Lasse Brudek
· 07.09.2025
Noch gerade in den 90ern geboren, kam ich in den Genuss, die letzten Züge der Hochzeit des Windsurfens miterleben beziehungsweise in ihr aufwachsen zu können. Statt nur Zeit im Kindergarten zu verbringen, stand mein Modellautoparkhaus im Surfshop, und meine Eltern stellten mich aufs Brett, bevor ich schwimmen konnte. Fast 30 Jahre später bietet Wilhelmshaven für mich immer noch einen fantastischen Ort zum Leben. Das Wetter ist typisch norddeutsch, also wenn man uns fragt, (fast) immer hervorragend, die Anzahl von Tagen mit guter Windausbeute ist überdurchschnittlich, und die Anfahrtszeit zu den Spots beträgt maximal eine Kaffeelänge. So lassen sich die Arbeit und die Freizeit auf dem Wasser gut miteinander verbinden.
Nach dem tendenziell globalen Tief der Windsurf-Szene kann unser Windsurfing Club Jade wieder knapp 200 aktive Mitglieder im Verein verzeichnen. Es hat sich eine wachsende Gemeinschaft entwickelt, die Windsurfen lebt und das nicht ausschließlich mit 75-Liter-Boards und 4er-Segeln, sondern auch bei der allwöchentlich stattfindenden Mittwochsregatta – hier wird ganz unabhängig vom Wind - eineinhalb Stunden lang alles gegeben.
Die Region bietet euch das volle Programm: von Spots zum Speedfahren, Freestylen, Wellen abreiten bis hin zum stehtiefen Gewässer, um den Beachstart oder die Halse zu perfektionieren. Damit ihr wisst, wann ihr wo am Strand sein müsst, stelle ich euch hier die besten Spots in Wilhelmshaven und Umland vor. Schon mal als Spoiler vorab: Es geht nichts über Sessions bei Nordwestwind und Niedrigwasser – mit gutem Swell – in Hooksiel.
53°30‘11.9“N 8°04‘24.8“
Der Spot ist der östlichste an der Südküste von Wilhelmshaven. Hier kann direkt am Spot geparkt werden (kostenfrei). Nach kurzem Treppensteigen über den Deich ist man an der Wasserkante. Bei Nordwest kommt der Wind perfekt sideshore von rechts mit schönem glatten Wasser. Je weiter man hochkreuzt, desto flacher wird die Wassertiefe. Bei Richtungen wie Südwest oder bei den östlichen Richtungen wird es buckeliger. Der Spot ist fast immer stehtief und kann zeitlich ca. 1,5 Stunden vor bis 1,5 Stunden nach Hochwasser gesurft werden. Aufgrund der geringeren Wassertiefe ist Foilen nicht möglich. Kiten und Wingen ist nicht gestattet.
53°30‘07.8“N 8°05‘06.0“E
Der liebevoll Homespot genannte Spot befindet sich auf der Nordseeseite am ausgeschilderten Surfgelände Banter See. Geparkt werden kann direkt hinter dem Deich auf einer großzügigen Parkfläche (kostenfrei). Fahrbar ist der Spot je nach Windrichtung circa zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Hochwasser. Die besten Bedingungen findet man bei Nordwestwind vor, dann kommt der Wind schräg ablandig, und es entsteht eine glatt gebügelte Piste, die sich optimal zum Heizen nutzen lässt. Je südlicher der Wind, desto kabbeliger wird es. Optimal eignet sich der Spot zum Foilen – dabei wird dann auch schnell mal das ein oder andere spontane Rennen nach Dangast und zurück ausgetragen (andere Seite des Jadebusens, ca. 6 km pro Strecke). Bei Südost läuft das Wasser meist nicht weit genug auf, daher ist der Spot dann nicht zu empfehlen. Kiten und Wingen sind nicht gestattet.
