Zwanzig Jahren, in denen ich Chefredakteur des niederländischen Magazins Motion Windsurf bin, habe ich unzählige Texte über den Frontloop geschrieben. Geschichten über die Überwindung von Ängsten, über Engagement und den Glauben an sich selbst und sogar das Happy End. Doch irgendetwas störte mich. Jedes Mal, wenn ich einen Motivationstext schrieb, wie „Jeder kann es schaffen, man muss es nur tun!“, fühlte es sich ein bisschen heuchlerisch an: Denn ich loopte gar nicht (mehr). Und genau das sollte sich dieses Jahr ändern. Es war an der Zeit, das Geheimnis des Frontloops zu entschlüsseln.
Meine persönliche Hassliebe zum Frontloop begann bereits im Sommer 1999. Als Surflehrer in der Türkei habe ich zum ersten Mal echte Loops aus der Nähe gesehen. Gesprungen von meinem Chef Jörg, einem kräftigen Herrn in den Dreißigern, der ab und zu in seinen XL-Neoprenanzug sprang, um für eine kleine Show zu sorgen. Der Mann war alles andere als fit, musste sich beim Treppensteigen ausruhen, sprang auf dem Wasser aber einen sauberen Loop nach dem anderen. Natürlich konnte ich nicht nachstehen, und nach langem Überlegen und vielen Fragen an Jörg (Welches Board nehme ich am besten? Geht das mit jedem Segel? Was passiert, wenn man nicht dreht? Wann genau soll ich dichtholen?) habe ich mich schließlich dazu entschieden, loszulegen. Ich fuhr raus in Richtung Horizont, und als ich genug Mut aufbrachte (ich befand mich mittlerweile über einen Kilometer vor der Küste), setzte ich endlich zum ersten Versuch an. Steif vor Adrenalin warf ich mich nach vorne, bevor ich überhaupt abgesprungen war. Natürlich hat es mich somit richtig zerlegt, und obwohl die Schmerzen eigentlich nicht so schlimm waren, habe ich den Frontloop sofort wieder an den Nagel gehängt – schade.
Frontloop-Tutorials mit Florian Jung
Erst im Jahr 2005, als ich meine Angst überwunden hatte, habe ich mich dann zum ersten Mal wieder richtig ins Zeug gelegt. In Jericoacoara, in Brasilien, ging es bei Wind von rechts endlich richtig vorwärts. Ich landete noch nicht sauber, aber der Zauber der Rotation war gebrochen – dachte ich. Leider haben ein Dutzend Stürze in Kapstadt, bei Wind von links, meinen Wunsch zu Loopen anschließend wieder in den Hintergrund gedrängt. Tschüss Tapferkeit, willkommen zurück Angst.
Es war nicht so, dass ich es nie wieder versucht hätte. Ein paar Jahre später habe ich auf Teneriffa einen Tag lang alles gegeben, aber rückblickend machte ich technisch meistens nur Blödsinn. Von Angst gelähmt, schaltete ich mein Gehirn aus, schloss die Augen und warf mich nach vorne. Die Abgänge waren nicht ohne, und ich kroch zurück in mein Schneckenhaus.
In den letzten zehn Jahren habe ich immer wieder einen „Entschuldigungsfrontloop“ gemacht, wenn ich mal kurz in der richtigen Stimmung war. Allerdings handelte es sich lediglich um unausgegorene Versuche. Nach dem Motto: Schau mal, ich traue mich immer noch. Aber jetzt schnell wieder Wellen abreiten. Nicht die richtige Technik, keine Analyse und nicht genug Übung.
Das ist doch kein Problem, könnte man sagen, aber irgendwie nervte mich die Situation. Und so verwandelte sich meine Angst vor dem Loop im Laufe der Jahre in „Loopscham“.
