Ein Schleudersturz machte den Mann aus Lindau am Bodensee weltberühmt. Dem Windsurfing Magazin, 1976 das Einzige weltweit, war es ein doppelseitiges Poster in Heftmitte wert. Kurz davor errang er den Vize-Weltmeister-Titel, der Startschuss für den Tausendsassa zu seiner Karriere.
Vize-Weltmeister, Surfschul- und Surfshopbesitzer im Lindauer Eichwaldbad seit 1975, dann Aufstieg zum Stadt- und Kreisrat. Eigner einer Werbeagentur, das alles genügte dem Kreativgeist vom Bodensee noch lange nicht. Jetzt baut Hermann Kreitmeir im italienischen Piemont auch noch Wein an.
Hermann, haben wir noch eine Tätigkeit oder sonstigen Job vergessen?
(Lacht) Skilehrer für Akrobatik, aber das ist schon länger her. Und ich war auch mal in der Faustball-Nationalmannschaft.
Kommst du überhaupt noch zum Windsurfen? Und wenn ja, wo?
Eigentlich nur noch im Schulbetrieb, wenn ich Untericht auf dem Wasser gebe.
Das Poster mit dem Schleudersturz? Wie kam das zustande?
Nach der WM wollte ein lokaler Redakteur Bilder von mir. Bei Föhnsturm mit zirka sechs Beaufort sind wir vor der Lindauer Hafeneinfahrt raus, ich war mit dem gelben Ten Cate unterwegs. Vor lauter Übermut wollte ich nach dem Foto-Shooting noch ins Wasser und habe diesen Schleudersturz provoziert. Der Fotograf schickte das Dia dann ans Windsurfing Magazin in München. Und Peter Brockhaus ließ es gleich als Poster drucken.
Gegen Karl-Heinz Stickl, der auch schon seit 35 Jahren eine Surfstation am Gardasee führt, hast du bei der Windsurfer-WM 1976 auf den Bahamas knapp verloren. Hattest du überhaupt mit dem Vize-Titel gerechnet?
Ach nein, der ergab sich einfach so. Bei den vier Qualifikations-Wettfahrten und den anschließenden Finalrennen war die Dünung bei wenig Wind ähnlich wie hier am Bodensee. Das waren genau meine Bedingungen.
Damals gab’s bei einer Weltmeisterschaft Gewichtsklassen. Warum?
Das Rigg des original Windsurfer hatte nur 5,8 Quadratmeter Segelfläche. Es war ungerecht, wenn ein 45-Kilo-Surfer gegen einen 85-Kilo-Brocken antrat. Außerdem musste das Problem mit den 350 Teilnehmern gelöst werden, die konnten ja nicht alle gleichzeitig in die Wettfahrten gehen.
Deine Surfstation glänzt mit ein paar Besonderheiten. Ein großes motorisiertes Floß als Basis. Was steckt dahinter?
Es dient als Basis für den Windsurf-Unterricht, dann wieder mal als Plattform für Film- und Fernsehaufnahmen. Am Wochenende auch mal als Partyboot. Einmal feierte der Ferarriclub Deutschland sein 30-Jähriges. Das Ferrari-Cabriolet des Präsidenten, welches per Kran auf dem Floß plaziert wurde, diente als Ziel eines Gleitschirm- Piloten, der aus einem Zeppelin sprang.
Als Trendsetter bietest du in deiner Surfschule jetzt auch SUP an. Schlägst du damit die Flauten am Bodensee tot?
Soviel Flauten haben wir am Bodensee gar nicht, aber wir erweitern damit unser Wassersportprogramm, wenn dem einen oder anderen zu wenig Wind ist. Wir sind ein Einsteigerrevier und eigentlich nur für den, der in Lindau wohnt und bei Hack dann sofort am richtigen Fleck ist, ein Starkwind-Spot.
Was darf man als nächstes von dir erwarten?
Soll ich jetzt ehrlich sein? Abdanken (lacht), nein, die Übergabe der Surfstation an die jüngere Generation, sprich an meine Söhne.
Was macht Hermann dann?
