Die Schöne ist ein BiestJaws - die perfekte Welle

Robby Swift

 · 15.08.2022

Die Schöne ist ein Biest: Jaws - die perfekte WelleFoto: Fishbowl Diaries

Der Brite Robby Swift kam bereits mit 15 Jahren nach Maui – schon damals träumte der junge Kerl von einem Rendezvous mit der perfekten Welle von Jaws. Mehr als 20 Jahre später blickt der Wahl-Hawaiianer auf viele Dates mit dem schönen Biest zurück.

Jaws ist ein ganz besonderer Ort für mich – und wohl für alle anderen Surfer und Windsurfer, die sich für große Wellen interessieren. Es ist der Gipfel des Big-Wave-Surfens und Windsurfens. Die Welle an der Nordküste Mauis ist wahrscheinlich das berühmteste Big-Wave-Revier und definitiv eine der schönsten Wellen der Welt. Der Platz hat eine mystische Ausstrahlung auf mich – und alle, die ihn je gesehen haben. Jedes Kind, das auf Maui surft, wächst mit dem Traum auf, eines Tages dort zu surfen. Ich war da nicht anders. Ich weiß noch, wie ich mir die Fotos von Robby Naish, Jason Polakow, Björn Dunkerbeck und Josh Stone in der Fotoserie „Riding Mountains“ angesehen habe. Damals war ich etwa zwölf Jahre alt und träumte davon, das alles eines Tages auch zu tun.

Jaws oder Peahi, wie der hawaiianische Name der Welle lautet, ist der heilige Gral für Windsurfer, Surfer, SUPer und Kiter. Alle wollen die seltene Perfektion erleben.Foto: Fishbowl Diaries
Jaws oder Peahi, wie der hawaiianische Name der Welle lautet, ist der heilige Gral für Windsurfer, Surfer, SUPer und Kiter. Alle wollen die seltene Perfektion erleben.

Als ich mit 15 Jahren nach Maui kam, dachte ich natürlich die ganze Zeit daran. Damals waren Josh Stone und Jason Polakow meine Mentoren. Josh sagte mir in weiser Voraussicht, dass man sich in Hookipa wohlfühlen muss, wenn man dort bei über masthohen Wellen stürzt und gewaschen wird. Erst wenn man sich davon nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt, ist man bereit, nach Jaws zu gehen. Diesen Rat nahm ich mir zu Herzen und begann, mich darauf vorzubereiten. Bevor ich allerdings zum ersten Mal zum Windsurfen in Jaws war, konnte ich 2002 mit dem Wellenreiter dort Tow-in surfen – ich war gerade 18 Jahre alt. Ich schaffte es sogar mit einem Foto von in den begehrten Surfing-Jaws-Kalender. Den gibt es immer noch bei Mana Foods in Paia zu kaufen, so dass meine Kinder oft stolz sind, wenn sie ihren Papa darin sehen.

Ein ganz besonderer Ort...Foto: Fishbowl Diaries
Ein ganz besonderer Ort...

Ich würde das Big-Wave-Surfen in Jaws nicht als völlige Besessenheit bezeichnen, da ich den ganzen Sommer über mit andere Arten des Windsurfens und Surfens beschäftigt bin. Aber wenn der Winter kommt, beherrscht es auf jeden Fall meine Gedanken. Ich möchte mich wohlfühlen, wenn ich dorthin fahre – also beginne ich mit dem Training lange vor dem ersten Wellenritt, normalerweise im September. Ich muss in der Lage sein, meinen Atem für drei Minuten und mehr ohne Probleme anzuhalten. Zu der Zeit bereite ich auch unseren Jetski vor und bringe ihn auf den neuesten Stand. Bevor der erste große Winterswell kommt, sind wir immer ganz aufgeregt.

Ohne vorheriges Training geht Robby Swift nicht in die Welle.Foto: Fishbowl Diaries
Ohne vorheriges Training geht Robby Swift nicht in die Welle.

