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Der 30. World Cup Sylt, der unter anderem mit einem dicken Buch gefeiert wurde, erlebte vor allem im Freestyle ein hochspannendes WM-Rennen. Bei mäßigem Ostwind kämpften weit draußen Kiri Thode und Gollito Estredo um den Titel, Steven van Broekhoven war als Finalist das Zünglein an der Waage. Judges und Fotografen mussten stundenlang auf einem Motorboot ausharren, dass mitten auf der Nordsee im eisigen Wind schaukelte. Am Ende triumphierte Kiri und kehrte als neuer Nationalheld nach Bonaire zurück. Deutschlands Windsurf-Nationalheld Bernd Flessner hingegen verkündete 2013 auf Sylt sein Karriereende, zum Abschluss gelang ihm noch ein sechster Platz, während Björn Dunkerbeck dem Feld größtenteils nur hinterherfahren konnte. Die Waverider kamen gar nicht aufs Wasser und verbrachten ihre Zeit mit arbeiten, daddeln oder kickern.
Eine ganz andere Perspektive auf den World Cup Sylt: surf-Redakteur Manuel Vogel darf Dank einer Wildcard im Waveriding starten (”Slalom? Kannste vergessen, ich mach mich doch nicht zum Affen!”) und erlebt den Event quasi “undercover”. Nach einem vorsichtigen Warm-Up gewinnt er gleich den ersten Fan: “Sie sind immer so schön hin- und hergefahren. Sie sind bestimmt der Favorit?” freut sich eine ältere Dame. In der ersten Runde geht es dann gleich gegen Victor Fernandez, bei mehr als grenzwertigen Bedingungen. Doch Victor kann gegen Manuel einfach nicht gewinnen! Allerdings gewinnt auch Manuel nicht, der Heat wird zweimal abgebrochen. “Ich bin fertig und das, obwohl ich netto keine Stunde gesurft bin. Sechs Stunden im Neo [...] und vor allem die Aufregung schlauchen!” Im weiteren Verlauf der Woche kommen dann die Freestyler und Slalom-Fahrer noch aufs Wasser, Gollito und Arnon Dagan gewinnen. Manuel geht ins Kino zur Premiere von “Children of the Wind”, ins American, aufs SUP und bestaunt Dunkerbeck und Naish beim routinierten Autogramme schreiben. Dunki hat vor dem Event seinen Rücktritt verkündet und wird bei der Rückkehr zum Strand nach seinem letzten Heat lautstark gefeiert: “Noch ein bisschen mehr Pathos der Event-Moderatoren und am Ufer würden die ersten Menschen weinend zusammenbrechen.” Happy End einer Woche mit viel Party und wenig Surfen: Das Wave-Preisgeld wird unter allen Startern gleichmäßig aufgeteilt!
Auch 2015 hatten die Organisatoren und 130 Starterinnen und Starter Pech in Sachen Wind. Nur eine einzige Slalom-Elimination konnte gewertet werden, und selbst die war nach zahlreichen Abbrüchen sehr zäh. Schade, denn SAP und Vodafone hatten mit Tracking und Livedaten einen sehr fortschrittlichen Livestream auf die Beine gestellt. Matteo Iachino gewann und setzte sich in der WM an die Spitze, zum Titel sollte es aber erst ein Jahr später reichen. Die Freestyler gingen zu einer abendlichen Tow-In-Session aufs Wasser, die Segel mit LED-Leisten eindrucksvoll illuminiert. Im Kino wurde “Cabeibusha” gezeigt, der Film über Sarah-Quita Offringa, ansonsten gab es wieder viel SUP zum Zeitvertreib. Auch Naish und Dunki waren dort, Björn präsentierte das Buch über sein Leben “Björn Dunkerbeck - Windsurfer” (hier als E-Book verfügbar).
Das gab es noch nie: Vier Disziplinen - und Dank Top-Bedingungen auch überall Ergebnisse! Auf Sylt gingen erstmals Slalom-Fahrer auf Foils an den Start, der Event war ein Testlauf für die Einführung der Disziplin. Antoine Albeau gewann, allerdings noch ohne Titel. Den holte sich im Freestyle Gollito Estredo, in einer perfekten Dramaturgie aber erst im Super-Final gegen den bis dahin Führenden Amado Vrieswijk. Die Waverider waren bereits vor dem offiziellen Start dran, denn in der Woche vor dem Event - der extra nach hinten verlegt wurde, um die Chancen auf Wind zu erhöhen - zog ein fettes Sturmtief über die Nordsee. Bei platt auflandigem Wind gewann dann Alex Mussolini und holte nach 2009 seinen zweiten Sylt-Sieg. Und im Slalom legte Matteo Iachino die Grundlage für seinen ersten WM-Titel. Das alles war auch für die Zuschauer besser zu verfolgen denn je, denn am Brandenburger Strand war der Livestream inklusive Scoring und Positionen auf Riesen-Screens zu sehen!
