Diese Freeracesegel sind im Test dabei:
Die Segel dieser Gruppe mögen für manche wie Dinosaurier wirken, doch für andere bieten sie schlichtweg den größtmöglichen Surfgenuss. Natürlich hätten wir an einigen Tagen auch ganz entspannt mit einem 5.3er-Segel auf dem Foil fahren können, aber das ist letztlich ein anderer Sport. Es fehlt dieses kernig-knackige Gefühl, wenn du mit einem 7.8er-Segel angepowert über Kabbelwellen bretterst, wenn du deinen Körper von den Zehen bis zu den Schultern anspannst. Das ist zwar anstrengend, aber genau das macht auch den Reiz aus – mit Kraft und Körperspannung wirklich das Letzte aus dem Segel herauszukitzeln, anstatt nur auf einem Foilboard zu balancieren. Einfach mal richtig durchziehen, das Brett will abheben, und du kämpfst dagegen an. Du kämpfst gegen die Naturgewalten, und du hast diesen direkten Wasserkontakt – etwas, das du mit einem Foil nie in der Form erleben wirst, egal ob mit Wing oder Segel.
Deshalb hat diese Segelgruppe weiterhin ihre Berechtigung, auch wenn viele aufs Foil oder sogar direkt zum Wing wechseln. Aber das Gefühl, mit einem 7.8er-Segel und einer 40er-Finne bei 18 bis 25 Knoten übers Wasser zu donnern, bleibt unvergleichlich. Einige dieser Segel lassen sich auch hervorragend zum racemäßigen Foilen einsetzen, vor allem die Modelle mit etwas kompakterer Gabelbaumlänge. So deckt man einen enormen Windbereich ab, wenn man mit demselben Segel ab acht Knoten foilt und ab etwa 15 Knoten zur Finne wechselt. Damit erreicht man mit einem einzigen Segel eine größere Windrange als mit jedem anderen Wassersportgerät.
Auch unabhängig davon bietet diese Segelgruppe eine riesige Einsatzspanne. Mit Anpumpen auf einem guten Freerace- oder Freerideboard geht es bei etwa 13 Knoten los – bei einem Körpergewicht von 80 bis 85 Kilo – und erst deutlich über 20 Knoten ist dann Schluss. Die Segel bleiben bis dahin durchweg kontrollierbar. In einem Bereich, in dem man schon locker ein 6.2er-Segel fahren könnte, waren wir noch absolut souverän unterwegs. Der mögliche Windeinsatzbereich wird also nicht durch mangelnde Kontrolle dieser Segel eingeschränkt. Nur wenn du absoluter Speed-Junkie bist und auf den letzten km/h im oberen Windbereich gehst, werden die Unterschiede zwischen den Modellen spürbar. Wer aber aus dem normal bis gut angepowerten Bereich frühzeitig umriggt, kann problemlos auf ein 5.5er-Manöversegel oder Freeridesegel wechseln – lange bevor die Segel backhanded werden oder unkontrollierbar erscheinen.
Bei den Cambersegeln haben die Hersteller in den letzten Jahren ihre Modellpaletten gestrafft. Statt eines Zweicambers und eines separaten Dreicambers gibt es nun oft nur noch ein Segel, das die besten Eigenschaften beider Konzepte vereinen soll – so zuletzt auch bei Gunsails und Severne. Die Anzahl der Camber sagt dabei, wie unser Test zeigt, wenig über die Charakteristik aus. Das NeilPryde-Segel mit nur zwei Cambern ist eines der straffsten und sportlichsten, während das Duotone mit drei Cambern ein besonders geschmeidiges Handling in der Halse bietet. Während früher jeder Hersteller ein Freeride-Cambersegel und ein reines Freerace-Modell im Programm hatte, fällt diese Unterscheidung heute weitgehend weg. Dennoch sind die Unterschiede innerhalb der Gruppe groß genug, sodass jeder seinen Favoriten findet – wie wir in der späteren Typempfehlung noch zeigen werden. Die Gruppe deckt mit neun Segeln die Bandbreite vom komfortablen Freeride-Cambersegel bis hin zum extrem sportlichen Fast-Race-Segel ab.
Bevor diese Segel an die Kontrollgrenze kommen, hat man normalerweise schon lange umgeriggt.”