Redakteur Marcelino Lopez hat dies in unserem Looptagebuch aus dem Jahr 2006 sehr treffend beschrieben: „Die Angst vor dem Frontloop ist für die Mehrheit der Surfer völlig berechtigt, aber wenn man selbst ein guter Waver ist und die Mehrheit seiner Freunde und Bekannten aus Hardcore-Windsurfern besteht, die ohne Probleme Doubles machen, ist es eine andere Geschichte.“
Wie konnte es dazu kommen? Ich kann hier eine lange Liste zusammenstellen: vier Schulteroperationen, mein Alter, die Angst vor Verletzungen. Sätze wie: „Ich bin einfach kein großer Springer.“ Oder: „Ich bevorzuge eben das Wellenabreiten.“ Alles wahr, aber im Grunde ist es eigentlich ganz einfach: Ich bin verängstigt, habe Schiss davor, auf die Fresse zu fliegen. Wörtlich, aber vielleicht auch im übertragenen Sinne. Und so windsurfte ich weiter. Hier und da ein Sprung, Wellenabreiten und raushüpfen durch die Brandung – ohne Rotationen.
Als ich am ersten Teil meines Artikels „Das Geheimnis des Frontloops“ arbeitete, handelte es sich um ein Geheimnis, das ich selbst nicht kannte. Während ich damit begann, den Artikel zu schreiben, verspürte ich zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich wieder den Wunsch, den Frontloop zu lernen. Ich hatte das Gefühl, dass dies ein Wendepunkt in meinem Windsurf-Leben sein könnte. Ich wollte noch einmal alles geben, um meine Angst vor dem Loop zu überwinden.
Was ich brauchte, war ein richtiger Anreiz. Ein Versprechen, das ich halten muss. Und was macht man in solch einem Fall als Chefredakteur eines Windsurf-Magazins? Genau, man plant einen Artikel, der auf einem Selbstversuch basiert. Eine Nachfolgegeschichte zu meinem Looptagebuch aus dem Jahr 2006, in der ich mich meinen Ängsten stellen muss – und es wäre mir richtig peinlich, wenn ich das nicht schaffe. Ich schrieb eine Nachricht an Flo Jung, und es wurde arrangiert: „Komm Ende September zu meinem Wave-Camp in Klitmøller, und du springst garantiert einen Frontloop“, so Coach Flo. Alles klar, let’s go!
Als Vorbereitung auf meinen Loop-Trip beschließe ich, alles zu tun, um so fit wie möglich an den Start zu gehen. Auf Instagram bin ich auf eine Anzeige von „Flipping Art“ gestoßen: zwei Jungs, die dir garantiert innerhalb von 30 Tagen den Front- und Backflip beibringen (oder du bekommst dein Geld zurück!). Ich dachte, ein bisschen mehr Körpergefühl in der Luft würde nicht schaden. Außerdem habe ich ein Online-Training bei der Profi-Windsurferin Sarah Hauser aus Maui gebucht. Sie ist nicht nur knallhart in den Wellen unterwegs, sie ist auch die Fitnesstrainerin des Weltmeisters Marcilio Browne und Erfinderin des „Solid Shoulders“-Kurses – genau das, was ich brauche.
Um meiner Mission noch mehr Druck zu verleihen, erzähle ich außerdem jedem, der mir zuhört, dass ich nach Dänemark fahren werde, um den Frontloop zu absolvieren. Und zu guter Letzt habe ich mir für den Selbstversuch noch zwei brandneue Duotone Boards und eine ganze Reihe North Sails ausgeliehen. Jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück.
Doch dann holt mich die Realität ein: ein Knie, das nicht richtig mitspielt, eine Schulter, die wieder anfängt, sich zu melden, und dazu noch eine leichte Grippe, die mich vom Wasser fernhält. Somit stehe ich nach einem arbeitsreichen Monat im Büro und zwei trainingsfreien Wochen wieder ganz am Anfang. Vorsätze machen ist nicht schwer, doch diese in die Tat umzusetzen, das ist eine andere Geschichte.
