Interview mit Freestyle-Windsurferin Oda Johanne Brødholt

Maciek Rutkowski

 · 19.05.2022

Interview mit Freestyle-Windsurferin Oda Johanne BrødholtFoto: Artmando Multimedia

Vom Nordkap in die Freestyle-Weltspitze – Oda Johanne hat eine sehr spezielle Windsurf-Karriere.

Die Norwegerin wäre vermutlich mehrfache Freestyle-Weltmeisterin, wenn es da nicht eine gewisse Sarah-Quita Offringa gäbe. Doch ihre größte Konkurrentin ist gleichzeitig auch die beste Freundin. Dabei war Oda eine Spätstarterin – um ein Haar hätte sie in Norwegens Handball-Nationalmannschaft Karriere gemacht. Im Podcast von Windsurfing.TV befragt Worldcupper Maciek Rutkowski sie über ihren Wechsel von der Halle aufs Wasser, zu ihrem Training und diskutiert zum identischen Preisgeld für Frauen/Männer im Worldcup der PWA.

Du bist viel unterwegs, vor allem mit Sarah-Quita und Maaike Huvermann, also die Top-3 der Welt im Frauen-Freestyle. Wie funktioniert das? Fahrt ihr die ganze Zeit gegeneinander?

Für mich ist das ideal, mit den beiden auf dem Wasser zu sein. Für uns ist das super gut, zusammen zu trainieren. Sarah ist die Königin, sie ist einfach die Beste, und es ist immer gut jemanden zu haben, zu dem man aufschauen kann, an dem man sich auf dem Wasser orientieren kann. Und ich glaube auch, dass es für sie gut ist mit uns zu surfen, vor allem wenn es kalt ist (lacht). Wir kriegen sie schon in den Neo!

 Sarah-Quita und Oda Johanne (re.)Foto: Emanuela Cauli
Sarah-Quita und Oda Johanne (re.)

Denkst du nicht manchmal, eigentlich will ich Sarah schlagen, aber das Training mit ihr macht sie ja auch besser?

Ja, schon. Ich saß im ersten Lockdown 110 Tage bei ihr auf Aruba fest, es gab keine Flüge nach Hause. Der Trip war für sechs Wochen geplant, daraus wurden dann dreieinhalb Monate. Wir haben so viel zusammen trainiert, ich hab gemerkt dass mein Level besser wurde, aber sie wird auch immer noch so viel besser.

Vielleicht solltest du mit ein paar Jungs trainieren?

Wir sind ja immer mit vielen Jungs auf dem Wasser. Es ist einfach nett, einen „Partner in Crime“ zu haben, mit dem man zusammen unterwegs ist, Spots entdeckt und so weiter. Es gibt niemand anderen, der so einen Effekt auf mich hat wie Sarah. Sie treibt mich an wie verrückt, vielleicht weil sie so viel Kaffee trinkt. Das färbt dann auf mich ab, in einem positiven Sinn.

Eigentlich hattest du gar nicht vor, durch die Gegend zu reisen mit den besten Freestylern der Welt, sondern du hättest irgendwo in einer Sporthalle Bälle werfen sollen, korrekt? Stimmt es, dass du Handball-Profi in Norwegen warst?

Ja, ich habe fünf oder sechs Jahre in der ersten Liga gespielt, aber ich habe gleichzeitig auch meine Schule fertig gemacht und studiert. Ich hab mir die Uni danach ausgesucht, dass ich weiter Handball spielen konnte, Handball war damals an erster Stelle. Es war der Traum meines Lebens, so gut wie möglich zu werden. Als ich 21 war, hab ich meinen Bachelor gemacht, zwei Jahre vorher hab ich zum ersten Mal Windsurfen ausprobiert. Wir hatten dann ein sehr wichtiges Spiel, aber es war auch windig. Und ich hab mich selbst gefragt: Willst du spielen oder willst du lieber am Strand sein? Ich wollte mir einreden, dass mir das Spiel wichtiger sei, aber tief im Inneren war ich schon voll vom Windsurfen gepackt. Das war eine harte Entscheidung. Ich hab mir dann ein Jahr Auszeit vom Handball genommen, und bin nie zurückgekehrt. Stattdessen bin ich dann dem Wind gefolgt. Es fühlte sich aber sehr, sehr merkwürdig an: Ich hab es geliebt, Handball zu spielen, aber als ich aufgehört habe, hab ich mich so richtig frei gefühlt. Handball ist ein hartes Leben. Ich hatte Glück, dass ich nicht oft verletzt war, aber wenn man länger spielt als bis 25 oder 30, dann kommen jede Menge Verletzungen. Ich glaube, ich habe zum richtigen Zeitpunkt aufgehört. Das war pures Glück, weil in dem Jahr war ich in einem Trainings-Camp für die norwegische Nationalmannschaft. Am Tag, bevor ich spielen sollte, hab ich mir eine Zerrung im Bein geholt und dachte, wie blöd. Manchmal denke ich, wenn ich mir diese Zerrung nicht geholt hätte, würde ich immer noch Handball spielen statt zu windsurfen. Wenn man erst mal auf dem Profi-Level ist und davon lebt, kommt man da nicht mehr raus.