Fünf Tage Sturm machten den World Cup 2017 zu einem wahrhaft epischen Event! Dabei schrieb Philip Köster ein echtes Sport-Märchen: Nach zehnmonatiger Verletzungspause holte er gleich in seiner Comeback-Saison den vierten WM-Titel. Vor allem seine grandiosen Wellenritte gaben dabei den Ausschlag. Dass Köster auf Sylt am Ende “nur” Rang drei hinter Victor Fernandez und Marcilio Browne belegte, tat dem Jubel der Zuschauer dabei keinen Abbruch. Bei den Damen schob sich Sarah-Quita Offringa zwischen die Moreno-Zwillinge, Lina Erpenstein hat sich mit Platz vier in der Spitze festgesetzt. Im Freestyle lautete das Finale abermals Gollito gegen Vrieswijk, abermals gewann der inzwischen achtmalige Weltmeister. Märchenhaft lief es auch im Slalom: Marco Lang gewann zum ersten Mal in seiner Karriere eine Elimination - und setzte im zweiten Durchgang direkt einen drauf. Sein North-Kollege Vincent Langer holte sensationell Platz zwei. Auf dem Foil gewann Julien Quentel, doch die Disziplin sollte erst im folgenden Jahr eine offizielle PWA-Wertung bekommen.
Die Vorhersage bescherte den Waveridern wieder mal einen Frühstart vor dem eigentlichen Event, Ricardo Campello gewann in der Single Elimination und hatte schon eine Hand am WM-Pokal. In der Double holte dann Victor Fernandez auf und feierte nach dem Halbfinal-Sieg gegen Thomas Traversa schon seinen dritten WM-Titel - doch zu früh gefreut, erst Minuten später gab es das offizielle Resultat und Traversa kam hauchdünn weiter. Der traf dann auf Campello, der den Titel hätte sicher machen können - wenn er seine Nerven behalten hätte. Traversa gewann, Fernandez war dann doch Weltmeister - so viel Drama gab es selten! Im Freestyle gewann Adrien Bosson zwar die Single Elimination, musste sich in der Double dann aber - wem wohl? - geschlagen geben? Genau, Gollito Estredo, der souverän seinen neunten Titel holte. Gleich 25 davon hat Antoine Albeau nach dem Sylt-Event in der Tasche, während Gonzalo Costa Hoevel der erste offizielle Weltmeister im Foil wird. Vize hinter ihm wird Sebastian Kördel, der nach einer enttäuschenden Slalom-Saison sein neues Metier findet. Abseits der offiziellen Wettkämpfe sorgt Balz Müller für Staunen - er fliegt fast pausenlos mit seinem Foil durch die Brandung und zeigt, was mit der neuen Disziplin möglich ist!
Das Drama spielte sich ein Jahr später schon vor dem World Cup Sylt ab: Youp Schmit führte die Freestyle-WM sensationell an und träumte vom Titel, verletzte sich dann aber schwer am Knie. Er ging zwar mit Schiene an den Start, Weltmeister wurde aber Yentel Caers. Auch Sarah-Quita Offringa gelang eine Premiere, sie holte ihren ersten Sieg auf Sylt. Die Damen hatten mit dem Hardcore-Shorebreak zu kämpfen, teilweise verbrachten sie den größten Teil ihrer Heats in der Sylter Waschmaschine. Offringa, aber auch Finalistin Maaike Huvermann zeigten jede Menge Übersicht und Können, sie schafften es fast immer, unbeschadet rauszukommen. Das war auch das Erfolgsgeheimnis von Brawzinho, der bei den Herren in der Double eine fulminante Aufholjagd hinlegte - sein Caddy, der ihm das Material wieder nach Luv schleppte und ihn mit Bananen versorgte, war dabei niemand Geringeres als sein Boss und Wave-Legende Francisco Goya. Im Foiling, statt Finnen-Slalom angesetzt, konnte Sebastian Kördel einen Sieg und einen zweiten Platz verbuchen, am Ende gewann Nicolas Goyard und krönte sich damit zum neuen Foil-Weltmeister!
2020 und 2021 musste der World Cup Sylt wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.
Was in den zwei Jahren zuvor nicht stattfindet konnte, holte Sylt 2022 nach. Zehn Tage voller Action, mit Sturm und Spannung. Amado Vrieswijk freute sich über seinen ersten Sieg auf Sylt - allerdings nicht im Freestyle, sondern im Slalom. Der Mann aus Bonaire hatte zeitweilig umgesattelt und setzte seine Bärenkräfte auch am Renn-Equipment ein. Die Foils dominieren, erste Stimmen werden laut die Rennen auf der Finne wieder zu stärken. Erst im letzten Rennen konnte sich Vrieswijk gegen Maciek Rutkowski durchsetzen, der später in Japan Weltmeister werden sollte. Emotionaler Sieg auch im Waveriding, Philip Köster holte seinen zweiten Sylt-Sieg nach 2012, auch Sarah-Quita Offringa konnte ihren Erfolg aus dem Vorjahr wiederholen. Freestyle-Weltmeister wurde Adrien Bosson - mit gerade einmal 0,1 Punkten Vorsprung im Finale gegen Jacopo Testa.
Wo früher die Naishs, Dunkerbecks, Albeaus oder Gollitos auf die Siege abonniert waren, sind die Felder in allen Disziplinen deutlich durchmischter. 2023 gab es so viele emotionale Momente wie lange nicht: Michele Becker gewann seine erste Elimination im World Cup und vergoss ein kleines Tränchen, Maria Behrens surfte bei ungewöhnlichen Sideshore-Bedingungen sensationell ins Wave-Finale der Damen. Und im Freestyle holte Mega-Talent Lennart Neubauer seinen ersten World Cup Sieg. Dass er den gegen seinen Kumpel Yentel Caers sicherte, der nach einem frühen Aus in der Single (gegen Lennart!) eine Aufholjagd starten konnte und dem sein zweiter Platz zum WM-Sieg reichte, hätte wohl jeder Dramaturg als unrealistisch und zu kitschig verworfen.
Alle Sylt-Geschichten von 2013 bis 2023 gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!
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