Tobias Frauen
· 09.07.2023
Letzter Tag beim World Cup in Pozo, letzte Chance, die Double Eliminations der Damen und Herren zu Ende zu fahren. Der Wind ist wie immer da, nicht der Pozo-typische Überhack, aber locker genug. Was fehlt, sind die Wellen. Gegen Abend versprach die Vorhersage einen einsetzenden Swell, alle hofften darauf, dass er etwas früher eintreffen möge. Nach einigen Verschiebungen ging es dann gegen Mittag tatsächlich los, zwei Sprünge und eine Welle gingen in die Wertung ein.
Die Bedingungen waren nicht einfach: Gute Absprungrampen waren rar, geeignete Wellen für optimale Wellenritte noch viel seltener. Zumal die Judges vorher hatten durchblicken lassen, dass sie Frontside-Turns höher bewerten als Backside-Ritte, Takas und ähnliches, was auch im Weißwasser machbar ist. Die Devise in vielen Heats hieß also, zuerst die Sprünge zu zeigen und dann auf gute Wellen zu hoffen. “Auf einer guten Welle ein paar stylische Moves zu zeigen, ist nicht so schwer”, analysierte Kommentator Ben Proffitt. “Das Problem ist heute, so eine Welle überhaupt zu finden.”
Zur Erinnerung: Die Single Elimination am vergangenen Samstag hatte mit bis zu 50 Knoten und super Wellen herausragende Bedingungen, die erste Runde der Double Elimination ist dann schon am Sonntag gefahren worden. Jetzt musste Moritz Mauch zuerst ran, er gewann gegen Hayata Ishii und Antoine Albert mit hervorragenden Wellenritten und der bis dahin höchsten Wertung des Tages. Julian Salmonn unterlag gegen den Polen Adam Warchol, für Moritz Mauch war dann eine Runde später gegen Josep Pons Schluss.
Philip Köster, nach dem frühen Aus in der Single Elimination in Zugzwang, hatte es zunächst mit Jake Schettewi zu tun. Keine Spur von Einschränkungen durch seine Fuß-Verletzung, sehr gute Sprünge und mit 8 Punkten die bis dahin beste Wave-Wertung des Tages. Auch gegen Robby Swift ging Köster mit einem sehr guten Double Forward früh in Führung und gab sie bis zum Ende nicht mehr her. Anschließend wartete niemand Geringeres als Victor Fernandez. Doch der Spanier machte den Eindruck, nicht in Form zu sein, er fuhr zwar solide, hatte aber keine Chance gegen Köster.
Der weitaus spannendere Heat lief parallel: Antoine Martin holte mit einem Stalled Double gleich zu Beginn die höchste Sprung-Wertung des Tages (9,38) und führte lange gegen Alessio Stillrich. Der Local zeigte ebenfalls herausragende Sprünge, kam aber in der Wellen-Wertung nicht an Martin heran. Erst kurz vor Ende holte er 5,5 Punkte und lag damit exakt punktgleich. In diesem Fall zählte die bessere Welle, die Stillrich in die nächste Runde brachte, dort wartete dann Köster.
Der fünfmalige Weltmeister ließ auch hier nichts anbrennen, holte mit 22 Punkten die höchste Heat-Wertung des Tages und beendete die Aufholjagd von Alessio Stillrich. Gegen Leon Jamaer gab es dann im nächsten Heat ein deutsch-deutsches Duell. Jamaer hatte Adam Warchol und - im letzten Moment des Heats - Josep Pons geschlagen, doch gegen Köster war dann Schluss. Wie üblich, hatte Köster gleich zu Beginn einen sehr guten Sprung hingelegt, Leon hatte lange die bessere Wellen-Wertung. Doch kurz vor Schluss zauberte Philip noch eine Sechser-Welle und kam knapp in die nächste Runde weiter.
Doch gegen Marc Paré kam Köster nicht in den leichtfüßigen Flow, der ihn fünf Heats bis hierher getragen hatte. Möglicherweise tat auch der verletzte Fuß wieder weh, jedenfalls konnte er dem frischen Paré wenig entgegensetzen. Am Ende Platz fünf für ihn nach einer beeindruckenden Aufholjagd. Paré kam dann gegen Ricardo Campello weiter und ging gegen Marino Gil Gherardi in den Heat um Platz zwei. Dort ging es spektakulär zu: Die beiden guten Freunde zeigten nahezu identische Doubleloops auf der gleichen Welle, kurz danach noch zwei synchrone Backloops - und das im ersten Run des Heats! Marino hat erst im Mai dieses Jahres den Doppelloop gelernt und warf unter dem lauten Jubel seiner Fans am Strand Paré raus.