Statt einer Karriere in der norwegischen Handball-Nationalmannschaft zog Oda Johanne Brødholt die Freiheit der Meere vor.
Foto: Artmando Multimedia

Das hört sich hart an, wenn man etwas hat, worin man wirklich gut ist, und sich dann entscheidet damit aufzuhören für etwas, was im Prinzip gerade erst angefangen hat. Was hat dich dazu gebracht, was war die Inspiration hinter der Entscheidung?

Ich war immer schon fasziniert von Snowboard-Tricks oder solchen Sachen, aber uns wurde verboten zu springen, um 360er zu probieren oder so. Wir durften uns nicht verletzen – außer beim Handball. Mit Windsurfen hatte ich endlich einen Sport gefunden, wo ich auf dem Wasser war. Nicht wie beim Snowboarden, man bricht sich eben nicht den Rücken oder so. Und dann hat es mich einfach gepackt, das Gefühl zu gleiten, schnell mit dem Board zu sein, 360er-Rotationen zu versuchen. Das war das krasseste Erlebnis für mich! Ich hatte das Gefühl, so was fehlt in meinem Leben als Handballerin. Gleichzeitig bereue ich nie die Zeit im Handball, das ist als ob ich zwei Leben habe.

Glaubst du, Windsurfen ist der einzige Sport, den man so spät anfangen kann und trotzdem Profi werden kann?

Das ist ganz lustig. Beim Handball, wenn man mit sechs Jahren anfängt, kann man sich einen starken Wurfarm antrainieren. Wenn man erst mit zwölf startet, hätte man schon keine Chance mehr, dann ist es schon zu spät. Als ich mir ein Jahr Auszeit genommen hab, um so viel wie möglich zu surfen, hatte ich das Gefühl, sehr große Fortschritte zu machen. Ich hab Windsurfen trainiert wie wir das beim Handball gemacht haben: Wir haben alles gefilmt, Videoanalysen gemacht, versucht so smart wie möglich zu trainieren. Du kannst einen Trick immer und immer wieder versuchen, und dein Gedächtnis wird sich immer wieder dran erinnern, wie du dabei fällst. Oder du versuchst einen Trick, analysierst was du falsch machst und was du ändern musst, und dann lernst du ihn schneller.

Du bist da also sehr professionell rangegangen. Ich glaube, das ist besonders im Freestyle sehr wichtig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass du erst mit 21 gestartet bist und mit 23 schon im Worldcup mitgefahren bist.

Wichtig ist auch, sich die richtigen Spots fürs Training zu suchen. In einem der ersten Jahre bin ich in Kapstadt gelandet und hab da versucht, die Basics zu lernen, Sliding und so weiter, und dafür war Kapstadt einfach nicht der richtige Ort. Aber als ich zum ersten Mal auf Bonaire war, hab ich so viele Tricks in der einen Saison gelernt. Und danach war ich besser und konnte auch mit Chop und mehr Wind besser klarkommen. Ich bin immer zu den besten Spots gefahren für die Moves, die ich gerade lernen wollte. Das war nie Zufall, ich hab mir genau vorgenommen, was ich wo lernen wollte.

Foto: JOHN CARTER

Ich erinnere mich, dass wir in Südkorea­ mal zusammen Workouts gemacht haben, weil kein Wind war. Du hast die Jungs bei Dips und Klimmzügen locker in die Tasche gesteckt. Glaubst du, dass körperliche Fitness und Kraft hilft?

