Manuel Vogel
· 15.12.2024
Alles begann während der Corona-Pandemie. Ich saß auf Maui und rund um den Globus steckten die Leute im Lockdown fest. Ich wollte die Windsurf-Community zumindest vor dem Computer zusammenbringen und begann, Livestreams zu machen, bei denen man sich einklinken und Fragen stellen konnte. Am häufigsten wurden tatsächlich Fragen rund um die eigene Fahrtechnik gestellt. Deshalb folgten einige Livestreams zu bestimmten Coaching-Themen. Natürlich war es naheliegend, sich nach dem Ende der Pandemie nicht mehr nur digital zu treffen, sondern auch zu echten Coachings. Das erste Masterclass-Camp fand dann vor einigen Jahren in Klitmøller statt und 2025 wird es auch Veranstaltungen in Marokko, Gran Canaria und auf Maui geben.
Ich habe schnell festgestellt, wie erfüllend es sein kann, anderen dabei zu helfen, besser zu werden - das hätte ich früher nie gedacht. Davor habe ich mich als Profi immer über Wettkämpfe definiert. Das Dumme daran ist, dass die meisten Profis Wettkämpfe nicht besonders mögen - es sei denn, sie gewinnen (lacht). Permanent beschwert sich jemand über die Bedingungen, die eigene Leistung, das Judging - der Vibe ist oft ziemlich schlecht. Beim Coaching ist es anders, da sind alle happy und haben Spaß zusammen.
In der Regel ist die Gruppe der Teilnehmenden ziemlich heterogen. Da sind richtig gute Wavesurfer dabei und Leute, die erst ins Waveriding einsteigen. Um teilzunehmen, sollte man sich an Tagen mit kopfhoher Brandung halbwegs wohl fühlen, sicher übers Weißwasser gelangen und die Höhe gut halten können. Generell hat es sich als Vorteil erwiesen, dass nicht alle auf dem gleichen Level sind. Die guten Waver können mal was vormachen und die anderen inspirieren. Zudem motiviert es die schwächeren Surfer, gewisse Dinge auszuprobieren.
Die Fahrtechnik ist völlig irrelevant, wenn du auf der Welle am falschen Ort bist
Die Leute denken immer, es geht nur um die Technik. Da wird über Backfoot- und Frontfoot-Waveriding philosophiert, über Grip und Vorlage. Nicht dass das alles irrelevant wäre, aber es ist völlig nutzlos, wenn du dich beim Waveriding am falschen Ort auf der Welle positionierst. Du kannst nicht einfach einen Bottom Turn fahren und dann mal schauen wo du ankommst, sondern musst dich der Welle anpassen, damit der Cutback dort passiert, wo du Energie von der Welle bekommst. Erst wenn das Timing passt, wird auch der Rest relevant.
Ich denke, dass es weniger sinnvoll ist, sich zu viele Gedanken über die genaue Technik zu machen, sondern zuerst über die Funktion nachzudenken. Du kannst zum Beispiel einen Cutback aus technischer Seite betrachten: Was machen die Arme, wie belastet man das Rail, und so weiter. Oder du kannst es von der anderen Seite angehen und dich fragen, was die Funktion des Cutbacks ist - nämlich die Energie der Welle in einen Turn umzumünzen. Ich nenne es High-Five-Konzept. Es bedeutet, dass bei einem guten Cutback die brechende Lippe die Unterseite des Boards treffen muss. Die Energie der Welle überträgt sich dann ins Brett und mündet in einem schnellen, kraftvollen Turn. Sobald du also die Funktion in den Vordergrund stellst, passt du deine Technik teilweise unbewusst schon entsprechend an.
Die Energie eines Sturms wird Wellenenergie, die Energie der Welle wird Boardspeed - darum geht’s beim Waveriding
Auch Wave-Neueinsteiger sollten nach brechenden Wellenlippen Ausschau halten, anstatt Bögelchen auf runden Wellenschultern zu fahren, denn du bekommst sonst keine Energie zurück und gewöhnst dir Fehler an. Aber natürlich hast du Recht, wenn die Wellenhöhe außerhalb der eigenen Komfortzone ist, kann es respekteinflößend sein. Mein Tipp wäre dann: Statt konservative Bögelchen auf großen aber runden Wellenschultern zu fahren, schnapp dir die kleineren Brecher oder sogar Weißwasserwellen und traue dich dann zu 100 Prozent, den High Five zu machen. Ich sage den Teilnehmern immer: Der Bottom Turn ist dein Job, der Cutback ist Aufgabe der Welle!