53°30‘12.6“N 8°05‘02.1“E
Hier befindet sich das Gelände des Wilhelmshavener Surfclub (Windsurfing Club Jade e. V.) und der Surfschule/Surfshop (The Surf Company Wilhelmshaven). Der Surfclub ist sehr aktiv in der Vereinsarbeit und veranstaltet zudem mehrere Regatten im Jahr. Dazu zählen vor allem eine allwöchentliche Mittwochsregattaserie (Ostern bis Oktober), bei der regelmäßig 15 bis 30 Surfer am Start sind, sowie die Austragung einer hochrangigen Meisterschaft. In diesem Jahr wird die Internationale Deutsche Meisterschaft in der Windsurfer-LT-Klasse ausgerichtet. Man kann direkt am Spot parken (kostenfrei). Frei nutzbar für jedermann findet sich eine große Wiese direkt am Wasser, auf der aufgeriggt und gestartet werden kann. Surfen ist tidenunabhängig und bei jeder Windrichtung möglich – außer Südsüdost, denn dann ist es deutlich zu böig auf dem See. Im westlichen Seeteil ist die mit Abstand beste Windrichtung Ost, hier weht der Wind konstant über den See und beschleunigt zusätzlich an einer östlich gelegenen Verengung nochmals. Im Osten des Sees lässt sich vor allem nördlicher Wind sehr gut nutzen. Bei allen Windrichtungen ist flaches Wasser vorhanden, sodass sich sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene wohlfühlen. Zu empfehlen ist der See insbesondere zum Foilen (Wind- und Wingfoil), da das glatte Wasser einfache Bedingungen bietet und kleinere Windlöcher bequem durchflogen werden können. Aber auch auf Finne werden regelmäßig Topgeschwindigkeiten von über 60 km/h beim Speedcup des Surfclubs gefahren. Zu den Öffnungszeiten der Surfcompany lädt diese außerdem mit einem Kaffee zum Vorbeischauen, Fachsimpeln oder einfach zum Aufwärmen nach der Session ein. Außerdem bietet ein Schwimmsteg die optimalen Voraussetzungen zum Pumpfoilen.
53°30‘37.3“N 8°07‘41.7“E
Der Südstrand ist einer der bekanntesten Spots in Wilhelmshaven. Geparkt wird oben auf dem Deich (kostenpflichtig), ein Wohnmobilstellplatz direkt am Spot ist ebenfalls vorhanden. Der Spot funktioniert sowohl bei Hochwasser als auch bei Niedrigwasser, da sich bei Niedrigwasser ein großer Priel unter Land bildet. Der Einstieg erfolgt über die aus dem Krieg verbliebene Fliegerablaufbahn beziehungsweise über den freigelegten Sandstrand bei Niedrigwasser. Wer bei Niedrigwasser startet, hat den circa 200 Meter breiten Priel zur Verfügung und findet glattes Wasser vor – ideal zum Freestylen oder Speedfahren. Zudem sind drei Viertel des Priels stehtief. Umso südlicher der Wind, desto mehr kann der Priel in Längsrichtung gesurft werden. Etwa zwei Stunden nach Niedrigwasser wird die hinter dem Priel liegende Sandbank überspült und kann überfahren werden. Dabei bildet sich unter Land im tiefen Teil des Priels eine steile Welle, welche sich gut als Kicker zum Springen eignet. Weiter draußen bildet sich für etwa eine Stunde ein großer Stehbereich. Zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Hochwasser ist die Wassertiefe überall deutlich über der Zwei-Meter-Marke, und der ganze Spot kann bei leicht welligen Bedingungen zum Freeriden oder Foilen genutzt werden. Die besten Windrichtungen sind Südost und Südwest. Bei reinem Südwind sollte es richtig ballern, da unter Land der Luvstau den Wind zu sehr abschwächt. Wenn Wind und Strömung aus einer Richtung kommen, sollte man zur Zeit der stärksten Strömung (3. und 4. Stunde) eher nicht aufs Wasser gehen (ablaufendes Wasser = Strömung nach Ost, auflaufendes Wasser = Strömung nach West). Kiten und Wingen sind nicht gestattet.
