalen Reißverschluss am Rücken. Ein- und Ausstieg gelingen hierbei sehr einfach, allerdings kann man den Reißverschluss nicht alleine verschließen und ist dabei auf fremde Hilfe angewiesen. Das dünne Material des Trockenanzugs und die Manschetten an Hals und Händen lassen absolut kein Wasser eindringen, die Wärmeisolierung ist abhängig von der Kleidung, die (am Oberkörper) darunter getragen wird. Am besten geeignet sind Pullis aus Polyester-Fleece, selbst Lufttemperaturen unter acht Grad ließen sich dann noch gut aushalten.

TROCKENANZÜGE

Beim getesteten Modell Camaro Kitec erfolgt der Einstieg über einen horizontalen, sehr breiten Reißverschluss auf der Vorderseite. Somit lässt sich der Verschluss bequem vor dem Körper bedienen. Die Manschetten an Armen und Beinen wirken sehr filigran und schließen recht eng ab. Somit wird jeglicher Wassereintritt auch bei härteren Crashs verhindert. Trockenanzüge selbst sind zunächst nicht wärmer als herkömmliche Neos, haben aber den Vorteil, dass man sich mittels der darunter getragenen Kleidung an die Lufttemperaturen anpassen kann. Dazu werden passende Polyester-Overalls angeboten, die keine Feuchtigkeit aufnehmen und den Schweiß von der Körperoberfläche weg transportieren. So wird “nasse Kälte” vermieden. Vorsicht ist auch hier – wie bei allen Trockenanzügen – bei den Manschetten geboten: Spitze Fingernägel oder hektisches Ziehen am Anzug sollte man vermeiden, einmal eingerissen läuft der Anzug voll wie die Titanic. Für den Einsatz in der Welle eignen sich Trockenanzüge weniger, da der weite Schnitt die Schwimmfähigkeit deutlich einschränkt. Einer der größten Vorteile des Trockenanzuges ist die hervorragende Bewegungsfreiheit. Während man sich mit mehreren Neoprenschichten meist wie ein Michelin-Männchen vorkommt, fühlt man sich in der Camaro-Tüte beinahe wie im bequemen Feierabend-Jogginganzug. Als kleines Manko erwies sich beim Camaro lediglich das um den Körper verlaufende Gurtband, mit welcher die großzügige Einstiegsöffnung fixiert wird. Hochgeschnittene Hüfttrapeze enden unter Umständen genau auf dem Gurt, was mitunter etwas drücken kann.

DIE “LOW-BUDGET -VARIANTE”

600 Euro für einen Trockenanzug, der noch dazu wie ein rohes Ei behandelt werden will?! Für viele ist diese Anschaffung – trotz warmer Argumente – keine wirkliche Option. Doch auch zwei übereinander gezogene normale Neos können für die richtige Betriebstemperatur sorgen, wenn man Abstriche beim Komfort in Kauf nimmt. Damit man sich allerdings noch halbwegs normal bewegen kann, sollten zuvor einige Modifikationen geschehen. Man benötigt einen alten kaschierten Anzug mit drei bis fünf Millimeter Dicke, von dem man die Ärmel direkt an der Schulter und die Beine oberhalb der Knie abschneidet. Über diesen “Unterzieher” kann man nun einen normalen warmen Glatthautanzug überziehen. Während zwei glatte Anzüge aufeinander kleben und das Anziehen zur Tortur werden lassen, hat der kaschierte Unterzieher den Vorteil, dass der zweite Anzug leicht darübergleitet. Das An- und Ausziehen wird somit deutlich erleichtert. Je nach Unterzieher hat man dann zwischen acht und zehn Millimeter Neopren am Rumpf und trotzdem noch ausreichende Bewegungsfreiheit an Armen und Beinen.

THERMO-UNTERZIEHER

Normale Neoprenanzüge können bei niedrigen Temperaturen mit innen beschichteten Thermo-Unterziehern kombiniert werden. Diese sind zwischen ein und zwei Millimeter dick und bieten eine günstige Möglichkeit, einen normalen Anzug aufzurüsten, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die Unterzieher werden teilweise mit integrierter Haube angeboten. Diese gut gemeinte Idee hat in der Praxis jedoch einen Nachteil: Sitzt die Haube nicht stramm am Kopf, dringt bei jedem Crash ein Schwall kaltes Wasser ein und fließt einem von dort direkt über den Oberkörper. Bei externen Hauben läuft eingedrungenes Wasser hingegen einfach am Hals wieder raus und gelangt nicht unter den Anzug – ein klarer Vorteil.

SCHUHE UND HAUBEN

Über Kopf und Hals geht ein Großteil der Körperwärme verloren, dementsprechend wichtig ist die Verwendung einer Haube. Auch aus medizinischer Sicht macht dies Sinn: Kaltes Wasser im Ohr, in Verbindung mit starkem Wind, kann mit den Jahren zu einer Verknöcherung des Gehörgangs (Gehörgangsexostose/ Surfer’s ear) führen, die teilweise operativ behandelt werden muss. Auch das passende Schuhwerk ist im Winter Gold wert. Mit bis zu sieben Millimetern Dicke, beispielsweise beim Ascan Titanium, hat man selbst dann noch warme Füße, wenn um einen herum schon die Eisschollen schwimmen.