In letzter Minute vor der Abreise trifft glücklicherweise noch ein kleines Paket mit zusätzlicher Motivation in Form eines brandneuen Helms und einer Prallschutzweste bei mir ein. Mit dem Helm auf dem Kopf betrachte ich mich im Spiegel: „Du wirst es einfach machen, Alter! Fit oder nicht, du schaffst das!“ Ich lache über mein Calimero-Gesicht unter der hellgrünen Eierschale. Ich werde es einfach tun, oder?
Wir treffen uns in einem typisch dänischen Haus in Klitmøller. Die Gruppe besteht aus sechs Personen, von denen die meisten angeben, dass sie die Woche vor allem dazu nutzen wollen, mehr Erfahrungen auf dem offenen Meer und in der Brandung zu sammeln. Auf den ersten Blick keine echten Sparringspartner, bis Zahnarzt Holger (44) beiläufig angibt, dass er neben dem Erlernen des sanften Halsens zwischen den Wellen auch den Frontloop ausprobieren möchte. In meinem Kopf passen diese beiden Dinge nicht gut zusammen, aber warum nicht? Vielleicht geht man den Frontloop genau so an: ohne Zögern und Erwartungen.
Wir fahren nach Hanstholm. Der Wind wird langsam stärker, aber die Richtung ist noch nicht ideal. Es gibt kaum Wellen zum Springen. Coach Flo Jung gibt mir zwei Aufgaben: den „Frontloop-Off-the-Board“ und eine Wymaroo-Variante, bei der man das Board mit den Fußschlaufen, ohne zu springen, weit windabwärts steuert und dann das Segel schließt. Ich schnappe mir mein 95-Liter-Trifin und ein 5,8er-Segel, ziehe meine Prallschutzweste an und setze den Helm auf. Time for Business!
Nach einem kurzen aufmunternden Gespräch geht es los. Mein erster Schlag nach draußen. Lars Bubelach, 19-jähriges Wave-Talent und Flos Assistent, wird es noch einmal auf dem Wasser demonstrieren. Das ist großartig, denn ich habe ein bisschen Angst, dass ich direkt mit dem Mast die Nase des brandneuen Boards zertrümmern werde.
„Das wird nicht passieren“, meint Lars und springt kurzerhand einen normalen Frontloop statt einen „Off-the-Board“. Ob er das tut, um mich zu ärgern, oder ob er einfach mein Deutsch nicht versteht? Ich weiß es nicht, aber es funktioniert. Ich bin motiviert.
Es ist anstrengender, als ich dachte, aber ich kann nicht aufhören und werde immer besser.
Also, vorderen Arm ausstrecken, mit der hinteren Hand an der Gabel weit hinten greifen, abspringen, Kopf nach hinten und dichtziehen. Bam! Ich fliege durch die Luft, mal zu sehr gestreckt, dann wieder kompakt. Die Prallschutzweste erfüllt bei den Landungen auf dem Rücken ihren Zweck. Es ist anstrengender, als ich dachte, aber ich kann nicht aufhören und werde immer besser. Auch die Wymaroos funktionieren ganz gut. Die Bewegungen helfen mir, ein Gefühl für die Loop-Bewegung zu bekommen.
Eigentlich ist es gut, dass der Wind noch nicht so stark weht. Im Gegensatz zu meinen „Entschuldigungsloops“ möchte ich diese Woche genau nach Plan vorgehen. So hoffe ich zu vermeiden, dass ich sofort wieder unkontrolliert crashe und desillusioniert aufgebe. Oder noch schlimmer: mich selbst zerstöre. Ich merke schon, dass ich mich auf echten Wind und Wellen freue. In drei Tagen wird ein Sturm vorhergesagt, und ich kann es kaum erwarten. Ich fange an daran zu glauben.
Zurück im Haus bemerke ich die erste Blase an meinen Händen – gute Arbeit.