53°38‘45.0“N 8°04‘32.6“E
Der vielseitigste Spot der Gegend. Er bietet bei unterschiedlichen Gezeitenständen und an unterschiedlichen Einstiegsstellen alles, was das Surferherz begehrt. Niedrigwasser: Hier parkt man oben auf dem Deich oder auf dem Parkplatz des Hafens (kostenpflichtig). Die Wasserkante ist ca. 500 m entfernt, aber der Weg lohnt sich vor Allem bei starkem Nordwest- und Südwind. Bei Nordwestlage bildet sich an der Wattkante ein kleiner Shorebreak mit einer bis zu hüfthoher Welle. Die Höhe der Wellen ist dabei nicht das Besondere, sondern deren Länge. Da die Wattkante leicht schräg zum Ufer verläuft, baut sich die Welle immer wieder auf und lässt sich nahezu unendlich abreiten. Bei Südwind eignet sich der Spot gut zum Speedfahren denn nach dem Kippen der Strömung findet man spiegelglattes Wasser und eine kilometerlange Piste. Aber Achtung: Da der Wind ablandig bläst, sollte bei der Session nichts schiefgehen - wer raustreibt, kann nur noch auf Rettung aus der Luft warten. Hochwasser: Bei Hochwasser gibt es zwei Möglichkeiten zum Einstieg: Entweder vorne am Parkplatz beim DLRG Haus oder weiter westlich in der „Schweinebucht“. Im östlichen Bereich (DLRG Haus) bietet der Spot Bump & Jump-Bedingungen, die bei Sonnenschein zu dem ein oder anderen Speedloop einladen, um die Badegäste am Strand zu beeindrucken. Allerdings sollte man dabei nicht zu dicht an die Badezone fahren, um es sich nicht mit den Rettungsschwimmern zu verscherzen. An Wintertagen ist die Station nicht besetzt und der Spot kann voll ausgenutzt werden. Umso weiter westlich man ins Wasser geht („Schweinebucht“), desto größer ist der Stehbereich. Die „Schweinebucht“ ist in Richtung Campingplatz ziemlich flach und bietet glattes Wasser zum Heizen. Zudem ist sie ideal für Aufsteiger, die während der Session nicht über Wasserstarts oder das Rausziehen des Segels nachdenken wollen. Der einzige Nachteil ist, dass der Bereich auch stark von Kitern frequentiert wird. An einem Sommertag kann es also schon mal sehr voll auf dem Wasser werden. Die Schweinebucht ist ca. 1,5 Stunden vor bis 1,5 Stunden nach Hochwasser surfbar. Je weiter der Einstieg in Richtung DLRG Haus gewählt wird, desto größer wird das Zeitfenster.
53°38‘14.8“N 8°03‘35.2“E
Klein, aber fein. Das Hooksmeer bietet direkt beim Hooksieler Surfclub ein strömungsunabhängiges und anfängerfreundliches Revier. Der Einstieg erfolgt beim Surfclub. Östliche und westliche Winde kommen relativ frei durch und sorgen für Spaß bei der Session oder im Surfkurs. Man sollte nicht allzu weit rausfahren und den Schiffsverkehr gut im Auge behalten – die Zufahrt aller Segelclubs zur Schleuse verläuft durch das Revier. Außerdem gibt es vor Ort eine Surfstation, die Kurse sowie Materialverleih anbietet.
53°42‘09.3“N 8°01‘44.6“E
Schillig bietet je nach Hochwasser ein großes Stehrevier, das jedoch relativ flach ist und somit hauptsächlich zum Kiten einlädt – zum Windsurfen muss man etwas weiter rausfahren. Von West bis Nordwest sowie Nordost bis Südost sind viele Windrichtungen fahrbar. Unter Land findet man flaches Wasser, weiter draußen rollen wie in Hooksiel größere Dünungswellen, die zu hohen Sprüngen einladen. Wer es sich zutraut, kann den hohen Swell bei Nordwestwind zu einem etwa fünf Kilometer langen Downwinder Richtung Hooksiel nutzen. Man sollte sich jedoch vorher explizit mit den Strömungen und den Schutzzonen vertraut machen und sich ausreichend absichern. Am Strand und auf dem Wasser sind die Surf- und Kitezonen gekennzeichnet, und an diese sollte man sich auch strikt halten. Gerade in der Saison ist der Strand sowohl von Badegästen als auch von Wassersportlern stark frequentiert. Parkplätze sind in ausreichender Anzahl am Spot vorhanden. Vor Ort findet sich eine Surf- und Kitestation
53°31‘14.4“N 8°13‘57.8“E
Geparkt wird direkt am Spot auf einem relativ kleinen Parkplatz. Zum Aufriggen steht auch eine große Wiese zur Verfügung. Auch hier kann tiden- unabhängig gesurft werden. Durch die unmittelbare Lage zur Fahrrinne kann bei Niedrigwasser nach kurzem Fußmarsch die Wasserkante schnell erreicht werden. Bei Hochwasser hat man gerade bei südlichen Winden durch die Mole einen sehr schön geschützten Flachwasserspot. Wenn der Wind südwestlicher kommt, bilden sich am Ende der Mole steile Rampen, die sich gut eignen, um sich in die dritte Dimension zu katapultieren. Wer bei auflaufendem oder ablaufendem Wasser fährt, hat unter Land ein schönes Zeitfenster mit stehtiefem Wasser zur Verfügung. Beim Rausfahren stets die flache Mole im Blick behalten und erst überfahren, wenn der Wasserstand ausreicht.
53°42‘37.0“N 7°48‘31.3“E
Am großen Badestrand findet man einen klassischen Bump & Jump Spot. Gesurft werden kann lediglich westlich von der Mole, etwa zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Hochwasser. Parkplätze sind am Spot in ausreichender Größe vorhanden sowie ein traumhafter Stellplatz direkt an der Fahrrinne. Bei östlichen Winden ist das Wasser durch die Mole etwas ruhiger und lädt dazu ein, das Gaspedal weiter durchzudrücken. Ähnlich wie in Schillig auf die Kiter achten. Kiteschulung wird am Spot ebenfalls durchgeführt.
