Weitere Spot-Tipps für Herbst-Trips:
Für Individualreisende, die auf der Suche nach Wind und vor allem auch Wellen sind und dabei nicht gezwungenermaßen in den Flieger steigen wollen, lohnt es sich, den Blick auf der Europakarte in Richtung Westen schweifen zu lassen – vorausgesetzt, man ist nicht aus Zucker, sucht die Abgeschiedenheit und hat keine Neoprenallergie.
Dann könnte ein Trip an die Westküste der grünen Insel namens Irland, die einen die rohen Kräfte des Nordatlantiks ungebremst spüren lässt, durchaus infrage kommen. Die Wellen gehören zu den besten der Welt und sind vor allem in der Region um Brandon Bay nicht nur für Cracks surfbar. In der sandigen Bucht reihen sich die Wavespots wie an einer Perlenkette, die viele verschiedene Möglichkeiten für unterschiedliche Windrichtungen und Könner-stufen bietet.
Der Trip nach Irland beginnt meist im Südosten, wo man beim Übersetzen mit der Fähre oft in Cork oder Ross lare anlandet. Erstes Ziel sollte die Dingle-Halbinsel im Südwesten sein. Wer einmal von Dingle über den nebelverhangenen Conor Pass gefahren ist und einen ersten Blick auf die Brandon Bay mit ihren endlose Lines nach hinten abwehenden Wellenkämmen erhascht hat, weiß, dass dies hier das gelobte Land für Wave-Fans sein muss.
Auf knapp zehn Kilometern Länge reihen sich in der halbmondförmigen Bucht gleich mehrere Weltklassebreaks aneinander: Spots wie Gowlane, Stradbally oder Mossies genießen unter Wave-Fans einen hervorragenden Ruf. Weil die Bedingungen in der Bucht so unterschiedlich sind, bleiben viele Windsurf-Reisende hier hängen, aus einer geplanten Rundreise wird oft nichts – aus gutem Grund.
Swell aus Südwest oder West ist im westlichen Teil der Bucht, an den Spots Kilcummin oder Fermoyle, kleiner, hier kann man sich als weniger geübter Waver auch mal etwas verstecken. Abgesehen davon findet man im weiteren Verlauf der Bucht von Süd- bis Westwind immer einen Strandabschnitt, wo der Wind im passenden Winkel ankommt. Wer es darauf anlegt, kann beispielsweise bei Südwestwind zuerst in Gowlane Sideoffshore-Bedingungen surfen und 30 Minuten später einige Kilometer weiter, zum Bespiel in Dumps, bei Sideshorewind an seinen Sprung-Skills feilen. Ein Erlebnis ist auch ein Tag am legendären Pointbreak Mossies am Nordende der Bucht. Hier bricht bei Nord- bis Nordwestwind und bei Hochwasser eine kraftvolle Riffwelle, die mehrere Hundert Meter läuft und zahlreiche Turns nach Lee erlaubt. Über seine Heldentaten (oder Waschgänge) kann man sich dann hinterher mit den Locals in Spillane’s Bar bei einem Guinness unterhalten – und dies in dem Wissen, dass hier auch schon Legenden wie Josh Stone, Robby Naish oder Josh Angulo am Tresen saßen.
Wer den Absprung aus der Brandon Bay schafft, tut dies in der Gewissheit, dass auch der Nordwesten Irlands im Herbst die volle Breitseite der Atlantikswells abbekommt. Tipp: Ein Abstecher nach Galway. Das schöne Städtchen war 2020 Kulturhauptstadt Europas. Wenn „The Green Isle“ ihrem Namen wieder mal alle Ehre macht und die Surfspots im Regen versinken, findet man hier zahlreiche Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Pubs. Viele Wave-Fans peilen zunächst die schön exponierte Halbinsel Mullet und anschließend Magheraroarty im Nordwesten als ultimatives Ziel an, da auch diese Bucht sehr variabel ist und bei Süd- bis Westwind alles von Beach-bis Reefbreaks bietet. Von Magheraroarty zurück in den Süden liegt Dublin quasi auf dem Weg – zu reizvoll, um es einfach links liegen zu lassen.
Aufgrund der atlantischen Strömungen rutscht die Wassertemperatur bis zum Jahreswechsel in der Regel nicht unter 10 Grad. Wenn die vielen für Herbst und Winter charakteristischen Tiefdruckgebiete über dem Nordatlantik toben und aus südwestlicher Richtung auf Irland treffen, bringen sie durchaus raue Wetterbedingungen nebst viel Regen mit sich, das Außenthermometer zeigt dann aber selbst im tieferen Winter tagsüber meistens noch zweistellige Temperaturen an. Das ist zwar angenehmer, als zur selben Jahreszeit auf Nord- und Ostsee zu surfen, doch einen guten Winter-Neo zwischen 4 und 6 Millimetern, eine Haube und Schuhe sollte ab Oktober jeder im Gepäck haben. Einen trockenen Zweitneo parat zu haben klingt nach purem Luxus, kann an rauen Herbstdestinationen wie Irland für diejenigen, die es ernst meinen, jedoch durchaus Sinn machen.
Über die bekannten Buchungsplattformen wird man in der Nebensaison überall fündig und hat bei B&Bs oder Zimmern die freie Auswahl. Wildes Campen wird im Winterhalbjahr meist toleriert, sofern man alles ordentlich hinterlässt. Oft bleibt einem auch nichts anderes übrig, denn viele Campingplätze haben im Winter geschlossen.