Ich wache gebrochen auf. Der Muskelschmerz von den vielen harten Einschlägen gestern hängt wie eine Decke der Müdigkeit über meinem ganzen Körper. Doch gleichzeitig bin ich maximal motiviert durchzuhalten, abgewechselt mit – ehrlich gesagt – dem Wunsch, alles hinter mir zu haben. Aber wie Flo bei unserem täglichen Briefing sagt: „Zu einem wahrhaftigen Erfolgserlebnis tragen die Rückschläge genauso bei, wie der Erfolg selbst.“ Es wird nicht das letzte Mal sein, dass er seine philosophische Seite zeigt.
Nach einer kurzen Yoga-Einheit schauen wir uns gemeinsam die Videos vom Vortag an. Neben der Erkenntnis, dass ich meinen Vorderarm noch mehr strecken kann und noch deutlich breiter an der Gabel greifen sollte, ergibt sich für mich auch die Erkenntnis, dass ich bei den meisten Versuchen ein sehr grimmiges Gesicht mache – schrecklich.
Flo lässt mich wissen, dass es sich bei einem Frontloop eigentlich nicht um eine 360-Grad-Drehung handelt. Zumindest nicht, wenn man vor dem Absprung deutlich abfällt. Nutze dies zu deinem Vorteil, scheint er mir damit sagen zu wollen. Außerdem lässt er sich folgende magische Formel einfallen: Abspringen, bis eins zählen, dabei strecken, dann dichtholen und klein machen, dabei nach hinten über die Schulter schauen und die Hüfte öffnen. Ich finde, das sind ziemlich viele Schritte, die ich mir merken muss, besonders wenn ich mich mit Höchstgeschwindigkeit einer unberechenbaren Sprungrampe in Form einer Welle nähere. Auf dem Weg zum Spot in Agger, der eine halbe Stunde Fahrtzeit südlich von Klitmøller liegt, spiele ich den gewünschten Film in meinem Kopf ab. Die Fahrt dorthin führt durch den Nationalpark Thy und wirkt beinahe meditativ auf mich. So gerate ich langsam in Trance für den nächsten Schritt.
In Agger angekommen, sehen wir draußen sehr schöne Wellen, die vor uns als kerniger Shorebreak auf den Kiesstrand fallen. Der Wind weht stark. Das ist gut, denn ein kleineres Segel rotiert schneller. Bevor ich aufs Wasser gehe, geht Flo mit mir den Gameplan für die heutige Session durch: „Versuche zuerst, ein gutes Gefühl für die Bedingungen zu bekommen. Reite eine Welle ab, mach einen normalen Sprung. Sobald du aufgewärmt bist, probierst du es einfach mal. Versuche spielerisch damit umzugehen, so wie es ein Kind tun würde. Es soll Spaß machen, warum solltest du es sonst tun?!“
Er schlägt vor, dass er mitfährt, einen Frontloop springt, und dass ich auf derselben Welle einen kleinen Sprung mache. Ich merke, dass mir ein kleiner Sprung in dieser Phase fast zu wenig ist, ich habe genug rumgebastelt, möchte die Schwelle lieber direkt überwinden und rotieren. Nach mehreren Beinahe-Versuchen, bei denen ich meine hintere Hand am Gabelbaum bereits weit hinten platziert habe, sie dann aber kurz vor der Welle wieder zurückgeschoben und damit abgebrochen habe, versuche ich es endlich. Doch es ist ein verzweifelter Versuch, weil ich nicht wirklich rotiere und wie ein toter Vogel vom Himmel falle. Ich ertrage den Schmerz mit einem Lächeln im Gesicht, denn das Tor wurde hiermit für die heutige Loop-Session geöffnet.
Auf dem nächsten Schlag probiere ich es wieder. Ich springe über eine kleine Welle, schließe die Augen und ziehe den Gabelbaum an mich ran. Es dauert ewig, bis ich einschlage – zufff – ich spüre die Beschleunigung in meinem Bauch. Meine Füße sind aus den Fußschlaufen gerutscht, doch ich habe – wenn auch ohne Brett – eine volle Rotation hingelegt! Habe ich gerade fast einen Frontloop gemacht?
