HistoryDie surf-Highlights vom World Cup Sylt - 2003 bis 2012

Tobias Frauen

 · 21.09.2024

Klaas Voget jubelt in der untergehenden Sonne gemeinsam mit den Zuschauern über seinen sensationellen zweiten Platz im Jahr 2009.
Foto: surf Archiv
Alles oder nichts - das könnte das Motto der 2000er-Jahre beim Windsurf World Cup Sylt sein. Events mit historischen Bedingungen und denkwürdigen Momenten fallen in diese Zeit, aber auch Flauten-Cups mit nur wenigen Rennen. Von den gigantischen Formula-Ausrüstungen entwickelte sich der Slalom zum spannenden “No Rules”-Format, im Waveriding gingen die Sterne vieler Top-Fahrer auf, im Freestyle war es die Ära der Karibik-Trickser rund um Gollito Estredo. Mit Klaas Vogets triumphalen Durchmarsch 2009, Dunkerbecks letztem WM-Titel 2011, dem Star-Rummel um Philip Köster sorgte Sylt immer wieder für historische Momente!

Weitere Rückblicke:

2003: Gott sei Dank!

Björn Dunkerbeck gegen Josh Angulo, das war der Heat, auf den 2003 alle schauten. Im Halbfinale der Double Elimination trafen der Terminator und der einstige Bad Boy aufeinander, Angulo gewann und machte damit seinen ersten WM-Titel klar: “Ich danke Gott, meiner Frau und Björn!” In Sachen Racing war damals Formula angesagt, also Segel mit zweistelliger Quadratmeter-Zahl und breite Riesen-Boards. Darauf nimmt die Nordsee aber keine Rücksicht, “bei satten sechs Windstärken sieht man die Pros bei Halbwind kaum noch in den Schlaufen”. Bernd Flessner, der in beiden Disziplinen startet, ist die Quälerei irgendwann satt “und wirft einem der Organisatoren das Material vor die Füße: ‘Fahr du doch mal damit.’ Der meint nur: ‘Bin ich bekloppt.’” Dunki tut sich das ohnehin nicht an und frotzelt gegenüber Flessner und Andy Laufer: “Ihr surft Formula, ich mach Kinder, das ist produktiver.” Damals ist gerade Nachwuchs Nummer zwei unterwegs: Liam Dunkerbeck.

2004: Viele Sieger

Nanu, war der World Cup Sylt mal eine One Design-Veranstaltung? 2004 sahen die Racing-Segel sich zum Verwechseln ähnlich, Quadratmeterweise transparenter Monofilm und kaum Farbe. Schwierig, bei den 14 Kursrennen auf der Nordsee dabei die einzelnen Fahrer auszumachen, denn Waveriding gab es nur an einem einzigen Tag. Bei grenzwertigen Bedingungen konnten nur zwei Runden durchgezogen werden, so dass es insgesamt 17 Sieger gab. Bei den Damen ging es sogar nur im Party-Zelt hoch her, aufs Wasser kamen die Morenos und Co. nicht. Die Wettfahrtleitung spekulierte auf einen weiteren Tag mit Wellen, die dann aber nie kamen. Im Racing stand am Ende Antoine Albeau ganz oben, gefolgt von Ross Williams. Wegen des schwächelnden Windes wurde der Golf- zum Nebenschauplatz: Die Hobby-Golfer Flessner und Laufer gingen mit Dunkerbeck aufs Green.

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2005: Slalom is back!

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Action im Shorebreak statt Wettfahrten ganz weit draußen: Alle freuten sich, dass nach den Formula-Jahren der Slalom nach Sylt zurückkehrte. Und wie! Zwölf Eliminations durch das Nordsee-Chaos, Zieleinläufe direkt vor dem Strand, Starts mit dem halben Feld und Spannung an jeder Halse. Auch wenn die Material-Registrierung zunächst für Verwirrung sorgte, waren alle begeistert: “Das ist Adrenalin pur, du rast so mit 60, 65 Sachen im Pulk mit fast 20 Fahrern auf die erste Tonne zu, eine Riesen-Gaudi!” schwärmte Bernd Flessner. Da hatte dann auch Dunki wieder Spaß am Racing und holte einen ungefährdeten Sieg. In Sachen Waveriding lautete die Sylt-Bilanz jedoch “Zu wenig draus gemacht!”. Mit Warten auf bessere Wellen wurde einiges an Zeit vertrödelt, so dass es am Ende nicht mehr für die Viertelfinals reichte. Die neuen Weltmeister Kauli Seadi und Daida Moreno mussten sich die ersten Plätze mit jeweils sieben anderen teilen. Und während Andy Laufer rund um die Uhr von einem RTL-Team begleitet wurde (”Ich spiel den Chaot und Steffi Wahl die Durchorganisierte”), waren Boujmaa Gulloul und Chris Pressler erstmal auf Sylt dabei.