Durch die langjährige Erfahrung und die stetige Vorbereitung, habe ich mich im Laufe der Jahre immer wohler gefühlt in Jaws. Aber ich würde keineswegs sagen, dass sich die Angst und die Befürchtungen vor einem großen Tag in Luft aufgelöst haben. Am letzten Tag, an dem wir wieder einmal dort draußen waren, bin ich zum Beispiel viereinhalb Stunden gesurft, und ich glaube nicht, dass meine Herzfrequenz während der gesamten Session unter 130 gefallen ist. Wenn ich normalerweise draußen in Hookipa auf eine Welle warte, geht mein Puls auf 95 oder 100 Schläge runter. Der Spitzenwert am Ende eines Wellenritts liegt immer weit über 170.

Robby Swift hält Marcilio Browne für einen der begnadetsten Windsurfer in Jaws – vor allem, wenn man ihn live und aus der Nähe betrachtet.Foto: Erik Aeder
Robby Swift hält Marcilio Browne für einen der begnadetsten Windsurfer in Jaws – vor allem, wenn man ihn live und aus der Nähe betrachtet.

Meine erste Windsurf-Session in Jaws war ein bisschen enttäuschend, nachdem ich dort beim Tow-Surfen einige epische Wellen bekommen hatte. Die Welle zu erwischen war viel schwieriger als ich es mir hätte vorstellen können. Lediglich drei oder vier Wellen konnte ich abreiten. Wenn die Wellen aus Westen anrollen und der Wind extrem ablandig kommt, ist man ohne die richtige Ausrüstung ziemlich aufgeschmissen. Damals bestellten wir immer längere Bretter mit relativ viel Gewicht: Sie waren ziemlich schmal, glaube ich, 54 Zentimeter breit und 260 Zentimeter lang. Ich war definitiv nicht so gut vorbereitet wie heute, was zum Beispiel das Anhalten des Atems angeht. Aber ich war erst 18 Jahre alt und hatte noch keine Kinder, also war ich damals etwas radikaler, mir war das alles eigentlich egal.

»Meine Kinder sind heute noch stolz auf das Foto ihres Vaters im Jaws-Kalender von 2008.« Robby SwiftFoto: Erik Aeder
»Meine Kinder sind heute noch stolz auf das Foto ihres Vaters im Jaws-Kalender von 2008.« Robby Swift

Im Laufe der Jahre passierten uns viele Missgeschicke, weil die Jetskis nicht richtig festgemacht waren – inzwischen habe ich gelernt, sehr schöne Knoten zu knüpfen – wenn die Anker nicht richtig am Meeresboden hingen. Auch das haben wir geübt. So verloren wir ein paar Jetskis auf den Felsen. Zum Glück nicht meine eigenen, sondern die der Leute, mit denen ich unterwegs war. In meinem weisen Alter von mittlerweile 37 Jahren bin ich viel vorsichtiger geworden und versuche alles gut vorzubereiten, bevor ich losfahre.

On the beachFoto: Fishbowl Diaries
On the beach

Da ich nun schon seit 20 Jahren dort oben an der Nordküste surfe, hatte ich viel Zeit, mir meine Wellen anzuschauen und zu analysieren, was ich besser machen könnte. Offensichtlich ist Brawzinho der Mann, den man in Jaws beobachten muss. Wenn er die Wellenlippe attackiert, sieht das völlig surreal aus, wenn man ihn aus der Nähe betrachtet. Kein Foto oder Video kann dem gerecht werden.

Ich denke, dass Windsurfen die absolut beste Art ist, um Jaws zu surfen – was die Turns angeht. Und ich möchte mich in dem Bereich immer noch weiter verbessern. Das bringt einen unweigerlich in Situationen, in denen man einen Aerial machen muss, um den zerstörerischen Kräften, denen man sich in den Weg gestellt hat, auszuweichen.

