Dimitri Lehner
· 25.12.2022
Big-Wave-Surfer Robby Seeger nennt sie „Queen of Hookipa“, denn Shawna Cropas liebt den Superspot. Keine Frau ist häufiger hier anzutreffen, selbst wenn die Wellen in XL-Format in die Bucht donnern. Wir sprachen mit ihr über Frauen im Windsurfen, Style in der Welle, die Magie unseres Sports und warum wir alle auch Wingsurfen lernen sollten.
Shawna wirft ihr Haar mit einer Handbewegung über die Schulter. Die Arme: muskulös vom vielen Paddeln. Der Bauch: durchtrainiert von vielen Aerials. Die Beine: schlank und stark von vielen Bottom Turns. Vielleicht habt ihr sie selbst schon in Hookipa getroffen, Wellen reiten sehen beim Aloha Classic oder auf einer Anzeige ihres Sponsors entdeckt – was ihr jedenfalls nie vermuten würdet: Diese Frau ist bereits 49 und stürzt sich mit den Besten der Welt in die Wellen. Shawna ist irre fit. Sie surft, standup-paddelt, wingfoilt, foilsurft, aber am liebsten windsurft sie in großen Wellen. Wenn Big-Wave-Surfer Robby Seeger sie „Queen of Hookipa“ nennt, lacht Shawna und ihre Augen blitzen – der Titel gefällt ihr. Shawna und Robby sind Freunde: Wassermenschen unter sich. Die gebürtige Kanadierin aus Vancouver lebt seit 15 Jahren auf Maui, coacht finanzkräftige Wassersportler aus aller Welt und sagt, sie habe sich ihren Lebensstil hart erkämpfen müssen. Wie hart, das beschreibt sie in ihrer Biografie „Heroine Trip“, für die sie derzeit einen Verlag sucht.
Bin ich. Es war so windig, dass alle aufgaben. Es war nahezu unmöglich, einen Bottom Turn zu machen, es riss mir schier das Segel aus den Händen: Survival-Windsurfen!
Am Schluss war ich der einzige Mensch auf dem Wasser.
Vielleicht besitze ich eine Kinderseele. Oder vielleicht liegt es daran, dass ich immer für alles kämpfen musste. Auch für diesen Lebenstil. Deswegen schätze ich jeden Tag, an dem ich windsurfen kann.
Ich wuchs in armen Verhältnissen auf, in einem gewalttätigen Elternhaus mit einer Mutter im Teenage-Alter. Ich bin von Zuhause weggelaufen, trieb mich in den USA rum, später in Asien, auf der Suche nach einem besseren Leben. Erst als ich Windsurfen entdeckte, merkte ich: Jetzt habe ich gefunden, wonach ich suchte.
Es gibt Tage in Hookipa, die dich bis ins Mark erschrecken, ängstigen, ja um dein Leben fürchten lassen.”
Um das Erlebte aufzuarbeiten. Doch auch, um zu zeigen, dass viel möglich ist, auch wenn die Situation sehr düster aussieht. Es geht in meinem Buch viel um Scheitern und darum, trotzdem nicht zu verzweifeln.
Ich lernte Windsurfen, wurde schnell besser, gewann die ersten Contests und veranstaltete mit meinem damaligen Freund Windsurfcamps. Vor 15 Jahren landete ich auf Maui, verliebte mich in die Insel und coache jetzt hier. Man kann sagen: Windsurfen hat mich gerettet. Aber du hast natürlich Recht, Maui ist nicht mehr die Hippie-Insel, die sie zu den Pioniertagen des Windsurfens mal war. Maui ist eine Reichen-Insel geworden. Und wer nicht reich ist, muss ziemlich strampeln, um hier leben zu können. Ich auch.
Der Blick vom Wasser auf die Insel ist in Hookipa wunderschön. Schöner geht es kaum. Das Meer ist hier kristallklar. Und dann die Welle! Sie hat Punch. Sie spuckt dich förmlich zum Aerial in die Luft. Doch der Hauptgrund, warum ich hier surfe: Nervenkitzel!
Ja, es gibt Tage in Hookipa, die dich bis ins Mark erschrecken, ängstigen, um dein Leben fürchten lassen. Die Welle läuft so dicht am Ufer, dass dir die Leute wie in einer Arena zuschauen. Kürzlich meinte Ex-Weltmeister Kevin Prichard zu mir: ‚Shawna, geiler Cutback!‘ Das hat mich gefreut. Doch wenn du rum murkst, kriegst du es genauso zu hören.
Es ist nicht so, dass ich hier ins Wasser sprang und gleich die Königin von Hookipa war. Überhaupt nicht. Ich musste alle Deppen-Stadien durch machen. Zuerst war ich ein schwimmendes Hindernis und jeder dachte sich: ‚Verdammt, die Tante ist mir im Weg!‘ Es ist wie in einem Videospiel da draußen. Du musst dir Punkte verdienen, erst dann darfst du ins nächste Level und in den Sweetspot. Beim Wellenreiten noch mehr als beim Windsurfen. Doch wenn ich heute auf einer Welle surfe, weiß jeder: Das ist Shawnas Welle!
