Glénan-InselnBoat-Trip ins bretonische Paradies - der Luxus der Einfachheit

Andreas Erbe

 · 25.08.2024

Wer hätte das gedacht?  Die Glénan-Inseln  liegen vor der Küste der Bretagne und nicht zwölf Flugstunden entfernt.
Foto: Ludovic Marquier
Sie sind eine absolute Touristenattraktion in der Bretagne, beherbergen eine der bekanntesten Segelschulen Frankreichs und sind ein karibisch anmutendes Wassersport-Paradies – nur wohnen kann man nicht auf den Glénan-Inseln. Da muss man mal hin!

Es war wieder einmal einer dieser Links zu den Fotos für eine Reisestory, die regelmäßig unaufgefordert auf den Rechnern der surf-Redakteure aufpoppen. Schneeweiße Strände, türkisblau strahlende Wasserfarben und fantastische Spots, an denen einige glückliche Profis ganz alleine ihre weißen Spuren ins Meer ziehen. Schön, aber eigentlich brauchen wir nicht schon wieder eine Story aus fernen Ländern von unerreichbaren Eilanden in der Karibik oder im Pazifischen Ozean, die nur einer Handvoll privilegierten Glückspilzen vorbehalten sind. Am besten noch mit dem Hinweis: „War ein Mega-Trip mit fantastischen Bedingungen, aber leider können wir euch nicht sagen, wo das ist, sonst kommen da womöglich auch noch andere Surfer hin.“ Frei nach dem Motto, wir machen euch den Mund wässrig, aber am Eingang des Gourmet-Restaurants sagt der Türsteher: Du kommst hier nicht rein!

Doch halt, diesmal haben die Surfer zumindest Langarm-Neos an – Karibik kann es also schon mal nicht sein. Ein Blick auf den kurzen Begleittext in der Mail verrät den Namen der Inseln: Les Glénans. Schnell bei Maps eingetippt, und schon zoomen wir aus dem Weltall auf eine kleine Inselgruppe. Zur Überraschung aller weder in der Karibik noch im Pazifik, sondern rund 15 Kilometer vor der bretonische Südküste ganz im Westen Frankreichs. Ein Archipel aus zahlreichen Inseln, das so fehl am Platze wirkt wie Helene Fischer auf dem Metal-Festival in Wacken.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Auf den Glénans gibt es nur eine Segelschule in einem alten Fort

Spätestens jetzt war unsere Neugier geweckt. Die angehängte Reportage war nett zu lesen, wirklich erhellend war sie allerdings nicht, wenn man etwas mehr über diese außergewöhnlich Inselgruppe erfahren wollte. Also tauchten wir in die Tiefe des Internets hinab, da auch sonst weder die Kollegen in unseren Schwestermagazinen Yacht und Boote viel mehr über die Glénan-Inseln wussten und auch kein uns bekannter Windsurfer jemals dort war. Das wiederum ist kein allzu großes Wunder, denn auf den Inseln, die zwar bewohnt sind, bieten sich für Touristen überraschender Weise keine Übernachtungsmöglichkeiten. Es sei denn, man besucht die dort ansässige Segelschule mit dem treffenden Namen „Les Glénans“ (glenans.asso.fr). Die zweite Überraschung: Es ist eine der bekanntesten Segelschulen Frankreichs, und das Segelhandbuch „Cour de navigation des Glénans“ ist seit 1961 das Standardwerk in der Segelschulung.

1947 wurde die Schule von Hélène und Philippe Viannay gegründet. Sie selbst waren im Krieg in der Résistance und richteten ihr Angebot zuerst an andere junge Widerstandskämpfer. Heute ist die Segelschule als gemeinnütziger Verein an fünf Standorten in Frankreich tätig. Tatsächlich bietet „Les Glénans“ heute auch Windsurf-, Kite- und Wingkurse an. Der Hauptsitz auf der Île Cigogne ist das aus dem 18. Jahrhundert stammende Fort Cigogne, eine Festung zur Abwehr englischer und holländischer Freibeuter. Wer die Inseln für eine Tagesausflug besuchen möchte, kann von einigen Häfen in der Südbretagne die etwa einstündige Überfahrt antreten.

