Australien, Südafrika, Chile, Tarifa, Bretagne, Gardasee – alles Traumspots, von denen jeder Wassersportler schwärmt. Aber wer von euch hat Wangerooge, Langeoog oder Borkum auf dem Radar? Kann man dort wirklich gut Windsurfen? Das wollte ich unbedingt selbst erfahren. Ist Norderney der beste Windsurfspot der sieben Ostfriesischen Inseln? Habe ich mich vor acht Jahren für den richtigen Homespot mit den besten Bedingungen entschieden? Was ich euch bereits verraten kann, jede der sieben Ostfriesischen Inseln ist eine Reise wert. Auch ohne eine vierstellige Kilometer- leistung auf dem Tacho abzuspulen oder sogar in den Flieger zu steigen, kann man auf der heimischen Nordsee ideale Windsurfbedingungen erwischen. Besonders der Erholungsfaktor bereits ab der Fähre – für einen Windsurftrip mit Partner oder der ganzen Familie – hat ein großes Wohlfühlerlebnis.
Seit acht Jahren lebe ich bereits mit meiner Freundin auf Norderney. Meist sucht man sich besondere Reiseziele auf anderen Kontinenten aus. Unser Plan war es, sich jedes Jahr auch zwei andere Ostfriesische Inseln anzuschauen. In der Zeit haben wir es zusammen leider nur auf die Nachbarinsel Juist geschafft. Der Reiz war doch immer größer, die wenigen Urlaubstage für besondere Reiseziele zu nutzen. Doch besonders schön sind oft die nahegelegensten Spots und ich kann jedem empfehlen, seine nahe Umgebung genau zu erkunden.
Seit längerer Zeit hatte ich die Idee, alle sieben Ostfriesische Inseln zu erkunden. Diesen August passte das Projekt ideal in unseren Zeitplan. Unsere Challenge war es, den Trip ohne unseren Bulli zu starten und möglichst CO₂-neutral mit eigener Beinkraft ans Ziel zu kommen. Optimal ausgestattet mit Maxx Fatbikes und reacha Surfanhängern für den Strand und minimaler Campingausrüstung wie Wurfzelt, selbstaufblasbare Matratzen, nachhaltigen Voited Schlafdecken, einem Kocher und einer mini Kühltasche starteten wir unser Mikro-Abenteuer. Dies ermöglichte uns maximale Flexibilität und autarkes Übernachten. Die größte Aufgabe stellte die richtige Materialwahl für 15 Tage dar. Nach der Wetterprognose mit leichtem Wind und Ausblick von 15 bis 18 Knoten aus Nordwest entschied ich mich sicherheitshalber für mein großes Foil-Set-up und Freestyler mit 5,0 und 5,7 qm, um für alle Bedingungen gewappnet zu sein. Während der Reise wurde mir schon klar, dass ich mich an der Nord- und nicht an der Ostsee befinde. Man lernt also nie aus bei der Materialwahl!
Probegepackt brachte unsere Minimalausrüstung überraschenderweise 120 Kilogramm auf die Waage. Mit der Fuhre, das Gepäck gut verteilt auf zwei Fahrradanhängern, starteten wir von der Insel Norderney unsere Insel-Hopping-Tour. Der leichte Westwind trug uns vom Hafen in Norddeich mit Rückenwind erst mal nach Nessmersiel, wo wir mit der Fähre auf unsere kleine Nachbarinsel Baltrum übersetzten. Ganz nah steuerte der Kapitän das Schiff an der Norderneyer Ostseite, dem Schiffswrack und den Seehunden entlang. Es ist schon ein Erlebnis, das größte in Deutschland freilebende Raubtier aus nächster Nähe zu beobachten. Sobald man auf der Fähre saß, fühlte man sich direkt entspannt, jetzt kann der Urlaub beginnen.
Unser erstes Ziel auf jeder Insel war ein Besuch der Surfschule und der Locals, um die besten Spottipps zu erfahren. Zum Sonnenuntergang und Niedrigwasser überblickten wir von der Promenade bereits einen idealen stehtiefen Priel, in dem sich zahlreiche Windsurfanfänger bei einer leichten Brise tummelten. Zwei Tage zeigte die Nordsee ihr seltenes spiegelglattes Gesicht. Aus den Geschichten von Ulli Mammen, der 1979 die Surfschule auf Baltrum neben seiner Lehrertätigkeit aufbaute, erfahren wir, wie abwechslungsreich der Spot sein kann. Ganz interessant stellte er mir die Frage: „Warum, denkst du, ist der Sand auf Baltrum so fein? Ein Sandkorn vom Ostende Norderneys benötigt etwa sieben Jahre, bis es am Strand von Baltrum ankommt und wird auf der langen Reise so fein gekornt.“ Bei traumhaftem Sonnenuntergang und Livemusik träumte ich im Kopf bereits von einer perfekten Flachwasser-Session bei Niedrigwasser und guten Nordseebedingungen bei Hochwasser. Also für jeden Surfer ist auf der Insel etwas dabei.