53°42‘08.0“N 7°42‘28.3“E
An einem der bekanntesten Spots der Region finden sich – bei den richtigen Bedingungen – die Freestyler der Region ein. Geparkt wird direkt auf dem Hafengelände. Ins Wasser kommt man über einen relativ rutschigen Einstieg. Solange die westlich liegende Mole nicht überspült wird, ist der Spot nahezu glatt planiert. Am besten startet man bei auflaufendem Wasser, etwa zwei Stunden vor Hochwasser. Sobald die Mole überspült ist, wandelt sich der Spot zu einem Bump & Jump Spot. Wer weit rausfährt, findet draußen einen rollenden Swell, in den sich die eine oder andere Halse oder ein Backsideturn reinzirkeln lässt. Bei östlichen Winden geht man besser auf der anderen Seite der Mole (am Strand) raus. Hier findet sich außerdem die Surfstation. Auch hier am Spot gilt: Wer gutes Timing hat, kann ein schönes Zeitfenster mit stehtiefem Wasser ausnutzen.
53°41‘15.8“N 7°37‘37.7“E
Der Spot gilt als ein kleiner Geheimtipp. Geparkt werden kann direkt hinter dem Deich auf einem Parkstreifen. Bei starkem Westwind findet man hier von zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Hochwasser einen durch eine herauslaufende Mole glattgebügelten Flachwasserspot. Eignet sich hervorragend für alle zum Freeriden oder Freestylen.
Das Wilhelmshavener Umland bietet aufgrund seiner halbinselförmigen Küstenlage und der damit verbundenen Südküste für jede Windrichtung und zusätzlich für jedes Surflevel den passenden Spot. Dazu zählen mehrere stehtiefe Gewässer, aber auch Spots, die schönen Swell und kleine Wellen zum Abreiten bieten. Besonders Anfänger und Aufsteiger kommen auf dem strömungsunabhängigen Binnengewässer Banter See voll auf ihre Kosten. Die Statistik verspricht ganzjährig eine gute Windwahrscheinlichkeit mit Verstärkung der Starkwindchancen im Frühjahr und Herbst. Die Wassertemperaturen sind dabei aufgrund des Wattenmeers immer deutlich wärmer als die der Ostsee. So wird zwar im Winter im warmen Neo mit Haube gesurft, im Sommer reicht jedoch auch der Shorty oder Kurzarm, wenn das Wasser auf Temperaturen jenseits der 20 Grad klettert.
Gerade die nördliche Küste ist touristisch stark ausgebaut. Es finden sich unzählige Ferienwohnungen in allen Preisklassen.Außerdem bietet Wilhelmshaven einen Wohnmobilstellplatz direkt am Südstrand. In Hooksiel, Schillig und Dangast gibt es Campingplätze direkt an der Küste. Wer zum Leben kommt, hat in Wilhelmshaven als Industriestadt mit Deutschlands größtem Bundeswehrstützpunkt eine gute Chance, seinen Traumjob am Wasser zu finden, bei gleichzeitig noch bezahlbaren Häusern und Mietpreisen. Außerdem bietet die Jade Hochschule mehr als 60 Studiengänge, die derzeit von etwa 4.000 Studierenden besucht werden.
Derzeit gibt es in Wilhelmshaven und Umgebung drei Schulen mit insgesamt fünf Wassersportstationen sowie einen Surfshop in Wilhelmshaven. Surfunterricht von Anfänger- bis Aufsteigerkursen und Materialverleih werden die ganze Saison von April bis Oktober angeboten.
Auch ohne Wind bietet die Region ihre Reize und Attraktionen: Alle Nordseeinseln sind per Fähre schnell zu erreichen und laden zu einem Tages- oder Wochenendtrip ein. Außerdem lassen sich sowohl die Seen als auch die Flüsse mit dem SUP erkunden oder die Umgebung auf einer Radtour mit Eiscreme am Strand verbinden. Wer es actionreicher möchte, kommt in Hooksiel bei der Wasserskianlage oder dem Aquapark auf seine Kosten. Wilhelmshaven bietet außerdem eine Auswahl an Museen, wie beispielsweise dem Wattenmeerhaus oder dem Marinemuseum.
Um das Maximum aus einer Session rauszuholen, ruhig einmal mehr als einmal zu wenig den Tidenkalender checken. Geht auch online.