DIE ACHILESFERSE DES WINTER-SURFENS – DIE HÄNDE

Die Hände bleiben beim Surfen im Winter eine Problemzone. Der Schmerz, wenn kalte Hände langsam wieder auftauen, ist wahrlich kein Spaß. Doch Not macht erfinderisch. Und so hat jeder leidgeplagte Wintersurfer irgendein mehr oder weniger effektives Geheimrezept in petto. Der eine schwört auf Gartenhandschuhe, die er mit Klebeband am Handgelenk festklebt, um kaltes Wasser draußen zu halten, der nächste versucht es mit Motorrad-Handschuhen aus Leder gegen den Wind-Chill-Effekt. Am geeignetsten erscheinen spezielle Surfhandschuhe, dabei bieten sich zwei unterschiedliche Optionen: Geschlossene Handschuhe sind generell am wärmsten, haben in der Praxis aber den Nachteil, dass man auf dem Wasser vom Greifen schneller dicke Unterarme bekommt. Alternativ dazu empfehlen sich Fäustlinge mit offener Handinnenfläche. Diese erleichtern das Greifen spürbar, halten aber natürlich etwas weniger warm.

TESTERS WAHL

Für eine Surfsaison von April bis Oktober reicht ein kaschierter Anzug (eventuell mit zusätzlichem Unterzieher) aus. Ein dicker Glatthautanzug ist nochmals spürbar wärmer, allerdings auch etwas empfindlicher gegenüber Beschädigungen. Das ausprobierte Hybrid-Modell empfanden wir, aufgrund leicht eingeschränkter Bewegungsfreiheit, empfindlicher Manschetten und des schlechteren Komforts beim An- und Ausziehen, als weniger empfehlenswert. Das mit Abstand beste Verhältnis aus Bewegungsfreiheit, Anziehkomfort und Wärmeisolierung bietet der echte Trockenanzug. Wer das Saisonende deutlich hinauszögern will, kann über einen echten Trockenanzug ernsthaft nachdenken. Diese Anzüge sind dann allerdings Luxus-Zweitanzüge, denn um einen weiteren Langarmneo kommt man nicht herum. An dieser Stelle sei allerdings betont, dass es auch mit der wärmsten Kleidung keinen Grund gibt, die Grundregeln des Wintersurfens über den Haufen zu werfen. Surfen im Winter bleibt ein nicht ungefährliches Unterfangen. Aus diesem Grund sollte man sich im Idealfall ein Stehrevier aussuchen, wo man, zum Beispiel bei Materialbruch, zurücklaufen kann. Auf keinen Fall sollte man bei ablandigem Wind und alleine aufs Wasser gehen. Wer das beachtet, surft richtig gekleidet länger als Eisbrecher die Ostsee frei halten können.

Folgende Neoprenanzüge findet ihr im Systemvergleich

  • Pro Limit Hybrid LT Drysuit
  • Camaro Kitec
  • NeilPryde 5000 Serie Semidry 5/3
  • NPX Zealot 5/3 E3

Den gesamten Artikel über Systemvergleich Neoprenanzüge findet ihr unten als PDF-Download.

Text: Manuel Vogel

Fotos: Manuel Vogel, Marius Gugg

Prolimit Hybrid LT Drysuit: Sehr warm und absolut wintertauglich. Guter Sitz des Trapezes. Rückenreißverschluss bedienungsunfreundlich.

Camaro Kitec: Mit geeignetem Unterzieher die wärmste Möglichkeit für die kältesten Tage. Gute Bedienung und absolut dicht. Beim An- und Ausziehen sind die engen Manschetten vorsichtig zu behandeln, um Beschädigungen zu vermeiden. Die Bewegungsfreiheit ist nicht zu toppen.

NeilPryde 5000 Serie Semidry 5/3: Das weiche und elastische Neopren des Pryde 5000 ist etwas empfindlicher, vermittelt aber hervorragende Bewegungsfreiheit und tollen Tragekomfort. Für Surfer, die auf die kältesten Wochen des Jahres verzichten können, absolut ausreichend.

NPX Zealot 5/3 E3: Das sehr elastische Material des NPX ist vergleichsweise langlebig und sitzt am Körper wie eine zweite Haut. Bewegungsfreiheit und Tragekomfort sind hervorragend. Bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius haben die Glatthaut- und Trockenanzüge spürbare Vorteile. Deshalb eher für Frühling und Herbst geeignet.

Upgrade – von innen beschichtete Neoprenunterzieher verbessern die Wärmeisolierung von normalen Neoprenanzügen spürbar

Kaschiertes Neopren (links) ist deutlich robuster, kühlt aber im Wind schneller aus als glattes Neopren (rechts). Geklebte Nähte verhindern zudem den Wassereintritt.

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