Tobias Frauen
· 22.09.2025
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Der allererste World Cup auf Sylt war eigentlich ein Euro-Funboard-Cup. Dass daraus mehr werden sollte, war aber schon klar, die sponsorende Brauerei hatte bereits eine deutliche Aufstockung des Preisgeldes zugesagt, und auch die skeptische Sylter Kurverwaltung war nach der Premiere überzeugt. Der Event war gleichzeitig auch das erste Waveriding in einem europäischen Revier, der junge Franzose Eric Thieme gewann in der Welle. Deutschlands Top-Star Jürgen Hönscheid wurde nur Fünfter, holt dafür aber den Gesamtsieg. Eine besondere Herausforderung war der bis zu zwei Meter hohe Schaumteppich, der aufgrund der Algenblüte in der Brandungszone lag. Zur Unterhaltung der Zuschauer mussten die Fahrer immer wieder im Schaum nach ihrem Material suchen.
Robby Naish ist der unbestrittene Superstar (so auch der Name eine zeitgleich erschienen Delius Klasing-Buches) beim Sylter World Cup 1984. Er gewinnt alle fünf Kursrennen und liefert sich im Waveriding ein hochspannendes Duell mit Pete Cabrinha. Dabei schreibt Cabrinha Geschichte: Im Finale springt er zum ersten Mal in Europa eine Barrel Roll, einen Vorläufer des Backloops. Nach längerer Jury-Beratung steht fest: Damit hat er die Wave-Wertung gewonnen!
Geschichte wird aber auch im Kursrennen geschrieben: Robbys Segelsponsor Gaastra schickt seine Fahrer erstmal mit einer neuen Erfindung an den Start. Kleine Spangen an der Latte drücken auf dem Mast und sorgen so für ein stabiles Segelprofil - der Camber ist erfunden. Und Robby erfindet gleich mal nebenbei auf dem Wasser das “close the gap”. Damit fährt er allen anderen um die Ohren und gewinnt mit teilweise einem Kilometer Vorsprung. Auch die teuren Profilmasten haben gegen diese vergleichsweise günstige Tuningmaßnahme keine Chance.
Kritik gab es derweil - selbst bei Spiegel und ARD - an der mangelhaften Organisation. Eine planlose Regattaleitung, fehlende Pressearbeit und eine völlig unterdimensionierte Lautsprecheranlage sorgten für Unmut.
Kaum Wind auf Sylt, die meisten Profis sind an der Bar des “American” deutlich mehr gefordert als am Strand. Doch etwas überraschend kommen am zweiten Samstag auf einmal 20 Knoten aus dem Nichts, einige Profis gehen direkt von der Party aufs Wasser. Jürgen Hönscheid, eigentlich der Favorit, verliert überraschend gegen einen jungen Neukaledonier namens Robert Teriitehau. Das Finale gewinnt dann zur allgemeinen Überraschung Robby Naish gegen Pete Cabrinha - auf Slalomboards mit Sechser Segeln. “Hier werden jetzt offensichtlich schon Punkte für Schwimmen und Pumpen verteilt”, motzt Cabrinha in Richtung Judges.
Im Kursrennen, das am gleichen Tag gestartet wird, treten dann zwei Überraschungs-Fahrer in den Fokus: Axel Ohm fährt lange in der Spitzengruppe mit und macht Hoffnung auf einen deutschen Sieg, und der Schwede Anders Bringdal kommt bei seinem allerersten World Cup auf Platz drei. Nebenbei wird auch in diesem Jahr wieder Kritik an der Regattaleitung und der Organisation laut (falsche Flaggen, missglückte Zeitmessung und kein Rahmenprogramm für Flaute).
Der World Cup kommt ihr Fahrt, immer mehr Zuschauer wollen am Brandenburger Strand hautnah dabei sein und viel Presse ist vor Ort. Doch zunächst sehen sie nichts, die ersten Kursrennen laufen im dichten Nebel weit vor der Küste. Im Fokus steht besonders Björn Schrader, der sich mit Robby Naish und Newcomer Anders Bringdal enge Duelle liefert. Gleichzeitig bedeutet der World Cup auch 1986 einen Entwicklungsschub: F2-Shaper Peter Thommen hat neue, dreifach konkave Boards mitgebracht, die Segel kommen mit Cut Away.
