Monsterwellen an der NordküsteBig Wave-Tag auf Teneriffa - Cojones!

SURF Redaktion

 · 29.06.2025

Nichts für schwache Nerven: Teneriffas Big Wave-Trupp erzählt von einem ganz besonderen Tag an der Nordküste
Foto: Mariusz Stachowiak
Definition: „Das Substantiv Cojones entspricht im Deutschen dem derben Begriff ‚Eier‘ anstelle von ‚Hoden‘. Der Ausdruck ist zwar vulgär, hat aber eine positive Konnotation. Er wird umgangssprachlich verwendet, um eine Person oder ihre Handlungen als mutig, kämpferisch oder geradlinig zu beschreiben.“ Mehr muss man über die Eigenschaften einer bunten Truppe in den Monsterwellen im Norden Teneriffas nicht sagen.

Text: Andre Ludewig

Die für die Kanaren üblichen Passatwinde belüften regelmäßig die bekannten Spots zum Windsurfen auf Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura. Tiefdruckgebiete, die nördlich der Kanaren ostwärts ziehen, stören dieses System. Dann findet man auf Teneriffa klasse Windsurfbedingunge Windsurfbedingungen mit bis zu masthohen Wellen zum Beispiel in Las Americas. Perfekt funktioniert der Spot Fitenia, wobei die Flanken des Teno-Gebirges als Katalysator wirken. Wird es hier zu onshore, bleibt durch Luvstaueffekte diese Beschleunigung aus.

Einstieg über felsige Steilküsten

Bereits 2007 suchte Dany Bruch zusammen mit ein paar Freunden nach surfbaren Alternativen im Norden. Einige Spots waren bereitsbekannt, wie zum Beispiel am Punta del Hidalgo. Die felsige Küste macht nirgendwo einen entspannten Start von einem Strand möglich. Meist wird das Material aus einigen Metern Höhe ins Wasser geworfen, hinterhergesprungen und mit ein paar kräftigen Schwimmzügen der Gefahrenbereich überwunden. Vorher muss der richtige Moment zwischen zwei Sets abgewartet werden.

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Iban ‘The Man’ Hernández zeigte mir schon vor über 20 Jahren die Geheimspots im Norden von Teneriffa.”

Dany wählte seinerzeit einen Spot, dessen Wellen noch niemals einen Windsurfer gesehen hatte. Da der Wind dort keinerlei Beschleunigung erfährt, erreichte er als einziger mit einem 100-Liter-Board und 5,8 Quadratmeter Segel die Impactzone. Damals sorgten spektakuläre Fotos und Videosequenzen mit doppelt masthohen Wellen für Aufregung in der Szene. Tiefdruckgebiete entwickeln sich selten zu richtigen Tropenstürmen, aber dann pilgern immer wieder eine handvoll Windsurfer mit Big-Wave-Erfahrung in den Norden Teneriffas.

Der Spot im Norden Teneriffas ist seit 2007 ein Traum der LocalsFoto: Simone AlessandriDer Spot im Norden Teneriffas ist seit 2007 ein Traum der Locals

Teneriffas beste Surfer am Start

Einer dieser Tage sollte der 3. April 2025 werden. Die Wetterdienste gaben Sturmwarnungen und euphorisch wurden Jetskis gecheckt, wasserdichte Kameragehäuse vorbereitet und Akkus geladen. Diesmal sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Schon bei der Überquerung der Berge mit dem ersten Ausblick auf die Nordküste waren sehr große Wellen auszumachen. Dazu gab es überall Schaumkronen, ordentlich windig sollte es also auch sein.

Die Wellen an diesem Spot sind zwar nicht die besten, schnellsten und saubersten, aber sie werden immer besser, je größer sie werden.”