Gar keinen. Jahre lang habe ich hier gekämpft, mich gefürchtet, ob beim Wellenreiten oder beim Windsurfen. Oft habe ich beim Aufriggen am ganzen Körper gezittert, wenn die Wellen in die Bucht donnerten. Doch dadurch fühlte ich mich auch verdammt lebendig. Wie selten sonst im Leben. Und wenn du dann die Situation meisterst, erlebst du das beste Gefühl der Welt. Da kommt keine Droge der Welt ran.
Große Wellen sind immer aufregend. Gerade in Hookipa. Das Gute: Ich kann mein Kind zur Schule bringen, in zehn Minuten nach Hookipa fahren, mich in die Wellen stürzen, mir eine Adreanlin-Dröhnung besorgen, als wäre ich zum Mars geflogen und zurück kommen, um wieder eine normale Mama zu sein, die ihr Kind von der Schule abholt. Und wenn mir was in den Wellen kaputt geht, bin ich gleich wieder am Strand mit einem Lifeguard, der sagt: ‚Shawna, willst du ein Bier?‘ Und ich sage: ‚Ja, das brauche ich jetzt.‘ (lacht)
Früher schon. Ich habe zum Beispiel bei Worldcups in Irland mitgemacht und eine Menge Wettkämpfe in England gewonnen. Ich bin auch hier beim Aloha Classic gestartet. Doch mir gefallen Wettkämpfe eigentlich nicht, denn es gibt so viele Variablen bei Contests, die gar nichts damit zu tun haben, wer der beste ist. Ist der Wind eher schwach, haben die schweren Rider kaum eine Chance. Wie Brawzino auf den Kap Verden. Mich beeindrucken eher die Surfer, die jeden Tag rippen.
Bernd Roediger hat einen schönen Style. Keith Taboul sieht klasse aus: Er windsurft so wie er wellenreitet. Oder Camille Juban. Mir gefallen die leichteren Typen, die tänzerisch aussehen, besser als die Kraftpakete. Doch das liegt daran, dass ich selbst leicht bin und mich deswegen eher von den Leichtgewichten inspirieren lasse. Ich finde die unterschiedlichen Charaktere auch witzig. Ich schwamm draußen rum, weil mir der Mast gebrochen war und Camille Juban surfte vorbei. Er rief: ‚Bist du okay?‘ doch surfte weiter, weil er sich gerade selbst filmte. Später am Strand sagte er mit seinem französischem Akzent: ‚Sorry Shawna, normalerweise hätte ich dir geholfen, doch ich filmte mich gerade.‘ Da mussten wir dann beide sehr lachen.
Wir reden über Style, richtig? Und Keith, Camille oder Bernd surfen so viel besser als ich selbst. Die Frauen dagegen sind zu dicht an mir dran als dass sie mich mit ihrem Style wirklich beeindrucken würden. Die Frauen, die mich flashen, sind die Wellenreiterinnen, denn ihre Bewegungen auf der Welle sind wunderschön.
Nicht per se, doch zu 80 Prozent sind es Männer. Als ich in den 1990ern Windsurfen lernte, waren es zu 100 Prozent Männer. Ich lebte zu dieser Zeit in Irland und all die Surfer-Freundinnen saßen in den Autos. Sie warteten – für Stunden. Auch mein Freund ging windsurfen. Ich schnappte mir mein Mountainbike und erkundete das Hinterland. Als ich nach drei Stunden wieder kam, musste ich dennoch weitere drei Stunden warten. Da saß ich im Auto, schaute aufs Wasser, der Regen prasselte an die Scheiben. Irgendwann kamen die Typen vom Wasser. Wow!, dachte ich, Windsurfen muss ja geil sein, wenn die Burschen so viel Zeit damit verbringen, selbst bei Regen und Kälte. Also ging ich rüber zu den Dudes und sagte: ‚Lass mich das auch mal versuchen!‘
Wenn du die Situation meisterst, erlebst du das beste Gefühl der Welt, da kommt keine künstliche Droge ran!”
Windsurfen ist wild, frei, es hellt die Laune auf und erzeugt inneren Frieden. Covid, Ukraine-Krieg, Älter werden, Beziehungsknatsch – all der Mist bleibt an Land zurück, das Menschen-Geschnattere verstummt. Es fühlt sich an, als würde ich Vitamin Happy nehmen. Unser blauer Planet ist so wundervoll, das wird mir beim Windsurfen besonders bewusst.
