Stephan Gölnitz
· 17.09.2025
“Der sieht aber gut aus” - andere Kommentare hört man zu der exklusiven LTD-Bauweise im Custom-Look überwiegend nicht. Das Board mit den drei Finnen hat unbestritten einen hohen Grabbelfaktor. Da will man einfach mal über die glänzend lackierte Nose streicheln (eigentlich ist das aber so, damit das Segel beim Aufholen nicht unnötig geschmirgelt wird) - oder an die besonders schlanken Rails fassen.
Peter Thommen setzt auch bei dem Freerideboard Ride, ebenso wie beim großen Thommen Gleitwunder 165 aus unserem Frühgleit-Test, auf ein flaches, langes und eher schmaler gehaltenes Shape-Konzept mit drei Finnen. Schauen wir uns das im Detail an: Der Shape des Tommen Ride 120 LTD ist sowohl im Unterwasserschiff als auch im Deck-Design extrem flach gehalten, mit sehr wenig Aufbiegung zum Bug hin. Die noch sehr breite Nose weist ein durchdachtes Detail auf: Hier wurde weitflächig auf Standlack verzichtet. Stattdessen findet sich glänzend gefinishtes Laminat, was das Segel beim Aufholen schont. Der Standlack selbst ist angenehm griffig, ohne übermäßig rau zu sein. In der Mitte des Boards befindet sich eine praktische Griffmulde wie bei SUP-Boards, die das Tragen erleichtert. Diese kann mit einem Schaumstoffklotz verschlossen werden, um ein versehentliches Hineinrutschen mit dem Zeh zu verhindern.
Der Unterwassershape präsentiert sich weitgehend plan mit einer Doppelkonkave, die jedoch fast ohne V-Form auskommt. Diese Doppelkonkave ist moderat ausgeprägt. Im vorderen Bereich der Gleitfläche fallen starke seitliche Bevels auf – die Doppelkonkave beschränkt sich hier auf zwei schmale Schläuche im Mittelbereich, während die Gleitfläche zum Rail hin wieder plan verläuft. Die Rails selbst sind durchgehend für diese Brettklasse extrem dünn mit einem sehr kleinen Radius.. Auch im Deck zeigt sich vorne eine leichte Konkave in Längsrichtung, die durch diese Konstruktion für zusätzliche Steifigkeit sorgen soll – ein Prinzip, das von Tragprofilen bekannt ist. Das Heck präsentiert sich als Swallow Tail mit Winger, eine heute selten gewordene Form, die dem Board eine attraktive Optik verleiht.
Die Kombination aus dem Step Rail (siehe Fotostrecke) und den weit innen liegenden Schlaufen auf einem gewölbten Deck sorgt für entspannte Haltung der Fußgelenke in den Schlaufen. Vor allem aber auch, weil die Finnen kein großartiges Kentermoment erzeugen. Auf Boards mit großen Single-Finnen (bei 125 Liter etwa um die 38 - 40 cm) ist eine so weit innen liegende Position für sportlich angepowertes Freeriden oft weniger bequem.
Trotz seiner 120 Liter wirkt das Thommen Ride 120 LTD durch seine geringere Breite im Vergleich zu anderen Boards dieser Volumenklasse beim Angleiten agiler und etwas wackeliger. Es nimmt dennoch Dank seiner großen Länge und flachen Angleitkurve bereits leichten Wind zum Angleiten gut an, rutscht zunächst in ein Halbgleiten und ermöglicht so einen problemlosen Einstieg in die Fußschlaufen. Auch weil viel Platz zwischen Schlaufen und Rail besteht. In der Beschleunigungsphase macht sich jedoch bemerkbar, dass der Gegenhalt einer großen, langen Finne mit entsprechendem Hebel fehlt – das Board braucht einfach etwas Zeit, um auf maximale Geschwindigkeit zu kommen. Mit normalem Druck im Segel kann man sich dann aber besonders entspannt in den Schlaufen positionieren und im Trapez abhängen.
Hier beginnt der stressfreie Teil des Fahrens: Das Board benötigt nahezu keine Körperspannung, um auf Kurs zu bleiben. Die Nase bleibt stets unten, bei leichtem Wind gefühlt sehr flach, bei starkem Wind völlig problemlos. Es gleitet frei über alle Kabbelwellen hinweg, ohne dass man gezielt mit dem hinteren Fuß pressen müsste. Seitliches Rollen ist dem Board weitgehend unbekannt. Das bei manchen Boards permanent notwendige und anspruchsvolle Stabilisieren der Gleitlage durch Druck mit den Zehenspitzen des hinteren Fußes entfällt hier weitgehend. Allerdings suchen sehr leistungsorientierte Freerider hier den Druckpunkt für den “Kick Down” auch vergeblich, das Board lässt sich nicht wie eine Slalomboard ausschließlich “über die Finne” surfen. Das Board gleitet tatsächlich eher stabil auf der Gleitfläche und das in einem sehr breiten Windbereich. Man hat fast das Gefühl, man könnte auch vom Brett fallen und der Glide würde dennoch - wie ein Geister-Board herrenlos alleine - über die Meere weitersurfen.