Ja, das ist enorm wichtig! Kennst du so richtig große Jungs, die einfach nur viele Gewichte stemmen, aber dabei ihren Körper nicht mehr richtig nutzen können? Es gibt aber auch kräftige Jungs oder Frauen, die trotzdem noch ein gutes Körpergefühl haben, und das ist es, was zählt. Das meiste Equipment ist von Männern entwickelt, aber wir haben schon ganz gute Voraussetzungen in Sachen Größe und Gewicht. Maaike und ich haben die gleiche Schuhgröße, das macht es zum Beispiel einfacher, das Board flach zu halten, wenn man switch fährt. Ich hab das Gefühl, das Material passt zu mir. Wenn du zum Beispiel beim Skopu das Segel duckst, musst du es schon ziemlich aggressiv gegen den Wind drücken. Und je stärker du bist, desto einfacher ist das.

Aber wenn man gewisse Sportarten schon als Kind lernt oder einfach wenn man noch schwächer ist, bekommt man eine bessere Technik. Wenn du Kraft hast, kannst du die nutzen und musst keine gute Technik haben. Und vor allem im Freestyle muss man so präzise und geschickt sein.

Ja, Freestyle ist da extrem. Wenn man beim Burner die Hand nur ein kleines bisschen anders hält, legt man sich ins Wasser. Als ich Handball gespielt hab, war ich viel beim Laufen und im Fitness-Studio. Jetzt mache ich mehr Crossfit, wie etwa im Handstand laufen, oder ich spiele Tennis, gehe Mountainbiken, Laufen, Balance-Training...ich mache viele verschiedene Sachen, ich hab auch angefangen ein bisschen in der Bowl zu skaten. Ich glaube, je vielseitiger man ist, desto besser für Freestyle. Wenn man Moves übt, endet man in so vielen verrückten Stellungen, und man muss die Landungen verkraften. Wenn man also nur Squats macht oder Gewichte hebt, wird einem das dabei nicht viel helfen.

Du hast deinen ersten Worldcup mit 24 gefahren und du bist direkt Fünfte geworden. Hat dich das damals überrascht oder hast du damit gerechnet?

Nein, ich hab da nicht mit gerechnet. In dem Jahr hatte Laure Treboux gerade aufgehört, ein paar andere Frauen auch, und Maaike und ich waren zum ersten Mal dabei. Eigentlich wollte ich gar nicht mitfahren, weil ich beim Windsurfen nicht wieder das gleiche Leben haben wollte wie beim Handball. Ich wollte den Spaß daran behalten. Ich bin sehr kämpferisch, das macht es manchmal schwer (lacht). Ich wollte es einfach als Spaßsache behalten. Ich war gerade auf Fuerte, also bin ich mitgefahren und hab es geliebt! Es war echt hart, Maaike und ich konnten noch nicht genug Tricks. Aber ich hab mir gesagt, ich hab hier einfach meinen Spaß. Das war ein sehr wichtiger Wettbewerb für mich, auch wenn ich sagen würde, dass mein Level keineswegs auf Worldcup-Niveau war. Aber im nächsten Jahr hatten Maaike und ich viel mehr Moves drauf. Das Jahr war ein Game Changer für mich, weil ich gemerkt hab, dass ich das wirklich professionell machen will und alles geben will.

 Oda Johanne beherrscht rRicks wie One-handed Burner im SchlafFoto: Artmando Multimedia
Oda Johanne beherrscht rRicks wie One-handed Burner im Schlaf

Das ist bei jungen Fahrern und Fahrerinnen oft so, dass die denken, man muss ein bestimmtes Level erreichen, um bei Regatten mitzufahren. Eigentlich muss man erst mal nur teilnehmen, weil das ganz anders ist als Freesurfen.

Ich bin das Jahr vor meinem Debüt viel gereist, und mehrere Leute haben mich gefragt, ob ich nicht mal Regatten mitfahren möchte. Ich wusste daher, dass ich ein recht hohes Level hatte, weil ich besser war als sie. Am Ende war es gut so, weil es einfach nicht genug Frauen im Freestyle gibt. Es ist hart, da auf ein Level zu kommen, wo man wirklich einen guten Heat fahren kann. Und es gibt einfach nicht viele Mädchen, deswegen dachte ich, ich mache das auch für den Sport, weil ich den Sport da schon so sehr geliebt habe, und ich wollte ihn wachsen sehen und mehr Mädchen dazu bringen. Wenn ich das nicht mache, wer dann?