Beim Bottom Turn machst du die Arbeit, beim Cutback die Welle
Auch hier gibt’s natürlich viele Fehlerquellen, am häufigsten beobachte ich ein falsches Schlaufensetup, denn viele Waverider haben die Schlaufen so eng eingestellt, dass nur die Zehen zu sehen sind. Damit du beim Abreiten Kontrolle übers Board bekommst, müssen die Füße weit genug rein rutschen. Natürlich geht das nur, wenn die Schlaufen seitlich Halt bieten, damit man das Brett nicht unkontrolliert verliert. Der Halt in den Schlaufen entsteht an den Seiten, nicht oben. Auch der Stance ist wichtig, ein etwas breiterer Stand eröffnet dir die Möglichkeit, den Druck auch weiter aufs Heck oder nach vorne zu bekommen.
Ich kenne dieses Problem selber von mir, als ich meine ersten Doppelloops probiert habe. Ich bin raus mit Impactweste und Helm, voller Adrenalin - habe dann in einer zweistündigen Session aber manchmal nur zwei oder drei Versuche gemacht. Hinterher war ich gefrustet und hatte die gesamte Zeit auf dem Wasser nicht genossen, weil ich meine To-do-Liste die ganze Zeit im Kopf hatte. Daraufhin habe ich mir angeschaut, wie Sportler in anderen Sportarten neue Tricks lernen und das time block learning für mich entdeckt.
Time block learning ist der Gamechanger! Du definierst vorher ein Zeitfenster - das können zehn Minuten sein bis hin zu 30 Minuten - während diesem du nur eine Aufgabe hast: Deinen neuen Move! Wenn deine Mission der Frontloop ist, machst du Frontloops. Du fährst nicht einfach hin und her, wenn keine passende Welle kommt, sondern machst dich aktiv auf die Suche nach Rampen. Und wenn keine perfekten Rampen kommen, machst du es eben über weniger perfekte Rampen. Du reitest keine Wellen, auch nicht, wenn die Welle deines Lebens reinrollt (lacht)! Disziplin ist absolut wichtig, weil du sonst schnell abgelenkt bist und den Fokus verlierst. Du kannst in 20 Minuten viel schaffen und sobald die Zeit abgelaufen ist, hast du den Job erledigt, egal wie viele Versuche du hattest und ob diese erfolgreich waren. Das Thema ist raus aus deinem Kopf und du kannst den Rest der Session einfach nur noch Spaß haben und Dinge machen, bei denen du dich wohl fühlst, ohne schlechtes Gewissen.
Ich denke, sich selbst mal auf Video zu sehen, ist extrem wichtig. Beim ersten Mal ist man meist geschockt und denkt: “So sieht das bei mir aus? Um Gottes Willen!” (lacht). Der Grund dafür ist, dass Realität und Gefühl oft so weit auseinander liegen. Aber diese Erkenntnis ist heilsam, denn wie willst du etwas besser machen, wenn du offensichtlich gar nicht das tust, was du glaubst zu tun? Videomaterial kann helfen, das Gefühl an die Realität anzupassen. Dadurch kann man technische Verbesserungen effizienter vollziehen. Natürlich wäre es ideal, das Videomaterial direkt nach dem Move zu sehen und Verbesserungen durchzuführen, aber auch wenn es am nächsten Tag geschieht, ist der Nutzen noch groß.
Ich denke die perfekte Gruppengröße ist irgendwo zwischen acht und zehn Personen und ich halte die Gruppen bewusst klein. Es hängt auch etwas vom Spot ab. Die Online-Kurse sind natürlich größer, da funktioniert es auch mit 30 oder 40 Teilnehmern gut.
Ich habe eine Website, auf der alle Informationen zu finden sind. Außerdem gibt’s eine Facebook-Gruppe und auch beim kostenlosen Live-Coaching, welches jeden Sonntag auf meinem YouTube-Kanal stattfindet kann man vorbeischauen.