Frithjof Blaasch
· 03.11.2024
Eigentlich meide ich die Sommerzeit in Dänemark, obwohl „Cold Hawaii“ sich in dieser Zeit als gar nicht so kalt präsentiert. Mir ist es oft zu voll auf dem Wasser, und der Wind und die Wellen sind nicht so konstant wie in der kühleren, wenn auch zugleich dunkleren Jahreszeit. Dieses Jahr wagte ich jedoch einmal einen Ausflug in den nordwestlichen Teil Dänemarks und wurde mit einigen Phänomenen überrascht, mit denen ich nicht gerechnet hätte …
Schon eine Woche vor der Abfahrt hörten wir davon, dass es dieses Jahr ein besonderes Pilzjahr werden sollte. Der Juni war sehr regnerisch, wohingegen im Juli die Sonne ordentlich einheizte. Feuchtigkeit und Wärme sind optimale Bedingungen für ein üppiges Pilzwachstum im Wald – und in den Surfschuhen.
Bis vergangenes Jahr war ich sehr skeptisch und traute mich nicht so richtig an das Wagnis Pilzesammeln. Zu viele negative Geschichten, die sich letztlich immer wiederholten, geisterten umher. Von Lebensmittelvergiftungen bis zu halluzinogenen Trips war alles dabei, sodass ich den goldgelben Leckerbissen keine weitere Beachtung schenkte. Im vergangenen Jahr änderte sich dies, als ich zwei Freunde dabei beobachtete, wie sie sich eine Pilzpfanne zubereiteten, in der so ungefähr alles drin war, was man im Wald finden konnte. Nachdem sie am Folgetag ein natürliches Verhalten zeigten und keine Vergiftungssymptome offenbarten, war meine Studie abgeschlossen und ich begann mit dem Sammeln von Pilzen, wobei ich mich auf Pfifferlinge beschränkte. Pfifferlinge sind tatsächlich sehr leicht zu erkennen, wobei sie nur einen schwach-giftigen Doppelgänger haben, der deutlich dunkler und oranger ist.
Dieses Jahr war es wirklich unglaublich in den Wäldern von Nordjütland: Man konnte die sogenannten Goldadern zum Teil direkt aus dem Auto heraus erspähen, kurz anhalten und das Abendessen auf dem Weg zum Spot aufsammeln. Das Pilzeputzen hat etwas Meditatives und lässt sich gut an wind- und wellenlosen Tagen oder zwischen den Sessions einbauen. Wobei wir dieses Jahr mit den Surfbedingungen ebenso viel Glück hatten wie mit den Pilzen.
Das Pilzeputzen hat etwas Meditatives und eignet sich sehr gut für wind- und wellenlose Tage.”
In der ersten Woche begleitete uns Loris Vietoris, einer der Organisatoren der German Freestyle Battles. Er bewies an den Kochplatten ein ähnlich gutes Geschick wie beim Judgen von Freestylemanövern und zauberte aus Pulled Pfifferlingen leckere Tacos und Burgerpattys. Dank der guten Surfbedingungen konnte er sich sogar ein selbst gestecktes Ziel, vor seinem 30. Geburtstag einen Backloop zu stehen, erfüllen. Auch wenn es ein Pushloop und kein Backloop war, lasse ich diese Art der Rückwärtsrotation gelten – herzlichen Glückwunsch!
Neben der neu gewonnen Leidenschaft des Pilzesammelns haben wir uns zunehmend auf Aurora borealis (Polarlichter) spezialisiert. 2024 gibt es vermehrt Sonnenstürme, sodass die Wahrscheinlichkeit, Polarlichter zu sehen, deutlich erhöht ist. Dieses Phänomen tritt wohl nur alle zehn Jahre auf, dies genauer zu beschreiben würde zum einen den Rahmen sprengen und zum anderen weit über meine Kompetenzen hinausgehen. Fakt ist, wir haben sie dieses Jahr schon mehrfach gesehen, so auch in diesem Spätsommer in Dänemark.
Das Phänomen lässt sich erstaunlich gut vorhersagen und kann für mehrere Minuten bis hin zu Stunden mit dem bloßen Auge beobachtet werden. Man sieht, wie sich die Streifen der Polarlichter bewegen und der ganze Himmel aufleuchtet, die Farben kommen allerdings erst mithilfe von Kameras oder einem Handy zum Vorschein. Ist man sich also nicht ganz sicher, ob es sich um Polarlichter handelt, reicht es, das Handy zu zücken und im Kameramodus in den Nachthimmel zu blicken, die Farben werden auf dem Display in Echtzeit angezeigt.
Neben dem Sonnensturm zeichnete sich in der Vorhersage für die zweite Woche ein richtiger Sommersturm ab. Ich musste kurzzeitig zurück nach Deutschland fahren, wollte aber pünktlich zum Sturm zurück sein. Der Sturm sollte am Nachmittag aus südlicher Richtung auf Nordjütland treffen und zum Abend hin auf eine westliche Richtung drehen, um dann so schnell wie er gekommen war, wieder zu verschwinden.
Im Sommer sind die Windfelder häufig relativ lokal, sodass die Wellen nicht ganz so viel Druck haben wie im Winter und dementsprechend auch schnell wieder abnehmen. Auf dem Weg zurück nach Cold Hawaii nahm der Wind ordentlich zu und Leon Jamaer, der bereits vor Ort war, berichtete mir, dass der Wind für sein 4,2er eigentlich viel zu stark sei, er es aber versuchen wolle, wenn ich Fotos machen möchte.
Die Messwerte zeigten zu diesem Zeitpunkt konstante zehn Windstärken mit Böen um die zwölf, das war leider zu viel für die Oddesund-Brücke, sodass diese gesperrt wurde. Ich musste also einen Umweg in Kauf nehmen, um wenigstens noch die Abendsession zu erwischen. Der Weg über die Fjordbrücke bei Skive grenzte an eine Nahtoderfahrung, ich habe noch nie solche Versetzungen beim Geradeausfahren erlebt. Da vor mir ein mutiges – oder lebensmüdes – Wohnwagengespann fuhr und irgendwie die Spur halten konnte, sollte das mit meinem Bus ja auch möglich sein …
In Hanstholm angekommen, drehte der Wind genau in diesem Moment westlicher und die ersten Windsurfer gingen aufs Wasser. Leon wurde auch etwas überrascht von diesem Sommersturm und hatte nur sein 4,2er als kleinstes Segel mitgebracht. Sichtlich überpowert schaffte er es trotzdem, einige gute Moves zu platzieren. Martin ten Hoeve berichtete später, dass es eigentlich eher ein Kampf gegen die Naturgewalten da draußen war. An diesem Tag stach vor allem Simon Thule hervor. Der Däne demonstrierte, was er im letzten Winter in Australien gelernt hatte. Er zeigte an diesem Abend die einzigen Sprünge und stand fast jeden Goiter, den er ansetzte – Hut ab!
Über Nacht drehte der Wind zurück auf Südwest und bescherte in den kommenden zwei Tagen weiterhin gute Surfbedingungen um die Region von Klitmøller. Da ich mich am Sturmtag am Fuß verletzt hatte, musste ich die Tage leider an Land verbringen. Natürlich blutet einem das Herz beim Anblick solcher Bedingungen, aber durch den Blick einer Kamera, guten Freunden und Pilzen am Abend macht es das etwas erträglicher. Dänemark ist einfach immer schön – egal zu welcher Jahreszeit.
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