Warum glaubst du, sind nicht mehr Frauen dabei? Freestyle ist ja sehr speziell...

Mal angenommen, du möchtest im Slalom mitfahren, dann kannst du überall leben, wo es ein bisschen Wind gibt, weil die viel größere Segel fahren. Ich wäre aber keine gute Freestylerin, wenn ich nur in Norwegen leben würde und nur dort trainieren würde, weil es einfach nicht genug Wind gibt. Nur einen einzigen Trick zu lernen, kostet jede Menge Zeit. Wenn du zum Beispiel Slalom fährst, ist es einfacher auf ein gutes Level zu kommen. Du fährst geradeaus und halst, außerdem kannst du leicht Rennen gegen andere Leute fahren. Im Freestyle fährst du nur gegen dich selbst, du musst sehr viele Moves draufhaben. Ich würde sagen, wenn du Leute siehst, die über das Sliding Level im Freestyle hinaus sind, dann weißt du, dass sie sehr viel Zeit damit verbracht haben, an Orte mit viel Wind zu reisen. Und sie haben vermutlich auch viele Jahre Auszeit genommen vom Arbeiten oder Studieren, um auf dieses Level zu kommen. Es steckt so viel Training in jedem Move!

Von 2014 bis jetzt warst du dann immer Zweite oder Dritte im Worldcup. Was denkst du, was ist nötig für euch, um Sarah-Quita schlagen zu können?

Sie ist einfach die talentierteste Windsurferin aller Zeiten, sie ist Profi seit sie 13 oder 14 ist. Es ist einfach sehr, sehr schwer, sie zu schlagen. Sie hat so viel Talent! Im Moment sehe ich sie nur als Inspiration, um selber besser zu werden. Wenn ich einen Burner 360 springe, macht sie einen Burner 720. Wenn ich einen Shaka 360 mache, macht sie einen Shaka Culo...sie ist einfach immer einen Schritt voraus. Im Moment müsste sie schon einen Mastbruch haben, um zu verlieren (lacht).

Und in der Zukunft? Du musst doch daran glauben, dass es möglich ist, oder? Wo wäre sonst der Sinn dabei, überhaupt anzutreten?

Der Hauptgrund, warum ich freestyle, sind nicht die Contests. Ich mache das, weil ich den Sport so sehr liebe, das ist der Grund. Und meine größte Motivation ist es, die Tricks zu lernen, die ich cool finde. Im Slalom geht es in erster Linie um Ergebnisse, und im Handball ging es immer darum, das Spiel zu gewinnen. Freestyle ist da für mich ganz anders. Ich liebe es zu gewinnen, aber wenn ich Zweite geworden bin, fühlte sich das an wie ein Sieg, das geht auch vielen anderen bei uns so. Ich wäre sicher eine bessere Surferin, wenn ich schon mit zehn Jahren angefangen hätte, aber das hab ich nun mal nicht. Ich versuche das jetzt aufzuholen. Ich will die Moves lernen, die ich cool finde, und das ist mein vorrangiges Ziel.

Ein Thema der letzten Zeit ist das gleiche Preisgeld für Frauen und Männer im Worldcup. Bislang war es so: Wenn du bei den Frauen Weltmeisterin wirst, bekommst du etwa 3500 Euro, wenn man bei den Männern gewinnt, bekommt man etwa 6500 Euro. Dein Kommentar dazu?

Ich komme ja vom Handball und bin zusammen mit anderen Handball-Profis, auch Männern, zur Schule gegangen. Wir waren gleich. Manchmal waren wir Frauen sogar interessanter. Bei uns in Norwegen ist alles sehr emanzipiert, das finde ich gut. Und als es dann auf Gran Canaria zum ersten Mal gleiches Preisgeld für Männer und Frauen gab, gab es viele Diskussionen, aber im Jahr danach hatten sich alle dran gewöhnt. Nehmen wir Sarah-Quita als Beispiel, weil sie die meisten Titel hat. Sie investiert genauso viel: Sie zahlt genauso viel für die Boardbags im Flugzeug, sie geht das gleiche Risiko ein, warum sollte sie weniger dafür bekommen? Wenn ein paar Jahre lang alle das Gleiche bekommen, dann haben mehr Frauen das Geld, um mehr zu trainieren, und das ist der einzige Weg, auf ein hohes Level zu kommen. Ich kann gut vom Windsurfen leben, weil ich Sponsoren von außerhalb habe. Deswegen kann ich mehr trainieren. Ich freue mich, dass das jetzt überall gleich wird, weil das mehr Mädchen dazu bringen wird, die Tour mitzufahren. Und wenn man mehr Leute hat, wird das Level auch besser.