Flo surft begeistert nebenher. „Das war einer!“, jubelt er. Ich kann einen kurzen Schrei nicht unterdrücken und mache schnell einen Wasserstart. Ich bin auf den Geschmack gekommen und mache noch vier Versuche. Ich drehe nicht so weit wie eben, aber wie Flo sagt: „Das war die halbe Miete!“ Jetzt geht’s an die zweite Hälfte.
Heute fühlt sich meine Frontloop-Mission bereits eher wie ein Bedürfnis, als nur nach einem Wunsch an. Auf dem Weg nach Agger machen wir Halt in Vorupør. Ein Blick über die Dünen zeigt eine riesige Bucht, in die saubere, schulterhohe Wellen hineinrollen. Der leichte Wind macht es perfekt für eine Handvoll Wellenreiter. Ich hätte auch Bock, mich auf ein Brett zu legen, heute mal nicht springen und nicht die ganze Zeit auf die Fresse fliegen.
Auch in Agger ist der Wind heute eher schwach. Die Wellen hingegen sind gelegentlich masthoch. Ich schnappe mir das gleiche Set-up wie gestern, schraube eine GoPro an den Gabelbaum schmeiße mich ins Duell mit dem Shorebreak. Als ich es nach fünf Minuten endlich durch den Shorebreak nach draußen schaffe, merke ich erst, wie müde ich bin. Ich erwische eine Welle, werde in den Shorebreak gespült und verliere mein Segel und Brett. Zurück am Strand, keuche ich. Keine zehn Minuten auf dem Wasser, und ich bin völlig erschöpft.
Etwas später nimmt der Wind zu. Ich reiße mich zusammen und trotze erneut dem Shorebreak, auf der Suche nach einer Rampe (und Mut) für einen fetten Frontloop. Nach einer vergeblichen Strecke, auf halbem Weg nach Schottland, finde ich auf dem Rückweg eine logohohe Welle, die sich schön abreiten lässt, und schlage einen Cutback voll an die Wellenlippe. Ich fliege mit Schaum um die Ohren herunter. Ich schaffe es knapp, dem Weißwasser zu entkommen und nicht gewaschen zu werden. Ich muss laut lachen! Es geht zwar gerade nicht vorwärts mit dem Vorwärts, aber der Adrenalinspiegel ist mindestens genauso hoch.
Bei böigem Wind mache ich schließlich drei Frontloop-Versuche, aber heute will es einfach nicht klappen. Mir schwirrt der Kopf von all den Tutorials und Ratschlägen. Mein Körper macht nicht das, was mein Kopf ihm sagt. Ich versuche, die positiven Aspekte dieser Session zu sehen. Ich habe mich wieder selbst besiegt. Und dieser eine Wellenritt war richtig schön.
Brett und Segel drehen sich um dich herum, nicht umgekehrt.“
Der vorhergesagten 30 Knoten Wind und die vier Meter hohen Wellen wurden nun auf Ende der Woche verschoben. Für die nächsten zwei Tage schimmert Windguru türkis und hellgrün – das heißt Windstille, und das finde ich insgeheim ganz schön. Die folgenden ruhigeren Tage werden mit Computer-Arbeit und dem Ansehen von Tutorials verbracht. Auch unsere eigenen Videos werden gecheckt. Eine genauere Betrachtung meiner bisherigen Versuche zeigt mir, dass ich über eine Technik verfüge, die sich sehr gut für verzögerte Frontloops eignen würde. Für 50 Zentimeter hohe Spinloops über kleine Wellen jedoch eher nicht. Flo rät mir, früher dichtzuholen und mehr über meinem Brett zu bleiben, genau wie bei einem normalen Chop-Hop. „Du musst im Mittelpunkt stehen, Brett und Segel drehen sich um dich herum, nicht umgekehrt.“ Wenn ich sage, dass das leichter gesagt als getan ist, lacht er nur: „Versuche deine Frustration in Vergnügen umzuwandeln. Bleib dran und gehe es spielerisch an.“
Locker bleiben, locker bleiben, gehe es spielerisch an, wiederhole ich in meinem Kopf, während ich weit außerhalb des Riffs von Klitmøller mal wieder nicht den Mut habe, den Abzug zu betätigen. Irgendwann kann ich mich überwinden und starte eine Reihe von Versuchen, die vom spontanen Abspringen und dem Loslassen des Segels bis hin zum seitlichen Aufprall, flach auf dem Gesicht, reichen. Einmal rotiere ich etwas weiter herum und küsse das Wasser nicht innerhalb einer Sekunde, doch das meiste sind Schläge ins Gesicht – ich bin froh, dass ich einen Helm trage. Ich verfluche mich regelmäßig selbst, das Windsurfen, die Bedingungen, mein schwache Gesinnung, wenn ich an der perfekten Rampe ankomme, aber nicht abdrücke.
