Manuel Vogel
· 17.05.2025
Aus dem 10. Stock des Hochhauses in der Kieler Mercatorstraße hat man einen guten Blick auf das, worum es bei der ganzen Sache geht: Die Ostsee. So blau und makellos sie am Tage unseres Interviewtermins Anfang Mai daliegt, so düster sehen Experten ihren tatsächlichen Zustand: Überdüngung, Altlasten sowie schwindende Fisch- und Vogelpopulationen sind nur einige der Probleme, mit denen die Ostsee demnach zu kämpfen hat. Pläne für eine Verbesserung des Zustandes wurden bereits im 2022 ausgehandelten Koalitionsvertrag thematisiert, der ursprünglich angepeilte Nationalpark Ostsee scheiterte jedoch am breiten Widerstand, nicht zuletzt der Wassersportgemeinde. Beschlossen wurde stattdessen der Aktionsplan Ostseeschutz 2030, ein Maßnahmenpaket, welches auch die Wassersportlgemeinde betrifft. Inwiefern, das erklärt Umweltminister Tobias Goldschmidt im surf-Interview.
Die Einrichtung von Nationalparks sind immer große Vorhaben, und dabei ist es normal, dass es auch Widerstände gibt. Manchmal konnten diese überwunden werden, so wie beim Nationalpark Wattenmeer an der Westküste Schleswig-Holsteins. Und manchmal waren die Widerstände so groß, dass man sich seitens der Politik nicht dazu durchgerungen hat - so wie zuletzt beim Nationalpark Ostsee. Die laute Kritik hat mich daher nicht überrascht. Worüber ich allerdings erstaunt war, war dass Dinge behauptet wurden, die wir – der Ministerpräsident und ich – eigentlich früh klargestellt hatten, dass sie nicht so kommen würden.
Wir hatten immer betont, dass es auch in Schutzgebieten wie einem Nationalpark möglich sein würde, Wassersport zu betreiben. Bis heute steht immer noch im Raum, dass wir genau dies unterbinden wollten. Das war aber nie der Fall.
Ja, ich bin damals mit dem Konsultationsprozess schnell an die Öffentlichkeit gegangen. Der Grund war, dass wir sehr offen mit den Plänen umgehen und die einzelnen Interessensverbände frühestmöglich einbeziehen wollten. Wir wollten wissen, welche Bereiche als besonders schützenswert erachtet werden und welche Zonen umgekehrt für die Nutzung besonders relevant sind, etwa für die Fischerei, den Tourismus und die Wassersportler. Rückblickend hat der frühe Zeitpunkt und unsere Offenheit eine konstruktive Debatte nicht mehr zugelassen, sondern eher den Raum für Befürchtungen und Sorgen geöffnet. Das muss ich selbstkritisch einräumen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich während dieser teils sehr emotional geführten Debatte aus der Mitte der Wassersportgemeinde auch viel Zuspruch für die Nationalpark-Pläne erhalten habe. Trotzdem gibt es keinen Zweifel daran, dass die überwiegende Mehrheit der Wassersportler die Nationalpark-Pläne abgelehnt hat.
Wo es aber einen großen Konsens gab und gibt, ist, dass die Ostsee besser geschützt werden soll. Deshalb haben wir mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 eine Alternative auf den Weg gebracht, mit der wir sehr konkret darlegen, was wir machen wollen. Das hat die Debatte verändert. Und auf den Infoveranstaltungen, die wir als Landesregierung Anfang Mai an mehreren Orten entlang der Ostseeküste veranstaltet haben, hat sich der Ton deutlich verändert. Alle wissen jetzt, woran sie sind. Es ist klar, welche Einschränkungen kommen und welche nicht. Wir schauen gemeinsam nach vorne.
Dass die Pläne zum Nationalpark Ostsee so früh kommuniziert wurden, hat eher Ängste geschürt als einen konstruktiven Dialog gefördert. Da bin ich durchaus selbstkritisch
Es geht um 16 konkrete Maßnahmen, die die unterschiedlichen Probleme der Ostsee lösen sollen. Für die Umsetzung der Maßnahmen sind die entsprechenden Ministerien verantwortlich. Einige Punkte sind schon recht weit gediehen: Gegen die schädlichen Nährstoffeinträge in die Ostsee hat das Landwirtschaftsministerium mit den landwirtschaftlichen Verbänden eine ambitionierte Zielvereinbarung entwickelt, um die Frachten von Stickstoff und Phosphor bis 2030 und dann nochmal bis 2035 um jeweils zehn Prozent zu verringern. Das Umweltministerium hat Personal akquiriert für eine Meeresschutzstation, die sich um die Schutzgebiete kümmern wird, um nur einige Punkte zu nennen. Wir haben jetzt einen Plan, und den setzen wir schnellstmöglich um. Es ist ja ein Aktionsplan Ostseeschutz 2030.
Es gibt einen wissenschaftlichen Beirat unter Leitung des Ministerpräsidenten - das zeigt auch, welche Bedeutung wir dem Thema Kontrolle beimessen. In diesem Beirat geht es darum, wie die bestehenden Monitoring-Systeme so weiterentwickelt werden können, dass wir den Einfluss der Schutzmaßnahmen auch mitverfolgen und sehen können, ob der Aktionsplan den notwendigen Fortschritt bringt.
In den Natura 2000-Flächen Geltinger Bucht, Stoller Grund und Sagasbank, die 4,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Meeresfläche ausmachen, wird der Schutzstatus verstärkt. Das wird den Wassersport aber nicht betreffen, dieser bleibt hier ganzjährig erlaubt. Auf acht Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee, die als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden, beantragen wir eine Befahrensverordnung. Heißt konkret: Eine ganzjährige Geschwindigkeitsbegrenzung für Boote soll kommen, aber Wassersport bleibt weiterhin möglich. Nur von November bis Ende März wird es ein Wassersport-Verbot geben, weil hier Rastvogelschwerpunkte liegen, die besser zu schützen sind. Dies betrifft drei Gebiete - Teile der Hohwachter Bucht, das Gebiet westlich von Fehmarn und den Bereich Gelting bis zur Schleimündung.
Es wird im Naturschutzgebiet Schlei bis Gelting eine solche Zone geben, im Bereich westlich von Fehmarn zwei solcher Zonen. Hier kann also ganzjährig ohne Einschränkungen gesurft werden. Die genaue Festlegung der Zonen, also wo sie genau liegen und wie groß diese sein werden, werden wir im Laufe des Sommers 2025 erarbeiten. Dazu werden wir in den Dialog mit der Wassersportgemeinde gehen und schauen, wie wir einen Kompromiss zwischen Rastvogelschutz und Wassersport erreichen können. Ich bin sicher, dass das gut gelingen kann.
Das Naturschutzgebiet Hohwachter Bucht ist vergleichsweise klein, hier sind keine Korridore für eine Nutzung im Winter geplant.
Wir als jetzige Landesregierung sind hier ganz klar und werden genau das, was im Aktionsplan steht, beantragen und umsetzen. Nicht mehr und nicht weniger.