Vor Ort dann letzte Checks von Windsurfequipment und die finale Entscheidung zur Segelgröße. Der Wind war schräg ablandig und damit sehr schwer einzuschätzen. Martin Ovsik griff zum 4,0er und Jochen Stolz ging mit 5er auf Nummer sicher. Nachdem sich auch Slalomweltmeister Matteo Iachino, Iban Hernández (ein Local mit langjähriger Erfahrung in Sachen Nordküste) und Nikodem Merlak für das mutmaßlich richtige Material entschieden hatten, konnte es losgehen. Dany Bruch hatte noch immer Probleme nach einer Fußverletzung und lenkte einen der beiden Jetskis. Den anderen stellten Martin Ovsik und sein Freund Pelda. Sie dienten vor allem der Sicherheit sowie der Fotos und Filmerei aus der Wellentalperspektive.

Heftige Wipeouts und Angst um die Drohne

Zu Fuß lief ich die drei Kilometer zum Point Break, um Fotos vom Land und aus der Luft machen zu können. Vorhersagegemäß schaffte das Wetter eine dramatische Kulisse: heftige Regenschauer, stürmische Böen, schwarzer Himmel und Sonne wechselten minütlich. Vor Ort begrüßten mich hochschießende Gischt und Seaspray.

Jochen war schon auf dem Wasserweg da und testete die ersten Wellen. Nach und nach trafen die anderen Jungs ein und lieferten spektakuläre Wellenritte in teils über doppelt masthohen Wänden. Tatsächlich war es extrem böig – entweder waren alle am Fliegen oder Balancieren. Das Timing und die Wellenauswahl waren super tricky. Martin stieg einmal zu hoch ein, bottomturnte zu tief und wurde von einem größeren Set über Felsen gewaschen. Er und sein unbeschädigtes Equipment wurden von einem Jetski geborgen – alles gut gegangen! Es gab noch weitere Wipeouts, die alle zum Glück glimpflich verliefen. Problematisch wurde es nur einmal für die Drohne, die trotz ihrer möglichen 70km/h und 30 Prozent Restakku meldete, dass eine Rückkehr zum Startpunkt nicht möglich sei. Tatsächlich vereitelte eine starke Bö beinahe, die 450 Meter zur Küste zu meistern. Mit viel Adrenalin durfte ich sie mit acht Prozent Akku wieder in Empfang nehmen. Am Ende, alle waren bereits wieder an Land, wollte es Dany dann doch nicht beim Supporten auf dem Jet belassen – hier seine komplette Story:

Dany Bruch im Pech

„Die Vorhersage an diesem Tag war mega, ich war so heiß! Noch immer nicht fit nach meinem Wipeout beim Worldcup im Sommer fuhr ich meinen Zodiac-Jetski, um endlich mal die erträumten Fotos von den Barrels zu machen – Leute, da passt ein Bus rein!

Die Vorhersage für den Tag war mega. Die Barrels waren so groß – Leute, da passt ein Bus rein!”

Der Tag verlief unglaublich! Es war groß und windig. An Bord hatte ich Simona Alessandri, Marketingboss von Bruch Boards und vom Wind Center. Sie schoss die besten Fotos, die ich bis jetzt von dem Spot gesehen habe. Die Jungs gaben mächtig Gas: Jochen hatte die größten Sets unter Kontrolle, Martin rippte ordentlich, aber verschwand einmal 20 Sekunden in einer Monsterwaschmaschine, Matteo zeigte, dass er ein erfahrener Windsurfer ist, Nikodem machte seine ersten Big-Wave-Erfahrungen und Iban – The Man!!! Zusammen mit Peter Huhn zeigte er mir schon vor 20 Jahren deren Geheimspots im Inselnorden. So angefixt von der Action wollte ich dann am Abend auch noch ein paar Wellen abgreifen, doch beim Aufbauen vom Jetski aus ging die Mastverlängerung verloren – okay, next time!“

Es gab nein paar heftige Wipeouts, die alle zum Glück glimpflich verliefen.Foto: Simone AlessandriEs gab nein paar heftige Wipeouts, die alle zum Glück glimpflich verliefen.

