StrippenzieherMartin Brandner im surf-Interview

Andreas Erbe

 · 31.07.2022

Strippenzieher: Martin Brandner im surf-InterviewFoto: Thorsten Indra

28 Jahre lang hat sich der Österreicher Martin Brandner damit beschäftigt, uns jedes Jahr neue, noch bessere Boards zu liefern und sein Profiteam zu Höchstleistungen zu pushen. Jetzt genießt er das Leben als Hobbysurfer und Familienvater und tüftelt daran, wie Surfschüler endlich perfekt Halsen lernen – auch ohne neues Board.

(Foto oben: Kauli Seadi (links) und Jason Polakow (rechts) hatten 2012 beim Fotoshooting viel Spaß mit ihrem damaligen Boss Martin Brandner (Mitte)

Martin Brandner war viele Jahre einer der Strippenzieher in der Surfbranche. Als F2-Brandmanager führte er nicht nur die Marke erfolgreich, sondern auch Weltmeister wie Björn Dunkerbeck. Anfang der 2000er trennten sich die Wege, und Brandner war als einer der Gründer der Marke JP-Australia verantwortlich für die einzigartige Erfolgsgeschichte der jungen Company um Wave-Ikone Jason Polakow und Freestyle-Hot-Shot Josh Stone. Gleichzeitig wirkte der Österreicher auch stark im Management-Board des PWA Worldcup mit und pushte dort den Freestyle und die neue Disziplin Supercross – die es leider nicht mehr gibt. 2005 initiierte er, dass Slalom Racing auf Serienboards eingeführt wurde.

JP-Fotoshoots und Videos hat Martin Brandner immer bis ins Letzte durchgeplant.Foto: (Thorsten Indra)
JP-Fotoshoots und Videos hat Martin Brandner immer bis ins Letzte durchgeplant.

2018 kam es zur Scheidung zwischen JP-Australia und Brandner. Seither hat Martin Brandner – heute 57 Jahre alt – vieles nachgeholt, was im Manager-Leben zu kurz kam: Zeit mit der Familie verbringen, ausgiebig Windsurfen als Hobby frönen, die besten Powder-Tage in den Bergen genießen und sich mit viel Training für diese Aktivitäten fit halten.

Jetzt kehrt Martin Brandner auf einer ganz anderen Ebene in den Surfsport zurück: „Ich möchte das Thema Schulung im Windsurfbereich auf ein völlig neues Level bringen.“ Das möchten wir etwas genauer wissen und haben nachgefragt.

Bevor wir auf dein neues Projekt kommen: Erzähl doch bitte noch einmal kurz, wie du in der Surfbranche gelandet bist.

Ich bin von meiner Ausbildung her eigentlich Maschinenbauingenieur. Habe aber nie als reiner Techniker gearbeitet, sondern gleich nach der Ausbildung für eine Firma mit technischen Produkten vier Jahre das Marketing gemacht. Dann bin ich für ein Jahr in die USA gegangen, um dort Marketing zu studieren und mein Englisch zu verbessern. Dieses Jahr hat mich sehr geprägt, da ich tolle Professoren hatte, die nebenbei bei Nike gearbeitet haben. Da ich begeisterter Windsurfer war, kam mir dann die Idee, einem deutschen Windsurfmagazin eine Story über den Gorge anzubieten. Das hat geklappt und hat mich dann, als ich nach Österreich zurückkam, dazu bewogen, mich bei F2 zu bewerben. Ein Jahr später bekam ich dann die Einladung für ein Vorstellungsgespräch und wurde zur rechten Hand des Geschäftsführers.

Während deiner Zeit bei F2 und JP-Australia: Welche waren deine interessantesten Team-Fahrer?