Nach einigen Flautentagen geht es weiter, am zweiten Wochenende kann dann bei 12 bis 14 Knoten auch das Waveriding gestartet werden. Doch Jürgen Hönscheid motzt: “Bei diesen Bedingungen kann man nicht vernünftig surfen. Es ist viel zu kalt - bei allen Worldcups herrschen Temperaturen, bei denen man sich die Gesundheit ruiniert!” Und auch die Sylter Buhnen ruinieren so Einiges, jede Menge Boards werden im ablaufenden Wasser Opfer der spitzen Steinhaufen, bis die Markenvertreter protestieren und die Rennleitung den Kurs verlegt. Ein gewisser Björn Dunkerbeck steht erstmals in einem Wave-Finale, hat jedoch gegen Robby Naish keine Chance.
Auch 1987 ist Robby noch der König von Sylt, er gewinnt am ersten Wochenende das Wave-Finale - fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn wegen einer Anwohner-Beschwerde darf zwischen 13 und 15 Uhr nicht mehr moderiert werden. Die meisten Zuschauer waren nach Hause gegangen, weil sie dachten, die Rennen seien zu Ende. Dunkerbeck und Teriitehau scheiden im Halbfinale aus, weil sie nach einem Waschgang einen längeren Strandspaziergang einlegen müssen. Während Naish laut dem damaligen Bericht einen Doppelloop versucht, ist die einfache Rotation inzwischen auch bei den Damen im Kommen. Die amtierende Weltmeisterin Natalie Siebel muss sich jedoch vor heimischem Publikum mit dem dritten Platz zufrieden geben.
Robby Naish wird pünktlich zum zweiten Wochenende in einem 45 Minuten langen Porträt im ZDF vorgestellt, dass eine Rekordeinschaltquote erzielt. Darin wird er als Perfektionist bezeichnet, doch am folgenden Tag fällt er ausgerechnet wegen einer nicht richtig befestigten Mastschot weit zurück. Davon profitiert der junge Franzose Patrice Belbeoc’h, dem Naish anschließend nur knapp den Gesamtsieg entreißen kann. Auch bei den Damen tritt ein neues Talent auf den Plan: Jutta Müller gewinnt zwei Kursrennen und wird in der Gesamtwertung Zweite.
April statt Herbst: Ausnahmsweise deutlich früher als sonst auf dem Plan, wurde der World Cup 1988 zur Zitterpartie: Bei sechs Grad Wasser- und drei bis sechs Grad Lufttemperatur froren reihenweise wärmeverwöhnte hawaiianische Finger ein, sogar Robby Naish trug die ungeliebten Surfschuhe. “Schon nach wenigen Minuten auf dem Wasser verlierst du das Gefühl für Brett und Rigg”, beschrieb Naish den Grund warum er “wie ein Depp” gefahren sei. Grund für die Vorverlegung war die Angst der Veranstalter, die Olympischen Spiele könnten die Sponsoren abspenstig machen. Sportlich gab es indes kaum Höhepunkte, sobald in allen Disziplinen ein Ergebnis eingefahren war und die Presse ihre Bilder hatte, entschied die Regattaleitung, es sei dann doch zu kalt zum Surfen - selbst Demo-Sessions waren nicht gestattet.
Gesamtsieger wurde Anders Bringdal, der im Kursrennen gewann. Im Slalom hingegen war an Björn Dunkerbeck kein vorbeikommen. Robby Naish konnte nur im Waveriding ganz nach vorne fahren - zwei saubere Loops und einige Wellenritte reichten ihm, weil die meisten anderen vor Kälte kaum die Finne aus dem Wasser bekamen. Jutta Müller gewann das Kursrennen bei den Damen, Britt Dunkerbeck in der Welle.
Andere gewinnen, er ist nach wie vor der Superstar: Robby Naish wird auf Sylt mehr denn je von alten und jungen Fans umringt, muss seine Autogramme sogar auf Dunkerbeck-Fotos (!) geben. “Der große Druck, siegen zu müssen, ist weg”, analysiert surf-Autor Rainer Thide die neue Gelassenheit bei Naish. Ganz anders Dunkerbeck: “Ein zweiter Platz ist nichts wert. Allein der Sieg zählt!”. Die beiden stehen sich im Wave-Finale gegenüber und verzücken die Zuschauer mit einem synchron gesprungenen Forward Loop.
Im Kursrennen stellt sich den Fahrern bei bis zu acht Windstärken die Frage: Langes Raceboard oder kurzes Slalomboard? Während Bernd Flessner mit Slalomrennern aus der Serie aufs Wasser geht, greifen Björn Schrader und Axel Ohm zu Raceboards und landen knapp vor Flessner. Die Damen haben mit den knackigen Bedingungen zu kämpfen, viele werden Opfer des Shorebreaks. Während Natalie Siebel das Waveriding gewinnt, ist Britt Dunkerbeck im Slalom und Kursrennen ganz vorne.