Oda JohanneFoto: John Carter
Oda Johanne

Das war bislang wie ein Teufelskreis, oder? Ihr kriegt weniger Geld, weil das Level niedriger ist, aber das Level ist niedriger, weil ihr weniger Geld bekommt.

Das erste Jahr, als ich Vizeweltmeisterin wurde, war ich megastolz, weil ich nicht einen einzigen Dollar bekommen habe, um das zu erreichen. Ich hab in Norwegen gearbeitet, um zwei Monate zu reisen und so viel zu trainieren wie möglich. Wenn ich kein Geld mehr hatte, bin ich wieder nach Hause zum Arbeiten gefahren, und immer so weiter. Ein Mann, der am gleichen Spot trainiert und vom Surfen lebt, trainiert ja weiter, wenn ich wieder in Norwegen zum Arbeiten bin. Er trainiert also sechs Monate im Jahr mehr als ich. Dann habe ich Sponsoren gesucht, um mehr unterwegs zu sein. Im dem Moment, wo ich das Fulltime machen konnte, wurde ich auf einmal so viel besser.

Das Gute an dem Ganzen ist, dass Windsurfen so viel Spaß macht, dass man es auch in den Ferien macht. Ich hätte nie so viel Zeit und Geld aus meiner eigenen Tasche geopfert, um Handball zu spielen. Aber ich will einfach in jeder freien Minute auf dem Wasser sein und surfen, auch wenn ich mal kein Profi mehr bin. Das ist das Verrückte an unserem Sport.

Was sind deine Ideen, um mehr Events, mehr Geld, bessere Verträge und mehr Teilhabe für die Frauen im Windsurfen zu bekommen?

Was zum Beispiel die Moreno-Zwillinge gemacht haben war, dass sie eine Clinic für Mädchen auf Teneriffa organisiert haben. Es gibt so viele junge Mädels, die in Pozo rippen, und die haben sie in ihr Camp eingeladen. Solche Camps sind so wichtig! Ich hab ein paar Mädchen aus meinen Camps, die so heiß drauf sind Freestyle-Tricks zu lernen! Ich glaube, man braucht nur sehr gute Vorbilder, dann werden mehr neue Talente geboren!

In Pozo gibt es eine große Junior-Szene, da sind genauso viele Mädels wie Jungs dabei. Es scheint so, als ob sich eure Arbeit für die nächste Generation auszahlt.

Wenn diese Mädels feststellen, dass sie sehr gute Waveriderinnen sind, bin ich mir sicher dass sie einen Weg finden werden, um ein Leben als Windsurf-Profi zu führen, und das Level wird da sehr hoch sein. Da sind zehn oder 15 Mädchen, die sehr gut fahren, Stalled Forwards, Backloop und so weiter, und die gehen noch zur Schule. Das ist cool!

Das ist ja die Basis, das zahlt sich dann in zehn oder 15 Jahren aus. Was ist jetzt, wie kann man die Situation von Oda, Maaike, Sarah-Quita und so weiter verbessern?

Um Sponsoren zu finden, ist für uns das gleiche Preisgeld schon sehr wichtig! Dann kann man auch Sponsoren finden, die gleichwertig bezahlen! Was mich sehr inspiriert hat, als ich angefangen hab, waren viele Videos von Frauen, die ich gesehen habe. Ich bin zum ersten Mal nach Brasilien gefahren, weil ich Arrianne Aukes Videos von dort gesehen habe. Sie hat in den kleinen Wellen gerippt und ich dachte „Wow, da will ich auch hin und das auch lernen!“ Das war sehr inspirierend für mich! Das zeigt den Sport, weil wir ja einfach nicht so viele Wettbewerbe haben, und man muss den Sponsoren ja auch was zeigen, und das ist über Videos relativ einfach.

Du machst mit Sarah-Quita regelmäßig sehr lustige Videos als „Magdalena & Beatrice“. Habt ihr damit euren eigenen Stil entwickelt, um eine Nische zu besetzen und für Sponsoren attraktiv zu sein? Der Lifestyle von den Frauen ist komplett anders als der von den Männern...