Marino Gil, der 20 Jahre alte Pozo-Local, traf also nach dem Finale der Single Elimination erneut auf seinen Goya-Kollegen Marcilio Browne. Brawzinho zeigte gleich auf dem ersten Run zwei nahezu perfekte Sprünge und sah über weite Teile des Heats schon wie der sichere Sieger aus. Doch zwei Minuten vor dem Ende erwischte Marino Gil eine ideale Welle für einen 360er und einen Frontloop off the lip. Beim Rausfahren setzte er dann mit einem Doubleloop noch einen drauf und zog hauchdünn an Brawzinho vorbei.
Also hieß es ab ins Superfinale, Browne verbrachte die Pause bis dahin in Gedanken versunken am Strand. Kann er das Ding nochmal herumreißen oder ist das Momentum bei Marino Gil, der in Pozo schon frenetisch gefeiert wurde. Während Brawzinho den Heat wie gewohnt mit soliden Sprüngen eröffnete, gelang Gil jedoch zunächst fast gar nichts. Erst in der zweiten Hälfte der 14 Minuten kam er langsam in Fahrt und rückte in der Sprung-Wertung dicht an Brawzinho heran, fand jedoch keine guten Wellen. Der Sieger von Pozo heißt als erstmals Marcilio Browne!
Auch die Damen starteten im Verlauf des Nachmittags in ihre Double Elimination. Im Gegensatz zu den Herren hatten sie heute bessere Bedingungen als in der Single am Sonntag, berichtete Lina Erpenstein im Livestream. Alexia Kiefer-Quintana warf an ihrem Homespot zunächst Maria Behrens raus, in der nächsten Runde gewann sie dann in letzter Minute gegen Maria Morales. Lina Erpenstein, nach der Single Elimination nur auf dem geteilten Platz fünf, traf in ihrem ersten Heat auf Coco Foveau, Dritte beim World Cup in Fiji. Doch Foveau knallte bei einem Frontloop mit dem Kopf auf ihren Mast, sie konnte sich anschließend nicht mehr an den Rest ihres Heats erinnern und musste im Krankenhaus genäht werden.
In der nächsten Runde musste Lina Erpenstein dann gegen die 13 Jahre alte Sol Degrieck ran, die sie im vergangenen Jahr in der Single besiegt hatte. Dieses Mal ließ sie der jungen Belgierin jedoch keine Chance. Im Parallel-Heat gewann Alexia Kiefer ihrerseits souverän gegen Isabel Trivino Delgado, dieses Duell hatte es auch in den Junioren-Heats schon mehrfach gegeben. Alexias gar nicht so geheime Waffe ist ihr Backloop, der ihr heute in vielen Heats die nötigen Punkte gebracht hat.
Doch im nächsten Heat war gegen Lina Erpenstein Schluss. Alexia fehlte am Ende eine gute Welle, die Lina Erpenstein gleich zu Beginn auf dem Scoresheet abhaken konnte. Lina wiederum gewann auch in der nächsten Runde gegen Justyna Sniady und wäre dann auf Iballa Moreno getroffen. Wegen einer Knieverletzung konnte Iballa jedoch nicht antreten, so dass Lina mindestens der dritte Platz sicher war. Gegen Sarah-Quita Offringa sah es dann lange so aus, als ob die Windsurf-Queen ihren zweiten Platz locker nach Hause fahren könnte, doch kurz vor Schluss des Heats machte Lina es dann mit einer sehr guten Welle noch einmal spannend. Bei punktgleichen Backloops gab am Ende die hauchdünn bessere Frontloop-Wertung den Ausschlag für Sarah-Quita, Lina Erpenstein beendete den Event also auf Platz drei.
Das Damen-Finale zwischen Sarah-Quita und Daida Moreno war dann an Spannung und Drama kaum zu überbieten. Der Wind war inzwischen immer wechselhafter geworden, Böen mit einem leicht nördlichen Einschlag machten die Bedingungen noch einmal schwieriger. Im ersten Run sprang Daida einen Backloop, bei dem ohne erkennbaren Grund ihr Mast brach. Nach einer längeren Schwimm-Einlage ging es für sie mit Ersatz-Material weiter, während Offringa souverän ihre Punkte sammelte.
Eigentlich war der Heat durch, der Sieg für Sarah-Quita und damit der Weg ins Superfinale schien klar. Doch Daida kämpfte sich bis auf einen Punkt wieder heran und erwischte kurz vor dem Ende des Heats die beste Welle des Tages: Mit einem Mega-360er und radikalen Turns holte sie 8,75 Punkte und drehte den Heat. Zum Schluss setzte sie sogar noch zu einem Doppelloop an, nachdem sie die Livestream-Drohne zur besten Sprungrampe dirigiert hatte. Was für ein Heat, was für ein Comeback!