Windsurfen in Jaws ist Teamsport. Ohne Jetski kommt man gar nicht raus an die Welle. Robby Swift und Ricardo Campello bilden ein eingespieltes Duo.Foto: Fishbowl Diaries
Windsurfen in Jaws ist Teamsport. Ohne Jetski kommt man gar nicht raus an die Welle. Robby Swift und Ricardo Campello bilden ein eingespieltes Duo.

Ich schaue die Videos von mir an, wie ich dort surfe, bevor ich rausgehe, und schärfe mir ein, wo ich mich auf der Welle positionieren will – immer viel tiefer, als ich denke, dass ich sein sollte! Tiefer heißt im Fall von Jaws, dass man seinen Wellenritt jenseits von dem Teil, wo die Welle zu brechen beginnt, ansetzt. Es ist so trügerisch, wenn man tatsächlich auf der Welle ist. Weil es sich so anfühlt, als wäre man meilenweit zu tief und würde es niemals schaffen, unbeschadet um den brechenden Teil herum zu kommen. Tatsache ist jedoch, dass die Welle in einer großen Kurve hufeisenförmig herumläuft und der Peak dabei exponentiell wächst – was bedeutet, dass man bei fast jeder Welle viel tiefer sein kann, als man denkt. Es braucht allerdings jahrelange Erfahrung, um sich einzureden, dass es in Ordnung ist, so tief in die Wellen einzusteigen. Weil es so wahnsinnig beängstigend ist.

Sehr seltene Perspektive auf die Welle von Jaws. Nur so kommen die wahren Dimensionen zu Geltung.Foto: Fishbowl Diaries
Sehr seltene Perspektive auf die Welle von Jaws. Nur so kommen die wahren Dimensionen zu Geltung.

Was das Materialdesign angeht, so habe ich bei der letzten Session einen neuen Prototyp für das Ultimate-Wave-Serienbrett benutzt. Es hat 88 Liter Volumen, ist 59 Zentimeter breit und 222 Zentimeter lang. – 38 Zentimeter kürzer als meine alten Jaws-Boards. Ich denke, dass die Performance der neuen Boards mit den breiteren Outlines und der Konkave im Unterwasserschiff wirklich für große Wellen geeignet ist, so dass man mit weniger Länge auskommen kann. Die zusätzliche Breite ermöglicht es dir, früh ins Gleiten zu kommen und die Wellen zu erwischen, ohne dass du eine so lange Rail-Line brauchst. Und der Shape im Unterwasserschiff hilft dir, dich mit super hohen Geschwindigkeiten in den Turn zu trauen. Ich bin nur einen Nachmittag mit diesem Board gefahren, und die Wellen waren nicht so gigantisch wie im Jahr 2021.Aber ich habe mich sehr wohl gefühlt.

»Die Karrieren vieler Profis werden an den großen Tagen in Jaws gemacht.«Foto: Erik Aeder
»Die Karrieren vieler Profis werden an den großen Tagen in Jaws gemacht.«

Jaws ist ein Ort, an dem man nur die wirklich besten Leute antrifft – jeder weiß, was er tut, und das ist gut so. Das Problem ist aber, dass jeder versucht, „das“ Foto für seine sozialen Medien, die Print-Magazine und Sponsoren zu bekommen, und es deshalb ziemlich hektisch wird. Es gibt Regeln, wie nah man mit einem Jetski an ein anderen heranfahren darf, wenn man einen Surfer in die Welle hinein zieht. Aber die werden in Jaws völlig ignoriert. Die Jungs sitzen auf ihren Jetskis viel tiefer als man es auf einem Windsurfer kann, um die Wellen zu erwischen. Dann kommen sie auf die andere Seite der Welle und schieben dich mit ihren Jetskis aus der Welle. Das ist wirklich gefährlich und extrem beängstigend. Wenn man hinten aus einer Welle herausgeschoben wird, und dahinter eine größere Welle kommt, ist man völlig erledigt. Weil hinter den Wellen kein Wind mehr weht und es kein Entkommen mehr gibt. Dann sind da noch die Kiter, die jede Welle meilenweit draußen auf dem Meer erwischen können, so dass sie die meisten Wellen für sich beanspruchen und wir Windsurfer irgendwie auf der Strecke bleiben.