Ist er das wirklich?

Ich glaube ja. Ihr schenkt anderen Dingen eure Aufmerksamkeit.

Ich glaube, meinen Sponsoren aus Norwegen ist es egal, ob ich ein Mann bin oder eine Frau. Aber das ist auch die norwegische Mentalität. Ich weiß, dass das in anderen Ländern durchaus anders ist.

Foto: Fabrice Morand

Du bist aber auch die beste Norwegerin zurzeit, das spielt ja auch eine Rolle.

Ja, die finden es gut, eine Einheimische zu unterstützen. Ich bin weit entfernt vom Meer geboren, und die finden es cool, dass der Ozean mein Arbeitsplatz ist.

Du bist grade 31, und Freestyle war immer das Ding der jungen Fahrer. Wie viel länger machst du das noch? Der Körper wird älter, die Flexibilität geht weg, die Schnellkraft wird weniger...

Auf die Frage hab ich gewartet! Das hat noch nie jemand in einem Interview gefragt!

Vielleicht weil du jünger aussiehst! Und wahrscheinlich fitter bist als die anderen.

Im Handball ist man mit 30 alt, weil man so viele Verletzungen hat. Aber ich will immer weiter vorwärtskommen, so lange wie ich Fortschritt spüre! Ich merke jedes Jahr, dass ich noch besser werde – in jeder Disziplin! Ich hab in meinen Pass geguckt und gedacht „Wow, ich bin schon 31, das fühlt sich nicht so an!“ Und ich fühle mich noch immer, als hätte ich grade erst angefangen. Ich genieße das so sehr, die Contests, das Training – ich muss weinen, wenn das mal vorbei ist! Ich möchte weitermachen, weil ich merke, dass ich mein Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft habe. Das ist eine Frage der Einstellung: Wenn du denkst, ich werde alt und langsam, dann kommt das so.

Konzentrierst du dich dann mehr auf Slalom, wenn Freestyle nicht mehr passt?

Für mich ist Freestyle die Haupt-Priorität, da möchte ich einfach alles geben. Aber das will ich auch wenn ich Slalom fahre, ich bin super motiviert, wenn ich da Rennen fahre. Als ich in Frankreich im Slalom mitgefahren bin, hab ich mich auf dem Wasser so gut gefühlt, weil ich mir gesagt hab, ich gebe einfach mein Bestes. Ich war ruhig und selbstsicher dabei. Das war ein gutes Gefühl, ich dachte, man kann ja wirklich manchmal im Alter besser werden.

Wir hatten mal bei einem Worldcup im Materialzelt die Plätze nebeneinander, und ich erinnere mich, dass ich dachte: „Verdammt, sie ist stärker als die meisten Frauen, sie ist größer als die meisten Frauen, sie hat das richtige Material. Die hat eine gute Chance, ganz nach vorne zu kommen.“ Aber trotzdem hat Freestyle immer Vorrang bei dir gehabt, oder?

Wenn es richtig windig ist, gehe ich immer zuerst freestylen! Ich kann einfach keinen Freestyletag verpassen! Ich weiß, dass ich gut werden kann im Slalom. Im nächsten Jahr möchte ich auch alle Slalom-Events fahren, weil ich spüre, dass ich da noch nicht mein Potenzial nutze. Ich habe Rennen als Zweite oder Dritte beendet, aber noch nicht mehr. Verglichen mit Freestyle habe ich auch fast noch nichts da reininvestiert. Ich freue mich drauf, wenn ich den ganzen Aufwand vom Freestyle in den Slalom investieren kann! Das ist cool, auch in der Disziplin für die Zukunft noch Ziele und Pläne zu haben! Das ist eine ganz gute Disziplin, um darin älter zu werden.

Okay, zum Ende eine eher philosophische Frage: Was bedeutet Windsurfen für dich?

Für mich ist das die wichtigste Sache überhaupt! Es gibt mir Adrenalin und Glück! Es ist für mich ein Weg, mich permanent weiterzuentwickeln. Und am Ende ist es genau das, was mich glücklich macht. Freunde,­ Familie, Liebe, das ist natürlich auch wichtig, aber es macht mich sehr glücklich, wenn ich merke, dass ich bei einer Sache Fortschritte mache. Das ist für mich das Wichtigste beim Windsurfen!

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