Aus dem SchattenLiam Dunkerbeck im Interview

Manuel Vogel

 · 21.08.2022

Aus dem Schatten: Liam Dunkerbeck im InterviewFoto: Oliver Maier

Der Schatten seines Vaters Björn könnte nicht größer sein, aber Liam Dunkerbeck schickt sich an, daraus herauszutreten. Ein Interview über große Fußstapfen, noch größere Ziele und sein Vorbild Kai Lenny.

Wenn Väter zu den Ikonen eines Sports gehören, haben es die Kinder manchmal schwer. Wie soll der junge Cristiano Ronaldo Jr. aufwachsen, ohne andauernd mit seinem Dad verglichen zu werden? Bei Liam Dunkerbeck ist es ähnlich – sein Vater Björn ist mit 42 WM-Titeln einer der erfolgreichsten Profisportler weltweit. Wir haben Liam Dunkerbeck zum Interview gebeten.

Liam wechselt die Disziplinen wie andere die Unterhosen. 
Je mehr Wasserzeit, desto besser.Foto: Olive Maier
Liam wechselt die Disziplinen wie andere die Unterhosen. Je mehr Wasserzeit, desto besser.

Liam, dein Vater hat gesagt, ich soll das Interview mit dir auf deutsch führen. Eine gute Idee?

Keine Ahnung, wie er darauf kommt.

Er sagt, du sollst die Sprache üben. Damit du mal ein Interview auf deutsch geben kannst, wenn du eines Tages auf Sylt den World Cup gewinnst. Die Leute würden sowas mögen...

Keine Chance, das geht schief. Lass uns lieber beim Englischen bleiben, okay?

Alles klar. Müssen wir uns angesichts der Tatsache, dass wir dich gerade beim Wingfoil World Cup in Leucate erwischen, Sorgen machen, dass du abwanderst?

Nein, keine Sorge. Aber ich war schon immer jemand, der viele verschiedene Wassersportarten gemacht hat. Vor einigen Jahren war ich mal Kanarischer Meister im Surfen und auch auf dem SUP bin ich viel unterwegs. Ich sehe mich nicht nur als professionellen Windsurfer, sondern als professionellen Wassersportler. Mein Ziel ist es einfach, so viel Wasserzeit wie möglich zu bekommen. Dazu gehört auch Wingfoilen, deshalb bin ich jetzt gerade hier in Leucate.

Früh übt sich ...Foto: Victor Couto
Früh übt sich ...

Was ist deine Lieblingsdisziplin? Hängt das von den Bedingungen ab? Wenn du dir aussuchen könntest, ob du Surfen, SUPen, Foilen oder Windsurfen in dafür perfekten Bedingungen machen dürftest, wie würdest du dich entscheiden?

Freestyle mit dem Wingsurfer gefällt mir schon sehr gut, aber eigentlich ist Windsurfen in der Welle für mich der größte Spaß. Nichts geht über eine gute Session zuhause in Pozo, mit viel Wind und hohen Sprüngen. Das Springen ist es, was mich am Windsurfen am meisten fasziniert.

Als dein Vater in den 90ern auf dem Zenit seines Erfolgs war, traten viele Worldcupper in mehreren Disziplinen an – der Overall-Titel hatte den höchsten Stellenwert. Seitdem spezialisiert sich die Szene mehr und mehr, um überhaupt mit der Entwicklung Schritt halten zu können. Wie bekommst du das unter einen Hut?

Ich liebe es, verschiedene Sachen zu machen. Wenn ich zum Wellenreiten, SUPen oder Wingfoilen gehe, bedeutet das einfach mehr Stunden auf dem Wasser zu sein – vor allem dann, wenn die Bedingungen nicht zum Wave-Windsurfen reichen. Davon profitiert am Ende auch meine Windsurf-Performance.

Woher das Talent kommt, dürfte klar sein. Auch im Wingsurf World Cup ist Liam Dunkerbeck am Start.Foto: Samuel Cardenas
Woher das Talent kommt, dürfte klar sein. Auch im Wingsurf World Cup ist Liam Dunkerbeck am Start.

Also gehst du den Kai-Lenny-Weg?

Das ist ein gutes Beispiel. Kai Lenny ist jeden Tag auf dem Wasser, er hat ein unglaubliches Level in allen Bereichen. Auch mein Vater hat seinerzeit gezeigt, dass man mehrere Disziplinen auf höchstem Level machen kann. Das ist auch mein Ziel.

Ist Kai Lenny ein Typ, zu dem du aufschaust?

Kai ist für mich der Maßstab. Wenn ich es eines Tages schaffen könnte, auf sein Level zu kommen, wäre das großartig. Ich hoffe, dass wir irgendwann mal zusammen auf dem Wasser sein können, davon träume ich. Kai Lenny ist zweifellos der beste Wassersport-Allrounder unserer Zeit.