Damit blieb uns bei unserem ersten Inselstopp mehr Zeit, die Flächen und die von der Einwohnerzahl kleinste der Ostfriesischen Insel zu erkunden. Auf den autofreien Inseln fühlt man sich, als wäre in mancher Hinsicht die Zeit stehen geblieben. Pferde werden für den Personen- und Güterverkehr hier noch als Transportmittel genutzt. Mit unseren Fatbikes konnten wir jedes Hindernis bis zum Ostende überwinden und schon einen Ausblick auf die nächste Insel erhaschen. Der 18 Meter hohe Wasserturm auf der Düne ist das markanteste Stadtzeichen Langeoogs, das wir erkennen konnten. Aber erst zurück aufs Festland – nur zehn Kilometer weiter hüpft man von Dornumersiel bereits auf die nächste Insel. Entlang des Deiches folgt man traumhaften Radwegen – an Schafsherden vorbei. Lediglich die vielen Schaftore drosselten unsere Durchschnittsgeschwindigkeit. Entgegengesetzt zu einem Roadtrip muss man für eine kurze Strecke auch mal einen ganzen Tag einplanen, da das Gepäck und eventueller Gegenwind die Beine ganz schön fordern können.
Leicht geschockt empfangen uns immer die netten Mitarbeiter der Fährgesellschaften mit unserem Übergepäck. Ich fühlte mich manchmal wie am Flughafenschalter. Aber mit normaler Ausrüstung, Boardbag und verstellbarem Anhänger schafft man es problemlos auf jede Ostfriesische Insel. Langeoog gefiel uns ebenfalls sehr gut mit seinem idyllischen Siedlungscharakter und schönen gastronomischen Stadtkern. Wir besuchten den nächsten Windsurf-Pionier der ostfriesischen Küste – Walter Petersen. Die Familie Petersen mit Sohn Toni, der die Surfkurse in den Sommermonaten leitet, nahm uns auf ihrer Frühstücksterrasse und deren Surfhostel mitten in der Siedlung herzlich in Empfang.
Nach ein paar Insiderinformationen wollten die Surflehrer und Toni mir endlich ihren Spot zeigen. Mit den Fahrrädern radelten wir direkt zum Spot am Nordstrand, an dem sich einer der beiden Surfschulstandorte, das Wave-Aufsteiger-Revier östlich der Sandbänke und der Wellenreitspot, befindet. Schnell haben wir unsere Boards und Segel aufgebaut und uns in den kleinen brechenden Wellen der Sandbänke und im Beachbreak ausgetobt. Anschließend sind die Surflehrer direkt weiter im Neo zu ihren Windsurfkursen am Weststrand geradelt. Der Weg führte uns vorbei an den Weiden der Galloway-Rinder und der Spot begeisterte mich erneut mit idealen Flachwasser- und Schulungsbedingungen. Den windigen Tag rundeten wir mit einer Abend-Session ab, bevor es im Hause Petersen beim gemeinsamen Essen und Bier noch spannende Erzählungen gab. Am nächsten Tag schnappten wir uns unsere Bikes und erkundeten den Inselosten. Vorbei an der Meierei – wir empfehlen eine Dickmilch mit Sanddorn zu probieren – konnten wir wieder einen Blick auf die nächste Insel werfen.
Die Westwindvorhersage entwickelte sich erfreulicherweise zu einem fetten Sturm. Wangerooge-Local Stefan Kruse kontaktierte uns und schlug Alarm für fette Wavebedingungen. Spontan wie wir uns auf unserer Reise treiben ließen, setzten wir vor der Insel Spiekeroog erst nach Wangerooge über. Diesmal nur das kleine Material im Gepäck, checkten wir bei der Deutschen Bahn in Harlesiel ein. Ohne die Info und das Wissen, dass wir uns im nächsten Landkreis befanden, wurden wir fünf Minuten bevor das Schiff ablegte, darauf aufmerksam gemacht, dass ein negativer Schnelltest für die Überfahrt verpflichtend ist. Witzigerweise war unser Gepäck bereits verladen und eine Notlösung musste her. Die einzige Chance noch auf die Insel zu gelangen, war, um 17:40 Uhr mit dem Flieger unserem Gepäck hinterher zu reisen. Der Flugplatz in unmittelbarer Nähe war ausgestattet mit einer Teststation. Schnell eingebucht und kurzerhand saßen wir in der Cessna nach Wangerooge.
Traumhaft, die Inseln von oben zu bestaunen. Nach sechs Minuten standen wir schneller als unser Gepäck bereits am Bahnhof. Die schon fast abgeschriebene Wave-Session am Abend ließ ich mir nicht nehmen und schlitzte mit Stefan einige Cutbacks in die perfekten Wangerooger Wellen. Zwei weitere fette Wavetage folgten. Nur stellte ich mir die Frage, warum, verdammt noch mal, habe ich kein Waveboard mitgenommen. Aber ich muss sagen, auch der Freestyler macht in der Welle eine gute Figur und ist super vielseitig. Nur zwei, drei Locals und Urlauber begleiteten mich auf den nächsten Sessions. Stefan hatte den besten Blick auf den Spot. Nur leider nicht auf dem Wasser, sondern er „durfte“ wehmütig seine Gäste im „Diggers“ auf der Strandpromenade bedienen.