Flo bemerkt meine Frustration. Er zeigt mir anschließend ein Video von einem Versuch, bei dem ich nach dem Absprung meinen ganzen Körper in Windrichtung werfe, nah herankomme, aber dann abstürze. „Du hast es die ganze Zeit in irgendeiner Weise falsch gemacht“, meint Flo, „jetzt mache es eben anders falsch.“ Wenn du immer nach innen fällst, fällst du jetzt mal nach außen. Auch das ist ein Fortschritt!“
Ich sage ihm, dass das Mantra von vor ein paar Tagen, mit den ganzen einzelnen Schritten, einfach zu viel ist, um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und zwar der kurze „Scheiß drauf Moment“, den ich habe, um mich beim Frontloop richtig reinzulegen. Bei so vielen Anweisungen, bekomme ich kurz vorher immer einen Kurzschluss. Also rät Flo mir, einen Schritt zurückzutreten und mich nur auf das aktive Dichtholen zu konzentrieren. Ein paar Versuche später rotiere ich tatsächlich zum ersten Mal wieder vernünftig. Yess!
Zwischendurch denke ich über meine geplante Story nach, die ich schreiben muss. Die Zeit drängt, und der Druck steigt: Sind meine Versuche gut genug? Haben wir genügend Fotos? Ein schlechtes Ergebnis ist auch eine Geschichte, beruhige ich mich, doch würde der Misserfolg definitiv an meinem Ego kratzen. Wenn ich mir zu Hause die Videos des Tages ansehe, verschlucke ich mich fast an meinem Bier. Ich ziehe Grimassen, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich diese überhaupt ziehen kann. Ich sehe eine Art wilde Version von mir selbst, wie ich wie verrückt an der Gabel ziehe und in echter Verzweiflung (oder in Erwartung des Todes) durch die Luft fliege. Fotogen ist anders, doch das Lachen über die Fotos am Abend nimmt etwas Spannung aus der ganzen Angelegenheit. Gehe ich das Ganze zu krampfhaft an?
Nach einem Vormittag voller Videoanalyse und Selbstreflexion (kleine Ziele setzen, Stolz beiseitelegen, nicht perfektionistisch sein) bereiten wir uns auf eine Abendsession in Hanstholm vor. Die Vorhersage trifft genau ein. Gegen halb sechs dreht der Wind auf West und steigert sich auf etwa 20 Knoten. Perfekt. Ich fahre raus mit einer GoPro am Mast und einer an der Gabel. Wäre dies ein Film, gäbe es jetzt eine Montage der besten Momente dieser besonderen Session. Ungefähr so: aufbauende Musik, Superzeitlupe mit Wassertropfen, die vom Helm fallen. Zoom auf das Gesicht. Entschlossenheit, Verbissenheit. Die Spannung nimmt zu. Versuch eins: einhändig, einfüßig. Ungewollt radikaler, aufsehenerregender Crash. Versuch zwei: Der Wille ist da, aber die Koordination fehlt, frühzeitiges Loslassen – platsch! Lächelnde Gesichter, Helm abtasten, alles okay. Dann weit draußen auf dem Meer eine steile, etwas zu hohe Welle. Er wirft seine Angst ab und fliegt höher als je zuvor, zählt bis eins und zieht hinten dicht. Boom – er fliegt! Das Publikum hält den Atem an. Die Technik des verzögerten Frontloops kam schließlich in der Höhe zur Anwendung. Doch er stürzt. Wenn er in diesem Augenblick kompromisslos dichtgezogen hätte, hätte er in den World Cup einziehen können. Intensiver Blick, leicht gewellte Mundwinkel. Schnitt.
