Manuel Vogel
· 13.10.2024
Wer Brandung sucht, landet meist in Cold Hawaii, Fans von Stehrevieren und Flachwasser tummeln sich am Ringkøbing Fjord – so sieht die Verteilung in Dänemark normalerweise aus. Aber auf der dänischen Halbinsel Djursland waren bislang wohl nur die wenigsten, was angesichts der Spotqualität eigentlich unvorstellbar ist. Die Halbinsel Djursland, nordöstlich der dänischen Metropole Aarhus gelegen, kann nämlich beides: Flachwasser, Brandung – und alles dazwischen!
Wer sich der Halbinsel von Aarhus her nähert, wundert sich zunächst über die für dänische Verhältnisse hügelige Landschaft. Über 180 Quadratkilometer erstreckt sich hier der Nationalpark Mols Bjerge mit seinen ausgedehnten Heide- und Waldflächen. Die Westseite von Djursland ist dagegen flach und sandig, hier schneiden sich Buchten tief ins Land ein und bieten große Stehreviere – zum Windsurfen ist das perfekt. Das Herz der Surfszene schlägt zweifellos in Ebeltoft: Vor den Toren der schmucken Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern und gepflasterten Straßen gibt es seit 2019 den Ebeltoft Windsurf Klub sowie eine Surfschule, auch im Winter ist man hier selten allein auf dem Wasser. Abseits dieses Hauptspots bieten sich mit Ahl, Strandsborg oder Øer aber noch deutlich ruhigere Alternativen mit wunderbaren Sandstränden und Dünen an.
Deutlich rauer zeigt sich die Landschaft auf der Ostseite von Djursland, wo die Ostsee an steilen Klippen nagt und bei östlichen Windrichtungen beachtliche Wellen anrollen. Bei Sturm aus Nord sowie aus Südost laufen hier die vielleicht kraftvollsten Brecher der westlichen Ostsee. Und das Beste: Weil sich die Ostseite Djurslands beinahe kreisrund zeigt, gibt es im Prinzip für jede Windrichtung einen Strandabschnitt, wo der Wind passend sideshore ankommt. Eine Session hier wird auf jeden Fall zum Erlebnis, nicht nur wegen der schönen Wellen: Man surft mit Blick auf Steilküsten und Strände, über denen der alte Leuchtturm von Fornæs thront. Dahinter erstrecken sich die grünen Hügel des Nationalparks, und teilen muss man sich die herrlichen Spots meist nur mit wenigen anderen Wassersportlern.
Vielleicht kann euch dieser Spot Guide ja dazu bewegen, altbekannte Spots mal links liegen zu lassen und einen Trip nach Djursland zu wagen. Ihr werdet es nicht bereuen.
56.2037, 10.4720
Der Knebel Vig ist ein rund 2,5 Kilometer langes Binnengewässer, welches nur über einen schmalen Zugang zur Ostsee verfügt. Lohnenswert ist der Weg dorthin vor allem bei starkem Südwestwind, der hier in der Regel etwas schwächer ankommt als zum Beispiel in Strands oder Ebeltoft. Geparkt werden kann direkt am Hafen des kleinen Örtchens ohne Höhenbeschränkung, auch Toiletten sind hier vorhanden. Links des Hafens gibt es einen weitgehend sandigen und flachen Einstieg. Südwestwind kommt etwas böig von links an.
Toll ist der Spot vor allem deshalb, weil der Wind hier über eine flache Sandbank weht, in Lee davon gibt es hervorragende Flachwasserbedingungen, die vor allem zum Freestylen einladen. Hier kann man mit Speed direkt parallel zur Sandbank im tiefen Wasser seine Bahnen ziehen und Manöver aufs spiegelglatte Wasser zirkeln. Bei trübem Wetter ist die Sandbank allerdings manchmal schlecht zu sehen, da diese teilweise knapp unter der Wasseroberfläche liegt – also zu Beginn erst mal vorsichtig rantasten.
Weiter draußen bietet die Bucht dann mehr Platz und, je nach Windstärke und -richtung, kleine Chops. Auch mit Foils kann man aufs Wasser. Bei West- bis Nordwestwind surft man ebenfalls recht sicher, da man im Notfall rechts des Hafens wieder in stehtiefem Wasser ankommt.