Alles, was ich bei den Schnappschuss-Fragen schon erwähnt habe. Der Kopf ist voll mit unkommerziellem Blödsinn. Mal schaun, was draus wird.
Wie bist du auf Weinanbau gekommen?
Ich dachte, meine Aufenthalte im Piemont seit 1971 lassen in der Lust für Essen und Trinken, sprich Weine, irgandwann mal nach. Da dies nicht eingetreten ist, habe ich 1998 ein Haus mit Weinberg gekauft und der Wein war immer gut. Und ich hab’ trotzdem das Gefühl, man könnte ihn noch besser machen.
Schnellschüsse:
Wasser oder Berge?
Wasser, weil man drauf surfen kann.
Windsurfer oder Windglider?
Windsurfer, weil ich auf einem gelben Ten Cate aufgewachsen bin.
Flachwasser oder Welle?
Welle, weil es dann auch meistens mehr Wind hat.
Bodensee oder Ostsee?
Bodensee, weil ich lieber auf einem Trinkwasserspeicher surfe.
Locker oder ehrgeizig?
Ehrgeizig, aber nicht mehr beim Surfen, sondern in der Politik und beim Weinbau.
Wie entspannst du am besten?
Auf dem Motorrad, da fetzt die Landschaft an mir vorbei. Außerdem bin ich ein alter Easy-Rider-Fan.
Mit wem würdest du gerne für einen Monat tauschen?
Mit meinem Freund Andreas von Bechtoldsheim (die Red.: mehrfacher Milliardär und Freund von Hermann), um zu fühlen, was es heißt, finanziell unabhängig zu sein. Zwei Wochen würden aber auch reichen...
Wovor hast du Angst?
Vor AKWs, wir haben gesehen wie gefährlich Tschernobyl war. Deshalb liebe ich Italien und Österreich, die haben keine.
Fünf Dinge, die du machen willst, bevor du stirbst?
Besser Italienisch lernen: einen super Wein machen; mit dem Motorrad quer durch USA; mit dem Elektromotorrad durch die Sahara mit Solarsegel. Ich fahre dann in der Nacht und lade am Tag wieder auf; noch einen Turm in Italien mit allen regenerierbaren Energien bauen.
Fünf Dinge, die du magst?
Meine Berufe; die Bürgerzeitung Lindau; die Surfschule, die Politk und die Enkelkinder.
Fünf Dinge, die du hasst?
Intolerranz; Ungerechtigkeit; verschlafene Autofahrer; Radler, die sich daneben benehmen und zu lange Winter.
Picknick oder Gala-Dinner?
Picknick, am liebsten auf meinem Floß mitten auf dem Bodensee.
TV oder Buch?
Buch, weil ich alle Bücher die ich lesen wollte, gekauft habe. Gelesen hab’ ich noch nicht alle, aber die Vorfreude ist schon da.
Party-Animal oder früh im Bett?
Früh im Bett, weil ich auf Parties immer einschlafe. Aber dafür sehe ich 365 Sonnenaufgänge.
Segel- oder Motorboot?
Segelboot, weil es im Kopf ein Holzboot ist. Macht mehr Spaß.
Rebell oder politisch korrekt?
Rebellisch, weil, wenns man’s ehrlich meint und sagt, und quer denkt. Vordenker, es wird niemals langweilig.
CSU oder Grüne?
CSU, weil ich’s schon fast 30 Jahre mach’.
Was führt dich in Versuchung?
Planen von außergewöhnlichen Events und Reisen mit meiner Frau und Familie.
Geburtsdatum: 30.9.1953
Wohnort: In Lindau auf der Insel und immer öfter in der italienischen Provinz Piemont
Beruf: Taussendassa und Hans Dampf in allen Gassen
Surft seit: 1973, vorwiegend am Bodensee
Homespot: Lindau, am Eichwaldbad
Musik: Reggae
Hobbys: Wein anbauen, in die Sahara fahren, Stühle und Liegen aus Fassdauben bauen
Größter Erfolg: 2. Platz Windsurfer-WM 1976 Schwergewichtsklasse
Website:www.hermanno.de