An Land trennt sich die Spreu vom Weizen oder, besser gesagt, die Racer von den Freeridern schon beim Aufbau. Allein die Trimmkräfte in dieser Gruppe variieren extrem. Von wirklich moderaten Kräften bei Segeln wie dem Duotone oder dem Goya bis hin zu sehr hohen Spannungen beim Point-7 oder dem NeilPryde V8, bei denen man entweder über gute Technik mit dem Trapezhaken trimmen muss oder aus Komfortgründen zur Trimmkurbel greifen darf, ohne sich zu schämen.
Diese Trimmkräfte hängen stark mit der Masthärte und Biegekurve zusammen und beeinflussen die Stabilität des Segels. Segel mit hoher Vorspannung – straff gespannt bereits ohne Zug am Schothorn – lassen sich mit locker eingehängtem Schothorn sehr gut surfen. Dazu zählen etwa das NeilPryde V8, das Point-7 und das GunSails. Bei diesen Modellen reicht schon die Vorlieksspannung, um im unteren bis mittleren Windbereich ohne Schothornzug maximale Gleitpower zu erzeugen – ganz ohne Druckpunktwanderung. Bei Segeln mit weniger Vorlieksspannung und weniger steifem Profil, wie dem Duotone oder Goya, wird mit zumindest leichter Spannung am Schothorn wie beim Lifting das Profil gestrafft. Segel mit nur locker eingehängtem Schothorn können in der Halse weniger direkt wirken und einen etwas undefinierten Camber-Ruck zeigen, was in der Endphase der Halse etwas mehr Gespür und Haltekraft erfordern kann.
Sämltiche Test-Modelle überzeugen durch einen sehr guten Materialstandard. Alle Segel zeigen ein mittel bis stark ausgeprägtes Loose Leech. Dabei sollte man beachten, dass die Trimmangaben der Hersteller nicht immer sklavisch zu befolgen sind. Beim NeilPryde ist es beispielsweise schwierig, überhaupt den Maximumpunkt zu erreichen – dieser scheint unserer Einschätzung nach zu weit vorne im Segel angebracht zu sein. Auch bei Duotone erscheint die vorgeschlagene, besonders große Trimmrange nicht in jedem Fall sinnvoll nutzbar. Der Aufbau gelingt bei allen Segeln gut bis sehr gut. Die Camber von NeilPryde und Point-7 sitzen schon beim Aufbau recht stramm am Mast und erfordern eine sorgfältig eingestellte Vorlieksspannung, bevor man sie einrastet. Auf dem Wasser zeigen sich diese beiden Segel auch im neuen Zustand noch etwas unwillig bei der Rotation. Alle anderen Camber rotieren deutlich geschmeidiger, besonders angenehm beim Duotone-Segel. Betrachtet man die Position der Trimm-Markierungen, fällt auf, dass der einzelne Trimm-Punkt beim GunSail dort liegt, wo beim NeilPryde gerade die Mitte zwischen Min und Max markiert wird. Bis hierher getrimmt hat auch das NeilPryde bereits reichlich „Loose“.
Auf dem Wasser zeigen sich neben messbaren Leistungs- vor allem charakterliche Unterschiede – ob das Segel straff und direkt in den Händen liegt oder weich und gedämpft Böen und Schläge weitergibt und somit ein komfortableres Gefühl bietet. Einen Teil der Gruppe würden wir als Freeracesegel mit starker Freeride-Orientierung einstufen, den anderen als kompromisslos sportliche Freerace-Profile. Zu den komfortableren und manöverfreundlicheren Modellen zählen vor allem Duotone, Goya, Sailloft und Severne.
Hier gibt’s Speedfeeling pur und die größte Windrange in einem Trimm.”
Auf der sportlicheren Seite stehen Point-7, das NeilPryde und das Naish. Eine Ausnahmeerscheinung stellt das North-Segel dar: Aus Hightech-Laminaten verschweißt, liegt es federleicht in der Hand und rotiert so sanft, als würde man eine Luftmatratze wenden. Dazu verspürt man ein ganz neues Fahrgefühl im unteren bis mittleren Windbereich – mit ungekannter Leichtigkeit und dennoch gutem, druckvollem Vortrieb. Im oberen Windbereich kommt das Segel jedoch an seine Grenzen, da der aufblasbare Aircamber für ein sehr dickes Polster hinter dem Mast sorgt, was offensichtlich den Topspeed im Vergleich begrenzt.