2006: Show must go on, gesurft wird wenn’s Wind hat

Ein Event der Superlative war der World Cup 2006 - aber nur an Land. Mit Boxengasse für die Profis, den berühmten Partys und viel Prominenz war das Setup im Herbst nach dem “Sommermärchen” beeindruckend. Die örtliche Tabledance-Bar soll laut der Lokalpresse sogar extra für den World Cup zwölf neue Tänzerinnen engagiert haben. Die bekamen dann auch möglicherweise mehr Bewegung als die Fahrerinnen und Fahrer, denn abgesehen von ein paar Slalom-42-Rennen ging nicht viel. Ein Fun-Race, eine Super-Session im Freestyle, die Ricardo Campello auf Slalom-Material gewann - das wars. Erst am Montag nach dem Event zog eine amtliche Sturmfront durch, viele Waver blieben dafür extra einen Tag länger und. Sogar Stargast Robby Naish ging aufs Wasser - allerdings außer Konkurrenz.

2007: Wahl-Kampf

Windsurfen ist eine “faszinierende Sportart, die Geschick, Eleganz und die Bewältigung von Naturkräften auf einmalige Weise verbindet” - sagte 2007 niemand Geringeres als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die eine Grußbotschaft nach Sylt schickte. Wäre sie persönlich auf die Insel gekommen, hätte sie das beste Resultat einer deutschen Dame seit vielen Jahren bejubeln können. “Es ist ein Traum, vor diesen tollen Zuschauern den Wettkampf seines Lebens zu machen”, kommentierte Steffi Wahl ihren dritten Platz beim World Cup Sylt 2007. Bei wenig Wind, aber “gediegenen Breaks” zählten nur die Wellenritte, Steffi kam hinter Daida Moreno auf Platz drei und ließ überraschenderweise deren Schwester Iballa hinter sich. Ganz vorne landete eine überwältigte Nayra Alonso. Die Herren kamen nur für einige Vorrunden-Heats aufs Wasser, Wave-Action gab es nur auf der Leinwand: Levi Siver und Jane Pacebianco stellten im Kino “The Windsurfing Movie” vor. Auch Slalom konnte erst am Ende gefahren werden, Antoine Albeau zeigte, warum er schon vor dem Event den WM-Titel sicher hatte und gewann souverän. Ganz anders im Freestyle: Dort hatten noch fünf Fahrer WM-Chancen, erst gegen Ende der Double Elimination verabschiedete sich ein Favorit nach dem anderen. Durch seinen Sieg gegen Kiri Thode holte der 18 Jahre alte Marcilio Browne seinen ersten WM-Titel, den Event gewann Vorjahres-Weltmeister Gollito Estredo.

2008: Jubi-Cup

Endlich mal wieder ein spektakuläres Waveriding vor Sylt - und was für eines! Bei 40 bis 45 Knoten Wind und riesigen Weißwasserwalzen kam es am zweiten Wochenende zum Showdown. Klaas Voget fuhr sensationell auf Platz drei - wenn er im Halbfinale nicht nach einem Mastbruch wervolle Zeit verloren hätte und seinen letzten Move wenige Sekunden früher angesetzt hätte, wäre sogar das Finale drin gewesen. Abends gab es dann die erste Night Session auf der tobenden Nordsee, illuminiert nur von den Schweinwerfern der Sponsoren-Autos. Während Klaas am Ende happy war, zeigte sich André Paskowski ein wenig enttäuscht von seinem fünften Platz im Freestyle. Im Slalom hingegen hatten die deutschen Fahrer vorne nichts mitzureden, dort dominierte Björn Dunkerbeck und startete sein Comeback. Zum 25. Jubiläum war natürlich auch Robby Naish zu Gast auf Sylt, er brachte einen noch sehr jungen Nachwuchsfahrer mit: Kai Lenny.