Die “Liberty” war das Tor ins Insel-Paradies der Glénans

Einen Trip zu den Glénans hatten auch der französische Freestyle-Profi Sam Esteve und sein Kumpel Bastien Ramery auf dem Plan. Da sie das Paradies aber eben nicht nur für einen Tag erkunden wollten, hatten sie vor, ein Boot zu chartern und mit dem Windsurfmaterial freien und unbegrenzten Zugang zum Archipel zu haben. Im Herbst 2023 kam dann der Anruf des Skippers aus der Bretagne, dass es losgehen kann. Für euch erzählt Bastien, wie sie in der Heimat auf Entdeckungsreise gingen:

“Am Freitag, dem 13. Oktober 2023, rief mich Jean Marie, ein Skipper und lokaler Kenner der Glénans, an, um mir zu sagen, dass wohl das letzte gute Segelfenster der Saison mit sommerlichen Bedingungen bevorsteht. In den beiden darauffolgenden Tagen waren wir unsicher, ob wir aufgrund des unbeständigen Wetters überhaupt fahren können. Schließlich gab die Windvorhersage am Sonntagmittag grünes Licht. Wir machten uns noch am selben Abend auf den Weg, direkt in die Bretagne, ins Finistère, nach Port la Forêt, an den Ponton P04, wo ein Schiff namens „Liberty“ auf uns wartete.

Sam hatte seinen Flug gebucht, während er bereits auf dem Weg zum Flughafen von Montpellier war, Ludo Marquier, unser Fotograf, packte in seiner Pariser Wohnung seine Ausrüstung, während ich in Wissant den Lkw belud. Acht Stunden später gehen wir alle an Bord der „Liberty“, wo Kapitän Jean Marie und sein „Zweiter“, Laurent, auf uns warten.

Die Überfahrt zu den Glénans ist eine Herausforderung

Es fühlt sich gut an, das Gespür für Abenteuer wiederentdeckt zu haben und den Sprung ins Unbekannte zu wagen. Nach einer unruhigen Nacht im Hafen mit klimpernden Wanten und reibenden Fendern, setzten wir die Segel in Richtung Süden zum fantastischen Glénan-Archipel, das 15 Kilometer vor der bretonischen Küste liegt.

Die Überfahrt war eine Herausforderung. Eine Stunde lang schlugen vier Meter hohe Wellen frontal gegen unseren Bug, dann war die See plötzlich wieder ruhig und bescherte uns entspanntes Segeln, bis wir die „Lagune“ erreichten. In Luv der Insel Penfret, der längsten der neun größeren und zahlreichen winzigen Inseln, aus denen das Archipel besteht, ankerten wir.

Die Inselgruppe war im 17. Jahrhundert ein Versteck für Piraten, wurde später zu einem der beliebtesten Fischereigebiete im Finistère und ist heute für ihre Segelschule bekannt. Aber hat man in den türkisfarbenen Gewässern von Penfret schon einmal einen Windsurfer gesehen, der einen Burner, einen Culo oder einen Spock zelebriert? Wir wussten es nicht, aber wir würden es auf jeden Fall tun. Das Aufriggen an Bord ist ein bisschen wie das Anziehen des Neoprenanzugs im Auto.

Am Ausgang der Lagune wartet eine solider Welle

Der Ort hatte sofort eine beruhigende Wirkung auf uns, wir surften entspannt um die „Liberty“ und warteten darauf, dass Ludo mit dem Beiboot zu einer unberührten Sandbank gebracht wurde, um seine Drohne stressfrei zu starten. Während wir warteten, schweifte unser Blick ab und landete auf einem großen, von Schaum umgebenen Felsen am Ausgang der Lagune. Das Glück war auf unserer Seite, denn dort baute sich eine wunderschöne eineinhalb Meter hohe Welle auf. Und genau hier begann der Spaß. Sam machte sein New-School-Ding mit Shifty und Pasko, während ich mich an die klassischen Wave-Moves hielt.

