Tobias Frauen
· 28.03.2025
Wer zum ersten Mal zum Meldorfer Speicherkoog unterwegs ist, könnte an seinem Navi zweifeln. Scheinbar endlos zuckelt man mit 50 über erstaunlich gut ausgebaute Feldwege durch die norddeutsch-flache Landschaft von Dithmarschen, am Horizont immer der Deich. Doch hinter einem Schilf-Feld taucht dann irgendwann eine Wiese voller Wohnmobile und Bullis auf, die sich um das sogenannte Miele-Becken scharen. So heißt der Teil des Gewässers, der zum Windsurfen und Wingen freigegeben ist - Kiten ist hier streng verboten. Gerade an den Wochenenden kann es schon mal voll werden, die Schleuse zur offenen Nordsee und die Imbisse ziehen nicht nur Surfer, sondern auch viele andere Ausflügler an.
Dass sich hier im tiefsten Dithmarschen einer der beliebtesten Flachwasser-Spots an der Westküste verbirgt, liegt vor allem an der idealen Infrastruktur: Viele Parkplätze, bequeme Einstiege, Surfschulen, Toiletten und eine Bude für das Fischbrötchen und Bierchen danach - unter dem verheißungsvollen Namen “Pulle & Stulle”. Der “Surfsee Meldorf” selber ist zwar klein, aber zum größten Teil stehtief und bei fast jeder Windrichtung und -stärke fahrbar. Bis auf die gut sichtbaren Mini-Buhnen gibt es keine Hindernisse, alles was man beachten muss ist rechtzeitig vor dem Schilf beizudrehen. Ideale Bedingungen also für alle Flachwasser-Freerider und Aufsteiger, denn auf dem Speicherkoog gibt es fast eine Lern-Garantie: Bei nur knapp 300 Metern Breite muss man eh ständig umdrehen, Halsen-Training ist also obligatorisch.
Langes Geradeausfahren ist ja auch für Freestyler wenig reizvoll, deswegen ist der Speicherkoog eine Brutstätte für Freestyle-Talente. Schon André Paskowski holte sich hier einst den Feinschliff für seine Karriere, und regelmäßig kommen die German Freestyle Battles für einen Contest nach Meldorf. Auch die Wingfoil-Szene ist stark vertreten, bis auf die knietiefen Uferbereiche ist das Wasser ausreichend tief zum Foilen. An guten Tagen kann es dann schon mal voll auf dem Wasser werden, besonders bei östlichen Winden.
Denn dann ist der kleine See ein ideales Ausweichrevier für St. Peter-Ording, Büsum und Co. Wenn es dort ablandig auf die Nordsee hinausweht, findet man in Meldorf einen sicheren Spot, an dem der Wind fast ohne Störungen über die flache Landschaft wehen kann. Dann kann sich durch den etwas längeren Anlauf über den Ostteil des Beckens sogar eine kleine Windwelle aufbauen, die sich ideal als Kicker für erste Chop Hops oder Freestyle-Moves anbietet. Zum Surfen ist der östliche Bereich allerdings tabu, die Absperrung durch eine Bojenkette muss unbedingt eingehalten werden. Alle westlichen Richtungen bieten glattes Wasser und einen geschützten Spot, auch bei Sturmstärke. Etwa zwei Stunden vor und nach Hochwasser kann man dann auch an der Westseite rausgehen.
Apropos Sturm: Der Meldorfer Speicherkoog - von dem der Surfsee nur ein kleiner Teil ist - entstand nach der verheerenden Sturmflut von 1962. Vor die ursprüngliche Deichlinie wurde der neue Deich gesetzt, um die Länge zu verringern und Raum für das Wasser aus dem Hinterland zu schaffen. Denn die dem Meer abgerungenen Köge müssen durchgehend entwässert werden, bei West-Stürmen wird das Wasser aber ins Landesinnere gedrückt. Im Speicherkoog kann sich das Wasser seit der Fertigstellung 1978 nun sammeln, ohne dass Dörfer oder Felder gefährdet sind. Die Flächen sind seither zur Heimat vieler Vögel geworden, deswegen die strengen Naturschutz-Vorschriften.
Doch es gibt Pläne für eine Anlage mit Ferienhäusern und Hausbooten südlich des Spots, neben dem Yachthafen Meldorf. Dieses Vorhaben ist umstritten, Bürgerinitiativen und Naturschützer setzen sich dafür ein, den Charakter der Gegend nicht zu verändern. Unter anderem steht im Raum, dass die geklärten Abwässer der neuen Anlage ins Miele-Becken geleitet werden sollen, also direkt dort, wo Windsurfer und Winger aufs Wasser gehen.
Insbesondere bei Tiefdruck aus Südwest und West kommt der Wind mehr oder weniger „sideshore“ über den Koog, ist kaum böiger und schwächer als an der offenen Nordsee und bietet perfekte Flachwasserbedingungen für Aufsteiger oder Freestyler. Bei Ostwind ist Meldorf einer der wenigen sicheren Spots an Schleswig-Holsteins Westküste, dann gibt es auch schon mal etwas Chop. Kommt der Wind aus südlicher Richtung oder aus Nordwest und noch weiter rechts drehend, so wird es entsprechend böiger. Prinzipiell kann man aber bei allen Windrichtungen fahren, Abtreiben ausgeschlossen. Wer Probleme hat, läuft einfach durch den großteils stehtiefen Koog über sandigen Untergrund zurück. Da der Spot sehr sicher ist, empfiehlt er sich an Sturmtagen auch als Ausweichspot, wenn Orte wie St. Peter-Ording zu heftig werden.
Auf der A23 über Itzehoe bis zur Abfahrt „Meldorf“, dann über die Landstraße Richtung „Meldorfer Speicherkoog“. Von Meldorf kommend in Richtung Büsum liegt nach zwei Kilometern, auf der linken Seite direkt am Deich, der Meldorfer Speicherkoog.