2009: SeeBühne (oder: Der Held von Westerland)

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Wer einigermaßen regelmäßig die World Cups vor Sylt verfolgt, bei dem werden mit einem gemurmelten “Oh ja, 2009...” Bilder vor dem inneren Auge ablaufen, die fast schon ikonisch sind: Klaas Voget, wie er unter dem Jubel der Zuschauer am Strand entlang läuft, wie er auf das Treppchen steigt... “Was die Zuschauer an diesem Samstagnachmittag erleben durften, war absolut Drehbuch-reif und hätte eine Verfilmung verdient!” Neun Heats surfte Klaas, achtmal ging er als Sieger vom Wasser. Erst im Finale der Double Elimination verlor er gegen Alex Mussolini, doch da war er schon längst der Held der tausenden Zuschauer, die im brüllenden Sturm keine Sekunde verpassen wollten. Mit Rang zwei holte er das bis dahin beste deutsche Wave-Ergebnis aller Zeiten. Große Teile der Zelt-Stadt und des Fahrerlagers am Strand waren an diesem zweiten World Cup-Wochenende allerdings schon abgebaut, aus Angst vor einer Sturmflut. Auf Platz vier im Waveriding landete übrigens mit viel Style und Power Antoine Albeau, der bereits als Slalom-Weltmeister feststand. Philip Köster hingegen, der zuvor in Pozo seinen ersten World Cup gewonnen hatte, griff zum falschen Material und flog in Runde eins raus.

2010: Dunki is back

Nah zwei Jahren mit Hammer-Bedingungen flatterten die Event-Fahnen am Brandenburger Strand 2010 nur im Ostwind. Eine Freestyle Single Elimination bei grenzwertigen Bedingungen weit draußen und ansonsten nur Slalom, mehr war nicht drin. Doch sehr zur Freude des Sylter Publikums war Björn Dunkerbeck wieder im alten “Terminator”-Modus. Der WM-Titel war zwar schon für Antoine Albeau sicher, doch Dunki wollte unbedingt auf Sylt gewinnen. Nur ein gerissener Trapeztampen störte am Ende seine Siegesserie, . Bester Deutscher war Gunnar Asmussen, der sich für die kommenden Jahre einiges vornahm. Als Highlight wurden die Freestyler bei der Night Session von einem Jet Ski gezogen - eine der ersten Tow-In-Veranstaltungen!

2011: Cup der guten Hoffnung

Tow-In-Freestyle war dann 2011 auch fast die einzige Möglichkeit, den Zuschauern am Strand was bieten zu können. Sommerliche Hitze und Flaute verhinderte jede offizielle Wertung. Selbst der Versuch eines Leichtwind-Slaloms scheiterte. Umso mehr Zeit also, sich dem absoluten Superstar widmen zu können: Philip Köster kam nach seinem Sieg in Klitmøller als frischgebackener Weltmeister nach Sylt und löste einen Riesen-Hype aus: Medien-Termine ohne Ende, Feierlichkeiten mit Partnern und Sponsoren, Pressekonferenzen, TV-Auftritte und natürlich Autogrammjäger jeden Alters. Größer war das Interesse auf Sylt selten, Organisator Matthias Neumann sprach von 230.000 Zuschauern, und das sogar ohne Wind. Dass Björn Dunkerbeck seinen ersehnten Slalom-Titel holte, geriet da fast zu Nebensache.

2012: Full house

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Der Köster-Hype war auch 2012 allgegenwärtig, wieder kam Philip mit dem Titel in der Tasche nach Sylt. Und dieses Mal spielten auch die Bedingungen mit: Eine Woche Action und das Finale der Double Elimination als Höhepunkt direkt vor der Siegerehrung - besser geht es kaum! Und wie im Drehbuch gewann Köster zum ersten Mal den World Cup Sylt und stand noch im tropfenden Neo auf dem Siegertreppchen. Auch eine Night Session stand wieder auf dem Programm, dabei zeigte Ricardo Campello die beste Show. Während Gollito Estredo im Nordsee-Freestyle seinen fünften WM-Titel klar machte, standen die Slalom-Fahrer ein wenig im Schatten der anderen Disziplinen. Dunki wollte abermals Weltmeister werden, war jedoch vom Pech verfolgt: Erst schenkte sein Caddy Chris Pressler Kontrahent Albeau einen Sieg, dann brach mit einem ohrenbetäubenden Knall der Mast.

Alle Sylt-Geschichten von 2003 bis 2012 gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!

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