Auf Wangerooge fühlst du dich fast wie im australischen Gnaraloo oder in Wijk aan Zee – nur ohne Leute.”
Ich war mega begeistert von den astreinen Wavebedingungen auf Wangerooge und muss sagen, dass ich als Norderneyer an den Tagen schon etwas neidisch auf die Bedingungen mit großem Wellenabstand war. Der Grund dafür ist, dass das Jadewasser so nah an der Insel vorbeiläuft und sich dadurch die Wellen sehr gut sortieren, berichtete Andreas, der Inhaber der Surfschule und des Surfcafes direkt am Spot. Stell dir vor, es sind drei perfekte Sideshore-Wavetage aus West vorhergesagt und du teilst dir den Spot mit zwei, drei Leuten. Da fühlst du dich fast wie im australischen Gnaraloo oder in Wijk aan Zee – nur ohne Leute.
Zurück über Spiekeroog ließen wir uns ohne Surfmaterial mal von der Entspanntheit der Insel infizieren. Sie hat ihren ganz eigenen Rhythmus und hat unser straffes Inselprogramm total entschleunigt. Die Idylle der ökologischen Insel verzauberte uns. Die Siedlung hat einen ganz besonderen Charme. Wer diesen Kururlaub liebt, ist auf Spiekeroog genau richtig. Surfen kann man hier natürlich auch. Für Anfänger in dem Priel bei Niedrigwasser, die Bump & Jump- Bedingungen entstehen bei Hochwasser.
Auf zur längsten Rad-Etappe von Neuharlingersiel Richtung Westen, bei Nieselregen legten wir in Norddeich einen Stop ein. Gestärkt mit einem Fischbrötchen und trockener Kleidung erreichten wir nach 75 Kilometern zum Sonnenuntergang über Greetsiel den Pilsumer Leuchtturm. Geweckt von den Schafen schossen wir im sanften Morgenlicht ein paar Fotos von Otto Walkes Wohnung aus seinem „Der Katastrophenfilm“. In Emden angekommen steuerten wir das vorletzte Ziel unserer Insel-Hopping-Tour an – die Insel Borkum. Und auch hier erwischten wir bei traumhaftem Sonnenuntergang noch eine perfekte Freestyle-Session im tideunabhängigen Priel des Nordstrandes. Der tiefe Priel lädt sogar auf kleiner Fläche zum Foilen ein.
Die Rücktour nach Norddeich verlangte unseren Oberschenkeln bei frontalem Nordwind noch mal alles ab. Mit kühler leichter Dusche von oben verpassten wir so knapp die Fähre nach Juist, um unser Abenteuer abzuschließen. Das wollte ich so nicht akzeptieren und schon auf dem Fahrrad kam uns die Idee für einen Plan B. Der Nordwind wäre doch perfekt, um von Norderney nach Juist zu surfen. Also ab auf die Fähre zum Weststrand von Norderney. In weiter Sicht konnte man schon eine ordentliche Gischt zwischen den Inseln und heftige Brandung vor Juist erkennen. Jetzt konnte ich wieder auf mein ganzes Windsurfmaterial zurückgreifen und entschied mich für mein Patrik Slalom 115 und GunSails GS-R 7,7 qm.
Dass Norderney zu den abwechslungsreichsten und anspruchsvollsten Revieren Deutschlands gehört ist schon lange kein Geheimnis mehr.”
Mit einem Beweis-Selfie mit Hintergrund des Juister Stadtkerns kämpfte ich mich zurück durch die Juister Brandung und erreichte meine Heimatinsel Norderney. Sichtlich erleichtert nahm Kati mich in die Arme, denn in den Wellentälern auf der knapp zehn Kilometer langen Strecke verliert man einen schnell aus den Augen. Zum krönenden Abschluss wehte der Nordwind die ganze Nacht durch und schenkte mir mit meinen Freunden am Homespot eine tolle Willkommens-Session in der Surfbucht. Dass Norderney zu den abwechslungsreichsten und anspruchsvollsten Revieren Deutschlands gehört ist schon lange kein Geheimnis mehr. Sei es eine Session in der geschützten Surfbucht auf der Wattseite, Labor-Freestyle-Bedingungen an der Sandbank oder eine fette Wave-Session am Januskopf vor dem Surf-cafe, hier kommt jeder auf seine Kosten. So kann eine Insel-Hopping-Tour ein richtiges Abenteuer werden, Mission completed.
Unsere Ausrüstung: Maxx Fatbikes, ideal für den Strand, reacha Fahrradsurfanhänger, Zelt und Camping-Ausrüstung, regenfeste Taschen und Kleidung
Tipp: Um Transportkosten auf die autofreien Inseln zu sparen, könnt ihr für den Materialtransport den Frachter am Morgen nutzen.