Das ist in etwa so, als wenn dich als Vater mehrerer Kinder jemand fragt, welches dein Lieblingskind ist. Ich habe vor einiger Zeit mal nachgerechnet und festgestellt, dass ich insgesamt mit über 100 Fahrer/innen zusammengearbeitet beziehungsweise sie gesponsert habe. Das macht es also für mich ziemlich schwer, diese Frage zu beantworten. Obwohl es oft ganz schön Nerven gekostet hat, war die Arbeit mit den Athleten ein Aspekt meiner Jobs, den ich ganz besonders gern gemacht habe. Ich könnte ein Buch über die zahlreichen Anekdoten mit meinen Fahrern schreiben. Die Persönlichkeiten waren auch so grundverschieden – das machte es auch sehr spannend. Björn Dunkerbeck, Antoine Albeau, Micah Buzianis, Amado Vrieswijk, Morgan Noireaux, Bernd Flessner und Steven van Broeckhoven waren Vollprofis, auf die man sich in jeder Hinsicht verlassen konnte. Jason Polakow und Josh Stone waren dagegen ganz anders und haben das Leben als Windsurfprofis in vollen Zügen genossen – was es für mich nicht immer ganz einfach machte. Kauli Seadi war dagegen wieder Mr. Super Cool, der generell gemacht hat, was er wollte.

Für Ricardo Campello, der ja als 15-Jähriger zu uns kam, musste ich anfangs fast ein bisschen eine Vaterrolle übernehmen. Obwohl wir relativ oft aneinandergeraten sind, war er trotzdem einer meiner Lieblingsfahrer – ich halte ihn wirklich für einen der talentiertesten Windsurfer aller Zeiten. Generell muss ich jedoch sagen, dass ich mit allen sehr gerne gearbeitet habe. Ich hatte ja das ganz große Glück, dass ich jeden einzelnen selbst aussuchen konnte – daher haben eigentlich alle immer gut zu meinen Marken und zu meiner Vision für diese Marken gepasst. Ich habe mit einigen so lange zusammengearbeitet, dass sie in der Zeit vom etwas verrückten Teenager zu einer tollen Persönlichkeit gereift sind. Vor allem bei Jason war das so. Mit ihm und Micah Buzianis verbindet mich nach wie vor eine schöne Freundschaft.

Für Ricardo Campello musste ich anfangs ein bisschen die Vaterrolle übernehmen.«Foto: Thorsten Indra
Für Ricardo Campello musste ich anfangs ein bisschen die Vaterrolle übernehmen.«

Welche Boards waren deiner Meinung nach Meilensteine, die ihr bei F2 und JP entwickelt habt?

Puh, da gab es einige. Die Sputniks waren wohl die erfolgreichsten Serien-Slalom-Boards aller Zeiten. Wobei die Tatsache, dass die Dinger nicht einfach zu fahren und zu halsen waren, dem Sport wohl nicht so gut getan haben. Dann waren da Axxis und Xantos, die haben wir zu Tausenden verkauft – das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Die wurden ja noch in Österreich produziert. Da musste man schon einige verkaufen, dass sich ein Formensatz gerechnet hat. Xantos war die erste Freeride Linie, bei der die Leichtigkeit des Seins wichtiger war als eine top Performance. Bei JP war meine Philosophie, dass der Boardname den Einsatzbereich erklärt. Da waren dann Freestyle Wave, All Ride, X-Cite Ride und später die Magic Ride Linie unsere Verkaufsschlager. X-Cite Ride und Magic Ride waren sozusagen die Weiterentwicklung des Xantos Konzeptes. Ich persönlich bin immer gerne die sportlichen Super Sport Boards gefahren.

Nach deiner Trennung von JP hast du mit dem Gedanken gespielt, woanders noch einmal im Brett- oder Segelbereich durchzustarten. Warum hast du dich eigentlich dagegen entschieden?

Es war einfach nicht das Richtige dabei, und Ich wollte es auch nicht mehr so wirklich. Nach 28 Jahren ständig um den Erdball fliegen, zwei Marken leiten und unter den top Marken etablieren – beziehungsweise JP komplett von Null aufzubauen. Nachdem ich das alles gemacht habe, fehlte mir dann doch etwas die Motivation. Noch einmal was ganz Neues zu starten und wieder ein ganzes Team aufzubauen und eine Marke zu kreieren oder für eine bestehende Marke einen Platz am Markt zu erarbeiten. Ich habe ja das große Glück, dass es nicht sein musste, und daher habe ich mich dann entschieden, einfach das Leben zu genießen. Ich hatte ja sowieso diesen Traum, früher als normal üblich aus dem Berufsleben auszusteigen.