56.1804, 10.4698
Wenige Kilometer südlich von Knebel befindet sich mit Strands ein weiterer wunderschöner und weitgehend unbekannter Spot. Die lang gezogene Sandbucht erstreckt sich über rund zwei Kilometer Länge und ist exponiert für Windrichtungen von Südwest bis Südost. Die Anfahrt führt durch eine Ferienhaussiedlung, am besten gibt man „Begtrupvig Strandvej“ ins Navi ein und sucht sich dann einen passenden Platz entlang der Schotterstraße – es gibt keinen offiziellen Parkplatz und auch keinerlei öffentliche Infrastruktur. Je nach Windrichtung weht es relativ auflandig entweder leicht von links (Südost) oder rechts (Südwest) in die Bucht, wodurch man sehr sicher surfen kann, hier abzutreiben ist ausgeschlossen. Der Einstieg erfolgt über einen schönen Sandstrand, auch im Wasser ist der Untergrund weitgehend sandig. Je nach Windstärke kommen kleine Wellen an, die über die vorgelagerte Sandbank leicht brechen können. Trotzdem kann man hier in der Regel auch ohne Brandungserfahrung aufs Wasser, da die Wellenhöhe auch bei Starkwind überschaubar bleibt und die 1 ‐Meter-Marke nur selten überschritten wird. Außerhalb der Sandbank gibt es dann typischen Ostseechop, der für kleine Jumps gut ist. Bei längeren Südwestphasen kann sich im Hochsommer und Herbst auch Seegras in der Bucht sammeln.
56.2184, 10.6704
Treffpunkt der Szene ist Ebeltoft. Als Tagesgast parkt man am besten am Vibæk Strand, der Parkplatz ist kostenfrei und ohne Höhenbeschränkung. Auch einige Hundert Meter weiter südlich, am Surfclub, gibt es Parkplätze. Ein Tipp für Camper ist der Ebeltoft Strand Camping – hier steht man direkt am Spot.
Wind aus Südwest bis Westnordwest kommt in Ebeltoft schön konstant an und bietet auflandige Bedingungen. Der Einstieg ist problemlos, weil flach und teilweise sandig. Im Uferbereich erstreckt sich ein größerer Stehbereich. Bei starkem West- bis Südwestwind brechen hier auch Miniwellen, die man für erste Jumps nutzen kann, weiter draußen gibt es dann viel Platz, moderate Chops und auch für Foils eine ausreichende Wassertiefe. Mit Blue Spirit gibt es vor Ort eine Surfschule, wo man Kurse belegen oder Material ausleihen kann.
Zudem ist das historische Städtchen mit knapp 7000 Einwohnern auch abseits des Surfens einen Besuch wert – in der schönen Altstadt findet man nette Cafés, Restaurants und mit dem Glasmuseum, der Fregatte Jylland sowie dem kleinen Freilichtmuseum im Ortskern auch einige Sehenswürdigkeiten.
56.1732, 10.6444
Unweit südwestlich von Ebeltoft befindet sich mit Ahl ein malerischer Spot. Geparkt wird im Kiefernwäldchen hinter den Dünen. Vor dem schicken Dünengürtel samt Sandstrand liegt eine Sandbank, auf der sich bei südwestlichen Richtungen die kleinen Wellen sanft brechen. Innerhalb der Sandbank gibt’s dann Bump ‐&-Jump-Bedingungen entlang der Küste. Wer vom Einstieg rechts/nördlich in Richtung der Landzunge surft, kommt nach einigen Hundert Metern in einen lagunenartigen Bereich. Teilweise stehtief kann man hier bei West- bis Südwestwind in tollem Flachwasser absolut sicher seine Bahnen ziehen oder an Freestyletricks feilen. Mit langen Finnen sollte man zuerst kurz die Lage sondieren, da sich die Sandbänke im Laufe der Zeit immer wieder etwas verlagern.
Dass Ahl zu den schönsten Ecken der dänischen Ostseeküste gehört, hat sich innerhalb der Wassersportgemeinde natürlich herumgesprochen – bei passenden Bedingungen sind hier Windsurfer und Kiter gleichermaßen vertreten.