Augen zu und durch: Liam Dunkerbeck über den Rocks von Ponta PretaFoto: John Carter
Augen zu und durch: Liam Dunkerbeck über den Rocks von Ponta Preta

Trotzdem wird er vermutlich weder im Surfen, beim Kiten, Wingen oder Windsurfen einen WM-Titel gegen Fahrer gewinnen können, die sich auf eine Sportart spezialisieren. Wie passt das mit dem Dunkerbeck‘schen Gewinner-Gen zusammen?

Das stimmt. Im Wesentlichen werde ich mich schon auf Wave-Windsurfen konzentrieren und die Wingfoil-Freestyle-Tour mitfahren. Die anderen Sachen stehen dahinter an. Mein Ziel ist ganz klar, irgendwann mal einen WM-Titel zu gewinnen. Die Jugend-Events der PWA World Tour fahre ich ja schon seit Längerem mit und jetzt will ich auch bei den Erwachsenen die Tour mitfahren.

Auf YouTube gibt‘s ein Video, in dem du einen Blick in dein Materiallager gewährst. Ziemlich beeindruckend. Hat du eine Ahnung, wie viele Boards da drin sind?

Wow, schwierige Frage. Es sind so einige: Windsurfboards für die Welle und zum Foilsurfen, Wingbretter, Surfboards, ein paar SUPs – ich schätze mal so 50 dürften es über alle Sportarten und Disziplinen hinweg sein.

Viele Jugendliche träumen vom World Cup. Was würdest du ihnen raten? Erst trainieren und dann mit hohem Fahrlevel einsteigen? Oder früh mit Contests anfangen und in Kauf nehmen, auch mal auf die Nase zu fallen?

Ich würde immer empfehlen, früh bei Contests mitzumachen. Die PWA bietet über die Jugend-Events dafür eine gute Chance. Als ich das erste Mal in Pozo dabei war, konnte ich keinen Loop oder sowas, nur ein paar normale Sprünge. Natürlich hatte ich keine Chance auf den Sieg, aber die Erfahrung ist Gold wert. Man surft mit anderen Kids und pusht sich gegenseitig. Und vor allem lernt man, wie Contest-Surfen so funktioniert. Es ist ein großer Unterschied, ob man im freien Surfen gut fahren kann oder ob man alles in zehn Minuten aufs Wasser bringen muss. Dafür braucht man Erfahrung.

Was musst du noch lernen, um einen Contest gewinnen zu können?

Natürlich bestimmte Manöver – und vor allem, diese konstant abliefern zu können. Und natürlich fehlt mir an Spots abseits von Pozo noch die Erfahrung. Jeder Spot ist anders, man braucht ein Gefühl dafür, wie die Welle bricht, damit das Timing passt.

Björn Dunkerbeck mit Sohn Liam:  auf einer WelleFoto: privat
Björn Dunkerbeck mit Sohn Liam: auf einer Welle

Du kennst die Jugendszene bei diversen Sportarten. Ist Windsurfen unter Jugend-lichen noch angesagt? Oder wollen die jungen Leute mittlerweile alle zum Wingen, Kiten oder Wellenreiten?

Ich mache mir ums Windsurfen überhaupt keine Sorgen, dafür ist der Sport einfach zu schön. Wenn ich sehe, wie Hunderte von Jugendlichen mit dem iQFOiL (neue olympische Brettklasse, die Red.) gemeinsam Regatten fahren, ist das großartig. Vielleicht geht das Interesse an manchen Disziplinen wie dem Slalom etwas zurück. Andere Disziplinen wie Foilen boomen dafür. Unterm Strich hat Windsurfen immer noch viel zu bieten. Auch hier in Pozo sieht man es tagtäglich. Wenn hier 60 Leute draußen sind, sind die Hälfte davon Kids.

Stehen denn vielleicht noch mehr Dunkerbecks in den Startlöchern, die den gleichen Weg einschlagen wie du? Du hast ja drei Geschwister.

Meine Schwestern turnen auf einem sehr hohen Level, aber mein 9-jähriger Bruder ist eine ziemliche Wasserratte. Momentan schlägt sein Herz noch eher fürs SUPen und Wellenreiten, aber es ist eindeutig, dass er auch zum Windsurfen viel Talent hat – mehr als er vielleicht denkt.

Vater Björn unterstützt Liam, wo er kann.Foto: Red Bull Content Pool
Vater Björn unterstützt Liam, wo er kann.

Wir kommen nicht umhin, über deinen Vater zu sprechen. Er hat 42 Titel gesammelt. Große Fußstapfen, oder?

Klar, es sind natürlich die größtmöglichen Fußstapfen, in die man treten kann.

Hast du das Gefühl, dass jeder gleich was Besonderes von dir erwartet, nur weil du Dunkerbeck heißt?