Wie hast du die freie Zeit genutzt?

Einfach zusammengefasst: für Familie, Reisen, mein Wohnmobil, Windsurfen, Skifahren, SUPen, Motorrad fahren und Sport, Sport und Sport.

Was war die Motivation, dich im Bereich Schulung zu engagieren?

Schon in meiner Zeit bei JP habe ich mir oft gedacht, dass eines der größten Probleme des Windsurfsports ist, dass so viele Leute eigentlich an der Halse scheitern. Viele geben an dem Punkt irgendwann auf, und wieder andere finden sich einfach damit ab, dass sie halt nicht wirklich klappt und leben damit. Dafür geht dann eben der Wasserstart wie im Traum. Ich habe so oft an Stränden gestanden und mir gedacht, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Windsurfer gar nicht in den wirklichen Genuss dieses traumhaften Sportes kommen, da sie sehr oft bei ihrer Halse reinfallen oder sie nicht durchgleiten. Dabei beginnt der Spaß am Windsurfen doch erst mit einer durchgeglittenen Halse. Wir haben uns immer sehr bemüht, auch Boards anzubieten, die extra leicht halsen. Aber auch diese Boards halsen nicht von selbst – und wenn man die allerwichtigsten Punkte bei einer Halse nicht kennt oder sie anwendet, klappt sie einfach nicht. Schon damals habe ich mir gedacht, dass man da eigentlich was machen müsste, um den Leuten zu helfen, über diesen Punkt hinwegzukommen.

Die Powerhalse ist für Martin das Schlüsselmanöver. Mit modernster Technik will er sie anderen Surfern  vermitteln.Foto: Privat
Die Powerhalse ist für Martin das Schlüsselmanöver. Mit modernster Technik will er sie anderen Surfern vermitteln.

Windsurfen hat mir in meinem Leben alles gegeben – meinen absoluten Traumjob, bei dem ich meine Leidenschaft mit meinem Beruf verbinden konnte. Und er gab mir die Möglichkeit, mit großartigen Menschen – Worldcup-Fahrern, Mitarbeitern, Kollegen, Medienvertretern, Produzenten und internationale Kunden zu arbeiten und mehr oder weniger Tag und Nacht Windsurfen zu leben, zu denken, und die Welt zu bereisen. Letztendlich erlaubte mir Windsurfen auch, meinen Traum zu leben und nur mehr mache, was mir Freude macht. Ich möchte daher mit diesem Camp gerne dem Windsurfen etwas zurückgeben, indem ich den Camp-Teilnehmern helfe, noch mehr Spaß zu haben. Weil die durchgeglittene Halse endlich klappt, sie flott angleiten und richtig schnell werden.

Was ist das Besondere an deinem Camp? Was unterscheidet es von anderen erfolgreichen und bewährten Camps?

Ich habe einen ganz neuartigen Halsensimulator entwickelt, mit dem am Strand die wichtigsten Steps der Halse geübt werden können. Neben der Rigg-Steuerung kann damit auch das Aufkanten des Boards, der Druck auf den Mastfuß, die richtige Gewichtsverlagerung und das Segelschiften mit Winddruck simuliert werden.

Darüber hinaus verwende ich eine detaillierte Drohnenvideo-Analyse und kann mit den Teilnehmern auch auf dem Wasser über Funk in Verbindung bleiben. Die 4K-Videos und die Fotos, die ich dabei von allen Teilnehmern mache, bekommt dann natürlich jeder auf einem USB Stick mit. Als Dreingabe gibt es für Interessierte noch zusätzlich ein spezielles Fitnesstraining mit Aufwärm- und Dehnungsübungen fürs Windsurfen. Ja, und dann gibt es noch die vielen Stories, die ich nach 28 Jahren als Manager in der Windsurfbranche vor allem im Zusammenhang mit meinen Fahrern erlebt habe. Die sorgen immer wieder für ein sehr unterhaltsames Abendprogramm.