56.1561, 10.6767
Zwischen den Molen der Hafenanlagen von Øer gibt es einen wunderbaren Lagunenbereich, der sowohl für Aufsteiger als auch für Freestyler und Freerider funktioniert und tolle Flachwasserbedingungen liefert. Nahezu die gesamte Bucht ist stehtief, weshalb hier auch immer wieder Anfänger auf dem Wasser sind – und Kiter. Parken kann man wahlweise am Miniparkplatz am Nordostende (Øerkrogvejen) oder bei den Kitern am Fähranleger.
Der Stehbereich ist weitgehend sandig, mit einigen Steinen. Die ideale Windrichtung erstreckt sich hier von Nordwest über West bis Süd.
56.4557, 10.9497
Wave-Fans werden in der Nähe des Städtchens Grenaa fündig, denn rund um den schicken Leuchtturm Fornæs Fyr zeigt sich Djursland mitunter von seiner wilden Seite. Über den kleinen Damsagervej kommt man nördlich des Fornæs Camping ans Wasser. Es gibt keinen offiziellen Parkplatz und keinerlei Infrastruktur, man parkt hier also „wild“. Gesurft wird dann unweit südlich. Ideal funktioniert Fornæs bei Südostwind, dieser schaufelt schöne Wellen um das kleine Kap, die man mit Sideonshorewind von rechts wunderbar zum Springen und Abreiten nach Lee nutzen kann. Auch geübte Wavesurfer kommen hier bei entsprechender Windstärke auf ihre Kosten, je nach Windrichtung und Wasserstand kann etwas Shorebreak entstehen. Am linken und rechten Rand der Bucht ist das Wasser teilweise sehr flach, hier kann W O man sich leicht die Finnen stutzen. Zu absoluter Höchstform läuft der Spot bei Nordsturm auf, dann bilden sich auf dem langen Weg durchs Kattegat bis zu logohohe Wellen mit Wind von links – extrem selten, aber auch extrem gut!
56.5346, 10.8025
Dreht der Wind von Südost mehr in Richtung Ost, lohnt der Ortswechsel von Fornæs an den Spot Gjerrild Nordstrand, der sich rund zehn Kilometer weiter nordwestlich befindet und mehr Ost-West-Ausrichtung besitzt. Geparkt werden kann auf einem Parkplatz direkt hinter den Dünen, von dort gelangt man nach etwa 100 Metern an den schönen Sandstrand. Ideal funktioniert der Spot bei Ostwind, der sideshore von rechts ankommt und, je nach Stärke, Wellen von knie- bis kopfhoch an die Küste schaufelt. Diese brechen über einer vorgelagerten Sandbank, auch hier hat man gute Bedingungen zum Springen und Abreiten. Spürbar ist bei starkem Wind allerdings die Strömung. Tipp: Dreht der Wind noch weiter auf Ostnordost, macht ein Umzug nach Bønnerup N Strand Sinn, wo man vergleichbare Bedingungen vorfindet. Hier parkt man rund um den Hafen, wo es auch einen Womo-Stellplatz gibt (www.boennerup-lbh.dk/faciliteter/autocampere). Auch bei Westnordwest- bis Nordwestwind funktionieren Gjerrild und Bønnerup passabel. Die Wellen sind dann etwas kleiner, haben aber immer noch Brandungscharakter.
Die Halbinsel Djursland erreicht man von Hamburg aus über Kolding und Aarhus in gut vier Stunden.
Es ist keine Überraschung, dass auch Djursland touristisch sehr gut erschlossen ist und eine Vielzahl von Übernachtungsmöglichkeiten bietet. Größere Hotels oder Bettenburgen sind hier allerdings kein Thema, vielmehr wohnt man meist in einem der netten dänischen Ferienhäuser, die sich locker entlang der Küste verteilen und die man über die gängigen Plattformen (Novasol, Feriepartner etc.) im Internet buchen kann – außerhalb der Ferienzeit teilweise auch überraschend günstig. Darüber hinaus lohnt auch ein Blick auf die Website des lokalen Anbieters ebeltoft-feriehusudlejning.com
Auch mit dem Camper macht die Anreise Sinn, es gibt mehrere gut ausgestattete Campingplätze, teilweise mit direktem Wasserzugang. Hier eine Auswahl:
Wildes Campen ist in Dänemark generell verboten und mit saftigen Strafen belegt, abseits der Ferienzeit wird dies aber oft geduldet, sofern man sich nicht ausbreitet und nichts hinterlässt außer Fußspuren im Sand.