Mit dem 7,2er-Quadratmeter-Testsegel erreicht das Board im Test gefühlt sein sinnvolles oberes Segel-Limit. Im unteren Gleitbereich kann damit man zwar Höhe halten, jedoch nicht so effektiv wie mit einem Single-Fin-Board. Bei permanentem Surfen im unteren Gleitwindbereich ist man deshalb etwas mehr mit dem Höhehalten beschäftigt, was sich dann bei normalem Druck im Segel bessert. Mit zunehmendem Wind entfaltet das Board seine wahren Stärken – je mehr Wind, desto wohler fühlt es sich, wobei der ausgewogene Druck auf beiden Füßen konstant bleibt. Vollgasfahrten sind dann auf allen Kursen möglich, selbst mit einem angepowerten 5-Quadratmeter-Segel, ohne dass ein Finnenwechsel nötig wäre, denn die kleinen Heckfinnen entwickeln auch bei hoher Geschwindigkeit niemals problematischen Hebelkräfte. Das Board gleitet jederzeit flach übers Wasser und stabil um alle Achsen, ohne dass viel Fußarbeit nötig wäre.
Bei engen Halsen spielen das kleine Heck, die drei Finnen und die dünnen Rails ihre Stärken aus – aus voller Fahrt lässt sich das Board mit extrem sicherem Grip und besonders eng um die Ecke schnalzen. Mittlere Halsen gelingen ebenfalls mit guter Geschwindigkeit, wobei das Board nicht der allerbeste Durchgleiter ist und etwas aktivere Steuerung erfordert. Der erforderliche Fußdruck ist angenehm gering und auch für leichtere Personen gut dosierbar. Nur bei radikalen Carving-Jibes ist zumindest etwas Vorsicht geboten, da sich die dünnen vorderen Rails auch leicht mal in einer Kabbelwelle festbeißen können. Denn entgegen der landläufigen Annahme, dass dünne Kanten in der Halse nur Vorteile bieten, erzeugen diese auch etwas weniger Auftrieb, was zum ungewollten Abbremsen führen kann. In glatterem Wasser sind kontrollierte Carves dagegen sehr sportlich und schnell möglich, bei sehr kabbeligem Wasser empfehlen sich eher enge oder klassische, mittlere Powerhalsen.
Das Thommen Ride 120 LTD ist eindeutig ein komfortorientiertes Board, dessen Stärken in der Kontrollierbarkeit, dem einfachen Geradeausfahren, problemlosem Losfahren und einem breiten Einsatzbereich liegen. Mit 7 Quadratmetern Segelfläche wirken die Finnen im untersten Gleitwindbereich etwas überfordert, ohne dabei ein echtes Spin-Out zu verursachen – die Führung ist dann nicht mehr hundertprozentig. Der ideale Segelbereich liegt eher zwischen 6,7 und 5,0 Quadratmetern, womit sich aber ein großes Spektrum an Bedingungen abdecken lässt. Das Board entfaltet sein Potenzial nicht maximal bei Bedingungen am unteren Windlimit, sondern bei normalem Freeride-Wind. Es richtet sich an Fahrer, die entspanntes Surfen bevorzugen und nicht im permanenten Renn- und Sportmodus unterwegs sein wollen. Der Thommen Ride 120 LTD ist kein aufgemotzer Freeracer, sondern ein klassisches Freeride-Board für Genießer, die Wert auf Kontrolle und Komfort legen und dabei auf sportliche Höchstleistungen verzichten können. Die Gleitlage ist eher flacher, der Shape absorbiert gelegentliche Aufsetzer in der Kabbelwelle aber mit angenehmer Dämpfung.
Das Ride ist ein spezielles Board, das sich nicht als ein weiterer beliebiger Vertreter in die Freeridekategorie einreiht. Das sollte man vor einem Kauf bedenken. Das Board steht für sehr gute Kontrolle, einfaches Angleiten und entspanntes, komfortables Freeriden in einem breiten Windbereich - auch dann noch, wenn es für vergleichsweise kleine Segelgrößen schon ordentlich bläst. Vom 3-Finnen-Konzept darf man dagegen keine Leistungswunder im unteren Gleitwindbereich erwarten. Die Fahrleistungen sind ordentlich, aber denen von Boards mit einzelner, langer Center-Finne nicht ebenbürtig. Auf schnellen Raumwindkursen wirken die drei Finnen dennoch leichtfüßig und widerstandarm. Ordentlich angepowert, wenn vor allem die Kontrolle zählt, kann der Glide seine Stärken zeigen.
Infos unter thommen1.com