Kürzlich sprach mich eine Frau am Strand an. Sie sagte: ‚Das ist der Hammer, was du da machst in den Wellen – krass!‘ Und sie wollte wissen, ob es schwierig sei. Ich sagte: ‚Oh ja, es ist hart. Hart zu lernen, hart zu machen. Und du brauchst einen fitten, starken Körper, um den Sport richtig ausüben zu können.‘
Stimmt. Und sie jammern: ‚Ich verdiente nicht genug, deswegen habe ich aufgehört!‘ Doch ich frage mich: War die Motivation Geld, Ego oder die Liebe zu Wind und Welle? Warum windsurft Robby Naish noch? Ich sag‘ es dir: Windsurfen ist Teil seiner Seele!
Ja, das würde ich. Denn Windsurfen ist in meinen Augen eine Grundfähigkeit wie Segeln. Durchs Windsurfen kriegst du ein Gefühl für Wind und Meer, für Geschwindigkeit und Wellen. Ich könnte mir ein Leben ohne Windsurfen nur schwer vorstellen.
Das betrifft ja nur mich, weil ich’s wirklich wissen will und in großen Wellen surfe. Das muss nicht sein, um die Schönheit des Windsurfens zu erleben. Ich würde meiner Tochter raten, alle Wassersportarten ausprobieren. Warum sich limitieren?
Ja, doch es gefällt mir nicht. Es ist mir nicht dynamisch genug und du kannst nur hin und her fahren wie auf dem Flachwasser. Beim Foilwindsurfen willst du wenig Druck auf dem Mastfuß, also umgekehrt wie beim Windsurfen. Da gefallen mir die anderen Spielformen des Foilsurfens besser. Wingsurfen ist in meinen Augen die bessere Variante des Foil-Windsurfens. Und ein Surffoil kann aus miesen Wellen einen klasse Wellenreittag machen. Doch das gilt natürlich nur für ein Wellenparadies wie Maui.
Ja, ich liebe Wellen. Mit dem Wing kann ich eine Welle nur mit dem Foil abreiten und den Wing locker hinterher ziehen. Das fasziniert mich, besonders wenn es nur kleine Wellen gibt, die mich beim Windsurfen langweilen würden.
Ich weiß noch genau, was mir schwer gefallen ist, daher kann ich mich sehr gut in den Schüler hineinversetzen. Ich habe ein gutes Auge dafür, wo es hakt und kann meinen Schülern die Coreskills vermitteln, damit sie schnell Spaß haben.
Sie drehen zu zaghaft auf der Welle, statt die volle Bewegung auszunutzen. Sie rutschen mit der Hand am Gabelbaum nicht nach hinten. Viele wackeln nur mit dem Hintern, denn sie sind schon gethrillt, auf der Welle zu sein. Doch der größere Thrill ist es, die Welle abzukurven. Um eine Welle richtig zu surfen, brauchst du ein gutes Timing, also einen kraftvollen Einsatz zur richtigen Zeit. Gerade beim Cutback. Nur so fliegst du richtig aus dem Topturn. Für uns ist das ein ganz anderer Move, ob du nur so an der Wellenlippe entlang schrappelst, oder richtig aus der Welle raus springst.
Das ist auch okay. Aber Windsurfen in der Welle macht erst dann richtig Spaß, wenn du die nötigen Skills dafür besitzt. Daher mein Appell: Lerne die Skills und genieße den vollen Spaß. Das lohnt sich!
Gelassenheit. Du musst lernen, deine Angst zu kontrollieren. Dein Hirn macht dich schnell verrückt. Zögern ist dein Feind in Hookipa. Das Fahrkönnen spielt eher eine untergeordnete Rolle. Was du allerdings können musst: einen schnellen Wasserstart bei Leichtwind. Denn in der Bucht gibt’s kaum Wind. Wer nicht blitzschnell wieder aufs Brett kommt, den räumen die Wellen ab. Das unterschätzen viele gute Windsurfer, die starken und konstanten Wind gewohnt sind.
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„Shawna ist ständig in Hookipa. Sie liebt Windsurfen und hat keine Angst. Selbst in großen Wellen. Shawna ist immer gut drauf und voller Energie.“
„Shawna ist ‚bad ass‘ auf dem Wasser. Sie greift immer an, selbst in krassen Bedingungen und jagt die beste Welle. Shawna ist wild – im Wasser und an Land. Definitiv eine spannende, witzige Frau!“
„Shawna liebt Windsurfen über alles. Sie will immer auf dem Wasser sein und besser werden. Es ist toll, dass sie sich so für den Sport begeistern kann und aus den richtigen Gründen dabei ist.“
„Ich trainiere Profi-Sportler und surfe ständig in Hookipa. Shawna fiel mir sofort auf, denn keine andere Frau surft hier mehr als sie. Ihr Drive und ihre Energie beeindrucken. Je höher die Wellen, desto besser wird sie. Auf dem Wasser lautet ihr Motto: ‚Pedal to the Metal!‘“
„Shawna lebt den Windsurfsport durch und durch. Wenn sie nicht in Kanaha schult, sieht man sie in Hookipa, wo sie ein fester Bestandteil der Szene ist. Shawna versprüht jede Menge positiver Energie und gibt sich auch die größeren Tage mit über masthohen Wellen.“
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