Leider gibt es keine wirklich aussagekräftige Windstatistik für diese Region – Locals sprechen von 30 bis 40 Prozent Wind über zwölf Knoten im Hochsommer und 50 bis 60 Prozent im Herbst und Winter. Dies dürfte keine Übertreibung sein, denn aufgrund seiner Halbkreisform wird Djursland bei sämtlichen Wetterlagen belüftet. Zwar kommen westliche Wind etwas schwächer an als an der Nordseeküste, trotzdem sind Windrichtungen von Süd über West bis Nordwest durchweg gut fahrbar – dann bleibt es allerdings bei Flachwasser bis hin zu Bump ‐&-Jump-Bedingungen. Besonders gut ist die Halbinsel, wenn sich im Frühjahr und Frühsommer ausgeprägte Ostwindlagen einpendeln. Von Süd über Ost bis Nord findet man an der Ostküste der Halbinsel immer einen Strand, an dem der Wind im passenden Winkel ankommt. Weil die Ostsee vor der Küste vergleichsweise tief ist, entstehen dann auch beachtliche Wellen, die rund um Grenaa kraftvoll an die Strände donnern, hier kommen dann auch Wave ‐Fans voll auf ihre Kosten. Die größten Wellen entstehen bei starkem Wind aus Südost und vor allem bei Nordost bis Nord – bis zu logohohe Sets sind dann drin.
Wie überall in Dänemark ist das Wetter nicht so stabil wie in südlichen Gefilden – man kann hier im Hochsommer bei 30 Grad schwitzen oder bei 16 Grad und Südweststurm die Regenjacke überwerfen. Zwischen Juni und Oktober reichen angesichts von Wassertemperaturen von 18 bis 20 Grad ein 4/3er oder 5/3er Langarm-Neo, in der Übergangszeit sollte auch eine Haube sowie ein warmer Neo im Gepäck sein. Weil an manchen Spots auch einige Steine oder Muscheln im Wasser liegen, sind Schuhe teilweise empfehlenswert.
Wer bei allen Wetterlagen am passenden Spot aufs Wasser möchte, sollte vor Ort mobil sein – eigenes Material kann dann von Vorteil sein. Bei Blue Spirit in Ebeltoft kann man Kurse belegen, und es gibt die Möglichkeit, aktuelles Material zu leihen und dieses auch an andere Spots mitzunehmen. Es stehen rund 30 Sets für Anfänger und zehn Sets von JP/NeilPryde für Fortgeschrittene zur Verfügung. Auch SUPs und Wingfoilmaterial kann man hier leihen, in einem kleinen Shop gibt’s zudem bei Bedarf Hardware und Kleinteile. Geöffnet hat das Center von April bis Oktober, im Winter haben nur das angeschlossene Café und bald auch eine Strandsauna offen. Infos unter: www.bluespirit.dk Einen weiteren Surfshop gibt es in Aarhus (www.surfline.dk).
Die hügelige Halbinsel mit dem Nationalpark Mols Bjerge ist landschaftlich durchaus reizvoll und lädt zum Wandern oder Biken ein. Während die Ostküste rauer ist und teilweise sogar von hohen Klippen gesäumt wird, sind die zahlreichen Buchten im Süden und Westen oft flach und sandig. Mit Aarhus befindet sich zudem eine der reizvollsten und angesagtesten Städte Dänemarks in der Nähe, hier kann man angesichts des großen kulturellen Angebots mehr als nur einen Flautentag überbrücken. Einen Besuch wert ist auch das kleine Städtchen Ebeltoft mit seiner historischen Altstadt und einigen Sehenswürdigkeiten, wie etwa dem kleinen Freilichtmuseum oder der Fregatte Jylland.
Sommerzeit ist auf der Ostsee auch immer Seegraszeit, Djursland stellt da keine Ausnahme dar. Entsprechende Seegrasfinnen sollten somit immer zur Grundausstattung gehören.