Mit klingelndem Ohr mache ich noch ein halbes Dutzend Versuche, bevor es dunkel wird. Die Angst beginnt nachzulassen.
Es ist der letzte Tag des Wave Camps, und trotz aller Schulterklopfer habe ich das Gefühl, mein Ziel noch nicht erreicht zu haben. Glücklicherweise ist der Sturm, der uns in der Vorhersage schon seit einer Woche quält, nun endlich da: Es geht ab nach Middles, mit logohohen Brechern und Böen von bis zu 30 Knoten. Vorne brechen kleine Wellen, die sich perfekt zum loopen eignen, ich schnappe mir einen 3,7er und mein 81-Liter-Quad. Das Motto des Tages: Jetzt oder nie!
Die Kamera von Lars gibt zusätzliche Motivation, und obwohl ich ziemlich überpowered bin, habe ich das Gefühl, dass dies der Moment ist. Das winzige Segel gibt mir Selbstvertrauen, und bei der zweiten Welle, der ich begegne, springe ich ab und hole dicht. Mein hinterer Fuß rutscht aus der Fußschlaufe, und ich gehe unrühmlich zu Boden. Versuch zwei folgt eine Minute später und ist nicht viel besser. Als ich wenig später mein gesamtes Board verliere und mein besatzungsloses Material einen Frontloop macht, fahre ich rein, um meine Fußschlaufen etwas enger zu stellen. Ich sage mir noch einmal: Du schaffst das – jetzt oder nie!
Ich rutsche über die Felsen zurück ins Wasser und lege los. Breiter Griff, der Geist bei null. Auf einer schon gebrochenen Weißwasserwelle – es ist nichts weiter als ein aufgewirbelter Schaumkopf – stürze ich mich in die Luft. Ich ziehe so stark dicht, wie ich nur kann, und versuche, so gut es geht, über meine Schulter nach hinten zu schauen. Ich bekomme einen zusätzlichen Schwung und steige noch weiter nach oben. Der erwartete Absturz bleibt aus, ich rotiere vollständig und lande relativ sauber auf dem Rücken.
Wow, ich glaube, das war er! Es fühlt sich an wie ein getroffener Elfmeter in der Nachspielzeit. Ich muss breit grinsen. Auch wenn es an diesem Frontloop noch einiges zu kritisieren gibt: Ich habe sauber gedreht und konnte aus der Wasserstartposition in beiden Fußschlaufen weiterfahren – das war’s!
Wenn du es wirklich willst, ist der Frontloop auch in deiner Reichweite!
Zurück am Strand, ist auch Flo in seiner Einschätzung klar. „Dieser zählt, du hast dein Ziel erreicht!“, bestätigt Flo. Ich nehme meinen Helm ab, ziehe meine Prallschutzweste aus und bin buchstäblich befreit. Es gibt viele Bereiche mit Verbesserungspotenzial und hundert Dinge, die verbessert werden müssen, aber ich habe meine Angst überwunden. Abschließend kann ich mit voller Überzeugung sagen: Wenn du es wirklich willst, ist der Frontloop auch in deiner Reichweite. Jeder kann es schaffen, man muss es nur wollen.
Frontloop-Tutorials mit Florian Jung