Auch die anderen Jungs haben Statements abgegeben …

Nikodem Merlak

„Superböiger Wind und größer werdende Wellen verlangten volle Konzentration. Die Waveselektion war sehr schwierig und mit jeder Wolke änderte sich der Wind. Aber es war unglaublich und dieser Tag wird ewig in Erinnerung bleiben.“

Matteo Iachino

„Es war ein fantastischer Tag mit super Wellen, zusammen mit großartigen Ridern. Ich bin die größten Wellen meines Lebens gesurft. Es war schwierig, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, um die Welle perfekt zu erwischen. Manchmal war es definitiv gruselig, aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht – einfach eine unvergessliche Session!“

Jochen Stolz

„Vor Jahren war es Dany, der mich motivierte, entlegene Spots im Norden zu suchen, die ebenfalls mit so großen Wellen aufwarten, wie ich sie bereits von der Bretagne kannte. In der Zwischenzeit haben wir hier schon fast jede Welle gesurft, und auch diesen Spot kennen wir von vielen Sessions. Die Wellen hier sind zwar nicht die besten, schnellsten und saubersten, dafür funktioniert es umso besser, je höher der Swell ist – so wie heute. Ich war voll konzentriert, wir haben hier sicher die gefährlichsten Bedingungen der Insel. Am Ende konnte ich gute Wellen scoren und hatte zusammen mit einer Handvoll Freunde eine Menge Spaß und intensivste Naturerlebnisse.“

Martin Ovsik

„Ich komme aus Tschechien – dem Land ohne Meer – und habe schon immer davon geträumt, unter solchen Bedingungen zu windsurfen. Dank Dany und Jochen ist das nun für mich Wirklichkeit. Nachdem ich mich eine Stunde lang immer näher in die kritische Sektion herangearbeitet hatte, war sie da – die Hauswand! Ich war voll entschlossen und stürzte mich darunter – und es war zu tief – verdammt! Das Ding machte auf der ganzen Länge zu! Es war superheftig, die Wassermassen rissen an mir, wo ist oben – wo unten? Doch ich behielt die Ruhe und zündete die CO2 -Patrone meiner Rettungsweste. Kaum oben angekommen und kurz Luft geholt, erwischte mich die Weißwasserwalze des nächsten Sets und spülte mich über eine Felsengruppe nahe der Steilwand am Ufer. Wie durch ein Wunder war mir nichts passiert, schnell war auch der Jetski Peldas da und gemeinsam fanden wir meinen unbeschädigten Stuff 100 m in Lee. So konnte ich noch einige Wellen, jetzt mit mehr Respekt surfen – was für ein Tag!“

Die Drohne wäre im Sturm beinahe verloren gegangenFoto: Andre LudewigDie Drohne wäre im Sturm beinahe verloren gegangen

Big Wave Surfing - das solltet ihr beachten!

Für alle, die ebenfalls einmal die großen Wellen im Norden Teneriffas surfen wollen, gibt es ein paar wichtige Dinge zu beachten: Die lokale Surfer- und Tow-in-Szene ist eine homogene Gruppe – hier kennt jeder jeden. Jegliche Konfrontation ist zu vermeiden. Es gibt überall tückische und stark gezeitenabhängige Strömungen. Je nach Tide lauern unsichtbare Felsen. Dort, wo man früher offroad bequem hinkam, ist jetzt zumeist gesperrt – vom mit Glück gefundenen Parkplatz sind es oft Hunderte Meter zu Fuß. Safety: Rettungsweste mit CO2 -Patrone sind obligatorisch. Des Weiteren sollte es immer Freunde an Land mit ständigem Blickkontakt (Fernglas) geben, um Hilfe holen zu können. Am besten vorher Jochen Stolz oder Dany Bruch kontaktieren!


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