Natürlich beherrscht Martin Brandner auch die Schlüsselmanöver hervorragend.Foto: Privat
Natürlich beherrscht Martin Brandner auch die Schlüsselmanöver hervorragend.

In deinem Camp geht es in erster Linie um die durchgeglittene Halse. Ist das für dich das Schlüsselmanöver beim Windsurfen?

Ja, ganz klar! Wie vorher gesagt, beginnt für mich damit erst der Spaß am Windsurfen. Leider ist die typische Karriere eines Windsurfers ja so, dass er einmal einen Anfängerkurs macht, der ihn in die Lage versetzt, raus und rein zu fahren. Dann folgt im besten Fall oft noch ein Trapez- und Wasserstartkurs, und dann versuchen die meisten Windsurfer das Konzept von Learning by doing. Ich selbst war als 18-Jähriger auch einer dieser Selbstlerner – allerdings von Anfang an. Nur bei der Halse bin ich dann angestanden. Ich war kurz davor, den Windsurfsport aufzugeben – habe mich
dann aber Gott sei Dank drei Jahre später entschieden, am Gardasee einen Halsenkurs zu machen – und innerhalb von ein paar Tagen und nach nur einer Handvoll Tipps hat sie geklappt.

Für mich ist das ja ein ganz spezielles Phänomen des Windsurfens, dass so wenige Leute Fortgeschrittenen-Kurse machen. In anderen Sportarten ist das ganz anders. Engagierte Tennisspieler nehmen sich immer wieder einmal ein paar Trainerstunden, um ihre Technik zu verfeinern. Ich persönlich hatte da ein weiteres Schlüsselerlebnis. Ich bin staatlich geprüfter Skilehrwart (Österreich) – habe diese Ausbildung aber vor 35 Jahren gemacht. Damals gab es keine Carvingski. Als ich bei F2 war, bin ich viele Jahre nur auf dem Snowboard gestanden, dann kamen die Carvingski. Ich musste das natürlich sofort ausprobieren und hab mich sehr gewundert, weil es nicht wirklich gut geklappt hat. Da hab ich mich kurzerhand entschlossen, mir für einen Tag einen guten Skilehrer zu nehmen und innerhalb von einem Tag hatte ich die Carvingtechnik raus.

Du hast einen eigenen Halsen-Simulator entwickelt und gebaut. Erkläre uns einmal das Prinzip dahinter.

Ich möchte eigentlich nicht zu viele Details verraten, da er sonst womöglich gleich nachgebaut wird. Ich verwende ein normales Windsurfboard, das auf einer drehbar gelagerten Platte dreidimensional beweglich befestigt ist und zusätzlich auf Luftpolsterelementen aufliegt. Durch Rigg-Steuerung kann ich das Board anluven und abfallen lassen – da sich durch das Bewegen des Riggs das Board um einen definierten Mittelpunkt dreht. Durch die Luftpolsterelemente kann die notwendige Gewichtsverlagerung während einer Halse simuliert werden.

Halsentrainer
Foto: Privat

Bislang ist ein Camp im September auf Rhodos geplant. Möchtest du weitere Camps, eventuell auch mit anderen Inhalten und an anderen Spots, veranstalten?

Mal schauen, wie sich das alles entwickelt. Es geht mir bei dieser ganzen Sache ja nicht nur um mein Camp. Sondern ich habe da diesen Traum, dass sich dadurch einfach mehr Leute dazu entscheiden, einen Halsen- oder Fortgeschrittenenkurs zu machen – oder nur ein paar Einzelstunden nehmen, um wirklich die volle Dimension dieses fantastischen Sportes zu erleben. Aber ja, wenn es entsprechende Nachfrage gibt, kann ich mir vorstellen, mehr Camps zu machen. Doch es wird wohl vor allem bei dem Focus auf die Powerhalse bleiben, denn sie ist für mich das Schlüsselmanöver beim Windsurfen.

Nähere Infos zu dem »Jibe, Speed, Fitness & Fun« Camp am Pro Center von Jürgen Niens und Bertrand Crausaz auf Rhodos findet ihr gleich hier-> Telefon Surf and Action +49 89 6281670