Mit neuer Freundin und neuer Motivation kommt Naish 1990 nach Sylt. Wieder einmal kommt es im Wave-Finale zum Duell der Giganten mit Björn Dunkerbeck, doch dieses Mal gewinnt Robby. Björn hingegen schrottet sein Material im Shorebreak und kommt nach starkem Auftakt nicht wieder in den Rhythmus. Robby Seeger fährt bis auf Platz drei vor, während bei den Damen Jutta Müller eines der Finals gegen Britt Dunkerbeck gewinnen kann. Natalie Siebel ist nach einer schweren Kopfverletzung mit Helm und kurzen Haaren unterwegs und kann den zweiten Durchgang gewinnen. Im Slalom zeigen die deutschen Nachwuchsfahrer Bernd Flessner, Andy Laufer und Philipp Richter ihr Potential, doch selbst ein Dunkerbeck hat keine Chance gegen den überragenden Anders Bringdal.
In Sachen Setup setzt der World Cup auf Sylt inzwischen Maßstäbe: “Wenn alle Worldcups so professionell organisiert wären wie der auf Sylt, wäre Windsurfing schon lange Weltsportart!”, schwärmt PBA-Präsident Christian Herles. Mit guter TV-Präsenz (Jutta Müller im Sportstudio), Surf Radio am Strand (mit “Jungreporter” Ingo Meyer), Skate-Shows und viel Medienrummel rund ums Team Germany wird der Event immer größer.
Noch weiter nach oben ging es ein Jahr später: Ein Zeltdorf für 600.000 Mark, 40 Stunden im TV, Live-Übertragungen im NDR und vieles mehr sorgten für jede Menge Aufmerksamkeit. Die Zelte mussten jedoch mehrfach aus Sicherheitsgründen geräumt werden, mittwochs tobte ein Sturm mit elf platt auflandigen Windstärken, bei dem keine offiziellen Wettkämpfe möglich waren.
Liebling der Zuschauer war einmal mehr Robby Naish, der mit perfekter Taktik gegen einen abermals gewaschenen Dunkerbeck das ewige Finale für sich entschied. Doch auch jemand anderes sorgte für frenetischen Jubel am Strand: Bernd Flessner hätte Björn Dunkerbeck beinahe im Halbfinale mit gigantischen Sprüngen rausgekickt: “Auf dem Scheitelpunkt [...] hörte ich plötzlich das Kreischen des Publikums. Das berauscht dich wie eine Droge”, verriet Flessi hinterher. Im Slalom lief es noch besser, dort fuhr er bis auf Rang drei nach vorne - Platz vier im Gesamtergebnis. “Ich weiß jetzt, dass ich alle schlagen kann!” Bei den Damen gewann Nathalie Siebel Wave und Slalom, während Jutta Müller vom Medienrummel gebeutelt wurde.
Das Jahr 1992 sticht aus den 40 Jahren World Cup-Geschichte heraus: Mit Ralf Bachschuster gewann das erste Mal ein Deutscher den Heim-Event. Außerdem wurde zum Einzigen Mal nicht am Brandenburger Strand gefahren. Eine hartnäckige Wetterlage sorgt für launenhafte 10 bis 18 Knoten Ostwind. Außer ein paar Trainingsschlägen am Horizont ist auf dem Wasser nichts zu machen. Über Nacht zieht der World Cup deswegen nach List an den Königshafen. Dort gewinnt Ralf Bachschuster den einzigen Slalom mit überragendem Speed und guter Taktik. Wie viele andere hadert auch Top-Favort Dunkerbeck mit den kurzen Kabbelwellen im hüfttiefen Königshafen (Björn Schrader: “Du fährst ständig gegen eine Bordsteinkante.”), Bachschuster nutzt seine Chance und holt den vielumjubelten Sieg!
In Westerland hingegen hat der World Cup wieder einmal einen draufgesetzt, ein beeindruckendes Setup mit Skaterampe, TV-Schneideraum, Hubschrauber und jeder Menge Sponsoren-Zelte zieht abermals zehntausende Zuschauer an. Der sportliche Reinfall kann mit dem Umzug nach List gerade noch abgewendet werden, doch die Diskussion ums Windlimit wird während der ganze Woche hitzig geführt!
Alle Sylt-Geschichten von 1983 bis 1992 gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!
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