Vermutlich gibt’s Leute, die denken, dass ich gleich nach meiner Geburt doch mindestens eine Triple Loop machen müsste – alleine wegen meines Nachnamens. Ich hab sicher ein wenig Talent in meinen Genen, aber um erfolgreich zu sein, braucht es eben auch viel Arbeit und Training im Hintergrund. Es ist nicht so, dass ich das Segel rigge und mein Dad im Auto sitzt und mich über einen Joystick steuert wie in einem Videospiel.

Liam Dunkerbeck  ist gerade volljährig geworden, hat aber schon einen ziemlich genauen Plan, wo er mal hin will: An die Spitze!Foto: Oliver Maier
Liam Dunkerbeck ist gerade volljährig geworden, hat aber schon einen ziemlich genauen Plan, wo er mal hin will: An die Spitze!

Ist es manchmal leichter, der Sohn von Björn zu sein? Oder macht es die Sache auch komplizierter?

Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass man automatisch mehr von mir erwartet als von anderen Windsurfern. Eigentlich hat es mir natürlich viele Türen geöffnet, er kennt einfach die ganze Szene, und es wäre ziemlich dumm, diese Kontakte nicht zu nutzen. Aber letztlich liegt es nur an mir, erfolgreich zu werden, nicht an meinem Vater. Ich gehe jeden Tag sieben Stunden in die Schule, danach trainiere ich täglich. Sei es auf dem Wasser oder im Fitnessstudio, um auf ein hohes Level zu kommen. Es ist nicht so, dass ich nichts zu tun hätte. Dass ich Jeden Tag ne Stunde surfe und mal was bei Insta poste – und das war’s dann.

Du bist gerade 18 Jahre alt. Andere Kids in deinem Alter lassen es ruhig angehen, du bist schon voll im Jetset-Leben eines Profis angekommen. Geht dir das manchmal nicht alles zu schnell?

Es ist kein Problem für mich. 2022 gibt’s vier Wave-Events auf der PWA Tour, sieben Wettkämpfe auf der GWA Wingfoil Tour, von denen man fünf für die Jahreswertung braucht. Hinzu kommt das Defi Wind in Südfrankreich, das ich mitfahren möchte. Im Winter ist ja länger Pause. Ich bereue nichts von dem, was aktuell passiert, ich mache ja das, was ich liebe. Und natürlich habe ich viele Freunde, mit denen ich eine gute Zeit auf und abseits des Wassers haben kann.

»Ums Windsurfen mache ich mir keine Sorgen. Die Hälfte der Leute hier in Pozo auf dem Wasser sind Kids.«Foto: Oliver Maier
»Ums Windsurfen mache ich mir keine Sorgen. Die Hälfte der Leute hier in Pozo auf dem Wasser sind Kids.«

Begleitet dich dein Vater auf allen Reisen und bei Contests?

Es kommt drauf an. Wenn es sich ergibt, reisen wir gemeinsam, aber mittlerweile ziehe ich auch vermehrt ohne ihn los. Zum Beispiel mit meinem Kumpel Marino Gil, der ja auch die PWA Wave Tour mitfährt. Aber oft hilft es, wenn mein Dad dabei ist, er besitzt natürlich super viel Erfahrung und hat mich von Minute eins immer unterstützt.

Du hast vorhin die iQFOiL-Klasse erwähnt. Sehen wir dich vielleicht auch irgendwann mal bei Olympia?

iQFOiL ist eine Klasse, in die man seine ganze Energie stecken muss, um eine Chance zu haben. Halbe Sachen funktionieren hier nicht, denn das Level ist extrem hoch. Die Disziplin ist faszinierend, aber aktuell sehe ich mich dort noch nicht. Ich möchte jetzt erstmal auf der Wave Tour und im Freestyle Wingfoilen Gas geben. Wenn ich älter bin, kann es aber gut sein, dass ich im Slalom oder iQFOiL einsteige. Wir werden sehen.

„Um im World Cup was zu reißen, muss ich vor allem konstanter werden“, sagt Liam. Am Mut fehlt es ihm offensichtlich nicht.Foto: Oliver Maier
„Um im World Cup was zu reißen, muss ich vor allem konstanter werden“, sagt Liam. Am Mut fehlt es ihm offensichtlich nicht.

Wie sieht’s mit Speed aus?

Das Event in Lüderitz ist ein großer Spaß. Pures Adrenalin. Jeder, der gerne schnell surft, sollte einmal im Leben einen Kanal wie den in Lüderitz runterjagen. Ich werde im Herbst auch wieder dabei sein und hoffe, meinen persönlichen Rekord zu verbessern.

Wo liegt der aktuell?

Bei 43,5 Knoten über 500 Meter.

Wann bist du schneller als dein Dad auf dem Kanal?

Puh, er ist richtig schnell, das wird schwierig. Dafür müsste ich ordentlich Masse aufbauen, also: Fitnessstudio und jeden Tag den Inhalt eines Einkaufswagens vertilgen (lacht). Mal sehen, ob das klappt.