Die Meeresgöttin, die mit einem Denkmal auf der nur wenige hundert Meter entfernten Insel Gueotec geehrt wird, begrüßte uns in gebührender Form auf den Glénans. Wir beschlossen, die Götter an diesem Tag auf unsere eigene Weise zu ehren: Wir ließen Laurent in seinem Beiboot mit seinem launischen Motor zurück. Wie eine Opfergabe auf dem Ganges in Indien trieb Laurent mit Wind und Strömung bis zum Ende der kleinen Inselgruppe. Da die Ebbe unser Boot daran hinderte, ihn dort zu retten, wartete er zwei lange Stunden halb erfroren auf seiner Felseninsel. Das Bild des Schiffbrüchigen hat uns sehr zum Lachen gebracht! Ja, wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde, ich weiß.

Freeride-Session am Rande der Welt

Die nachmittägliche Freeride-Session um die Insel Bananec war ruhiger, aber genauso herrlich, und verstärkte das Gefühl von Freiheit und den Eindruck, am Rande der Welt zu sein, vor allem dadurch, dass wir keine Menschenseele auf dem Archipel sahen. Das einzige Boot, das wir in der Ferne vorbeiziehen sahen, war eine Imoca, die wahrscheinlich einige Tage später zum Start der Regatta „Transat Jacques Vabre“ aufbrach – ein Anblick, der uns alle über die Mühen und Herausforderungen eines solchen Unterfangens nachdenken ließ.

Später am Abend trafen wir uns alle in der Lounge des Schiffes, um bei Getränken und Essen eine Nachbesprechung durchzuführen. Es war ein großartiges Gefühl, wieder in den komfortablen Räumen des Schiffes zu sein, umgeben von Leder, Teppichen und Mahagoniholz, während wir immer noch das Meer und den Wind hinter den Bullaugen spürten. Auf der Speisekarte stand Wolfsbarsch, den ich einige Tage zuvor in Nordfrankreich selbst gejagt hatte. Eine Ironie des Schicksals, denn das Archipel ist ein Mekka für den Barschfang in Frankreich.

Als wir am nächsten Tag aufwachten, war der Himmel bedeckt, aber es war noch genug Wind da. Sam startete in Lee eines natürlichen Deichs auf der Suche nach absolutem Flachwasser – als Leucate-Local ist er da sehr verwöhnt –, um seine weltbekannten Double-Moves in die Luft zu zaubern.

Das nächste Ziel war, über die Heckwelle des Bootes zu springen, das mit voller Geschwindigkeit fuhr. Im Nachhinein wird mir klar, dass das in dieser „Natura 2000“-Zone ethisch nicht die beste Idee war ... Jetzt wissen wir zumindest, dass es nichts Besseres gibt als eine gute natürliche Welle. Gefühlt fand die letzte Session des Tages auf einem vergessenen Atoll im Pazifik statt – nur unsere warmen Neoprenanzüge erinnerten uns daran, dass wir uns tatsächlich im Atlantik vor Frankreich befanden. Das Wasser war türkisblau, Ludo, der alles mit seiner Drohne beobachtete, war begeistert.

Abenteuer sind auf den Glénans unerschöpflich

Nach eineinhalb Tagen war es bereits an der Zeit, zum Festland zurückzukehren. Unser Kurztrip war aber nicht genug, um den Mythos der Glénans auch nur annähernd zu erfassen, denn die Abenteuer scheinen hier unerschöpflich zu sein.

Diese 48-stündige Express-Rundreise erinnerte uns daran, dass es beim Windsurfen nicht nur um das Training und die Jagd nach Pokalen geht, sondern auch um die Menschen, die man trifft, um den Austausch und die Entdeckung neuer und wunderbarer Spots – auch in der Heimat. Das ist es, was das Windsurfen einzigartig macht und die Leidenschaft aufrecht erhält.

Vielen Dank an Jean Marie, unseren Kapitän, und Laurent, ohne die diese Reise nicht möglich gewesen wäre!


Meistgelesen in der Rubrik Spots & Reviere