Nicht gerade die  Wunschvorstellung eines Windsurfers – Surfer, Windsurfer und Kitesurfer auf einer Welle, wie rechts zu sehen.Foto: Erik Aeder
Nicht gerade die Wunschvorstellung eines Windsurfers – Surfer, Windsurfer und Kitesurfer auf einer Welle, wie rechts zu sehen.

Zum Glück kennen wir viele der wirklich guten Jungs, die Etikette im Wasser besitzen, und lassen die Windsurfer ziehen, wenn sie eine Welle erwischen können – da es so schwer ist, eine zu bekommen. Die Windsurfer lassen den Paddelsurfern definitiv den Vortritt, was sie auch sollten. Und es wäre wirklich schön, wenn die Tow-in-Surfer den Windsurfern immer den Vortritt lassen würden. Wir werden sehen, wie sich die Situation in Zukunft entwickelt. Ich verstehe, dass die Karrieren vieler Profis an den großen Tagen in Jaws gemacht werden, so dass es eine Menge Energie – nicht immer nur gute – im Wasser gibt. Aber ich bin immer noch zuversichtlich, dass sich die Leute richtig verhalten werden. Ich glaube an das Gute im Menschen.

Einen Aerial über den kritischen Teil der Welle zu machen bleibt den erfahrensten Jaw-Surfern vorbehalten.Foto: Fishbowl Diaries
Einen Aerial über den kritischen Teil der Welle zu machen bleibt den erfahrensten Jaw-Surfern vorbehalten.

Aus Sicherheitsgründen engagieren wir immer jemanden, der die ganze Zeit auf einem Jetski fährt, uns beobachtet und sicherstellt, dass es uns gut geht. Ein Rettungsfahrer ist maximal für drei Surfer zuständig. Die Hawaiian Water Patrol – eine professionelle Safety-Crew bestehend aus erfahrenen und abgebrühten Hawaiianern – ist auch immer draußen, und es ist toll, dass sie auf einen aufpassen. Sie sind jedoch vertraglich verpflichtet, sich um bestimmte Surfer zu kümmern. Es ist also absolut nicht in Ordnung, sich darauf zu verlassen, dass sie kommen, um dir zu helfen, und du selbst hast keinen Jetski zur Sicherung dabei. Natürlich werden die Jungs immer kommen und dich retten, wenn es um Leben und Tod geht. Aber es ist nicht fair, sich auf den Rettungspiloten eines anderen zu verlassen, und du sozusagen nur bezahlst, wenn du ihn brauchst. Es hat schon mehrere Fälle gegeben, in denen Windsurfer genau das getan haben und in Schwierigkeiten geraten sind. Wenn man logisch darüber nachdenkt, ist das definitiv nicht fair. Man bezahlt für den Sicherheitsmann als eine Art Versicherung, von der man hofft, dass man sie nicht in Anspruch nehmen muss. Man sollte nicht denken, dass man die Versicherung einfach so abschließen kann, wenn man sie eines Tages braucht.

Rush Hour in JawsFoto: Fishbowl Diaries
Rush Hour in Jaws

Alles in allem ist Jaws meiner Meinung nach die beste große Welle der Welt zum Surfen oder Windsurfen. Sie ist so perfekt, da sie ziemlich vorhersehbar ist...

– und man kann wirklich so weit gehen, wie man sich gerade noch wohlfühlt. Man muss sich nicht über alle möglichen äußeren Faktoren Gedanken machen, wie zum Beispiel in Nazaré in Portugal, wo die Welle sich überall hin bewegt und es keinen Channel gibt, in den man ausweichen kann.

An den großen Tagen liegt sehr viel Spannung in der Luft über dem Break.Foto: Amanda B. Cantor
An den großen Tagen liegt sehr viel Spannung in der Luft über dem Break.

Das sagt Wikipedia-> über Jaws

Weitere Infos im Maui Guide Book->