Wir haben über Taktik, eine böse Verletzung, das Auswandern nach Teneriffa und seinen Durchbruch an die Spitze des World Cups gesprochen. Außerdem wollten wir aus erster Hand eines jungen Pros wissen, wie es seiner Meinung nach aktuell um den professionellen Windsurfsport steht: Ein fröhliches Gespräch, mit einem gelassen wirkenden, optimistisch gestimmten Julian Salmonn, der für und vom Windsurfsport lebt.
Dany (Bruch Anm. d. R.) meinte zu mir, es hätte einfach „Klick“ gemacht dieses Jahr. Ich war vorher immer noch ein bisschen zurückhaltend in meinen Heats und konnte mein volles Potenzial nicht ausschöpfen. So richtig in den Flow State wie beim freien Surfen bin ich bis jetzt im Contest zwar immer noch nicht gekommen, aber ein ganzes Stück näher dran als zuvor, würde ich sagen. Ich habe jetzt richtig Lust weiter daran zu arbeiten und dann hoffentlich im nächsten Event auf Sylt oder spätestens in der nächsten Saison mein volles Potenzial zeigen zu können.
Ja, genau, ich arbeite jetzt bereits seit sechs Jahren mit Dany als Boardsponsor zusammen und während dieser Zeit haben wir immer auch ein bisschen Coaching eingebaut. Er ist sehr beschäftigt mit der Firma und Familie, daher hat das Ganze nicht konstant stattgefunden, aber immer, wenn es bei uns zeitlich gepasst hat. Auf Gran Canaria war er zum Beispiel dabei und das hat mir sehr geholfen. Wir haben zusammen eine Taktik ausgearbeitet, die sich in Pozo bewährt hat. Nach genauer Kalkulation wusste ich: Wenn meine Wellenritte stimmen, also im acht bis neun Punkte Bereich liegen, dann kann ich im Prinzip jeden schlagen – auch ohne Sprünge im exzellenten Bereich. Also habe ich mich zu Beginn der Heats nur auf die Wellen konzentriert, anstatt wie die meisten anderen Fahrer auf Sprünge. Dany hat mir vom Ufer aus Zeichen gegeben, wie es steht und wo ich noch Punkte rausholen kann.
Ich hoffe beim World Cup auf Sylt mein volles Potenzial zeigen zu können.
Ja, auch wenn das Abreiten bei mir immer Priorität haben wird – weil es einfach das ist, was mir am meisten Spaß macht – möchte ich unbedingt auch im Springen auf ein Top-Level kommen. Kurz vor dem Event in Pozo habe ich sogar meine ersten Pusch Forwards gelandet, aber sie waren einfach noch nicht sicher genug, um sie in meine Heats einzubauen. Ich bin jetzt aber umso motivierter meine Sprünge weiter zu verbessern. Pusch Forward, Double und Stalled Double stehen definitiv ganz oben auf meiner To-do-Liste.
Das Abreiten von Wellen ist das, was mir am meisten Spaß macht.
Nein, zum Glück nicht. Aber ich durfte damals einen Sommer lang mit den Schrauben im Bein nicht springen und bin nur Wellen abgeritten, dabei hat sich diese Liebe zum Abreiten bei mir entwickelt.
Ich bin jetzt aber umso motivierter auch meine Sprünge weiter zu verbessern.
Beim einfüßigen Backloop. Ich habe die Kontrolle verloren und in der Luft alles losgelassen. Normalerweise fliegt das Material dann vom Wind von dir Weg und du tauchst wie eine Kerze ins Wasser ein. Warum auch immer blieb das Material bei diesem Abgang unter mir und ich bin mit gestrecktem Bein auf meinem Board eingeschlagen. Das Schienbein ist dabei seitlich weggebrochen und unten in den Knöchel rein. Ich hatte viel Glück im Unglück, auch mit meinem Arzt in Deutschland, der mich operiert hat. Ich merke davon heute nämlich tatsächlich nichts mehr – und das war echt eine relativ komplizierte Verletzung.
Ja, in meinem ersten Jahr auf Teneriffa habe ich mich verletzt. Mit 15 bin ich damals hierhergekommen.
Nachdem mein Vater uns in den Ferien in Dänemark das Windsurfen beigebracht hatte, wollte ich unbedingt mal ein Austauschjahr am Meer machen. Wegen der Liebe zum Windsurfen, aber auch der zum Meer. Als wir gut genug surfen konnten, kamen wir in den Ferien nach Teneriffa und lernten eine Familie kennen, die eines Tages beim Abendessen kurzerhand meinte, dass ich bei ihnen wohnen und mein Austauschjahr doch auf Teneriffa machen könnte. Ich bin im Norden der Insel zur Schule gegangen und aus einem Jahr wurden zwei, drei, und so weiter... Ursprünglich verlängert hatte ich meinen Aufenthalt damals, weil ich mir das Bein gebrochen hatte und daher das erste Jahr nicht so richtig (auf dem Wasser) nutzen konnte. Daraus sind jetzt zehn geworden (lacht).
Nicht so wirklich, nein. Vielleicht an die Küste nach Norddeutschland, aber das müsste ich ausprobieren.
Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht und kann mich aktuell durchaus Profi nennen. Und insgesamt habe ich auch ein wirklich gutes Gefühl, was den Sport angeht: Es gibt gefühlt wieder viel mehr Nachwuchs. Als ich früher noch bei den Junioren angetreten bin, waren die Jugendflotten teilweise winzig, jetzt sind das vergleichsweise riesige Fleets – vor allem auf Gran Canaria gibt es sehr viel Nachwuchs. Das ist schön zu sehen. Auch wenn es die Hersteller nach dem Corona-Boom aktuell ziemlich schwer haben, denke ich, ist es ein guter und schöner Zeitpunkt im professionellem Windsurfsport dabei zu sein. Mit der vereinigten Wave Tour, den großen Junioren Flotten und neuen Events kommt der Hype gerade ein bisschen wieder, habe ich das Gefühl. Ich denke es ist sehr wichtig, dass die Junioren bei den World Cups so ernst genommen werden wie hier. Sprich, sie bei guten Bedingungen rauszuschicken, Livestream, Podium und Pokale.... Die Eventorganisatoren und der Head Judge haben hier einen verdammt guten Job gemacht. Und das ist kein einfacher Job. Ich bin ihnen sehr dankbar für alles.
Ich kann mich nicht beklagen – ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Ich habe lange nicht mehr so viele Windsurfer in Cabezo gesehen wie diesen Sommer. Auch drüben in der Bucht von El Médano, wo wir sonst einen Überschuss an Kitern haben, waren nach langer Zeit mal wieder mehr Windsurfer auf dem Wasser als Kites am Himmel zu sehen und auch die Windsurfcenter von meinen Bekannten waren rappelvoll.
Lange habe ich nicht mehr so viele Windsurfer auf Teneriffa gesehen wie diesen Sommer.
Ja, das ist das große Ziel. Definitiv. Aber noch viel wichtiger ist mir den Weg dorthin, das alltägliche Leben und Training als Profi ist es, was mir am meisten Spaß macht, und das möchte ich, solange es geht mitnehmen und genießen – denn das ist das Wichtigste, denke ich. Im Contest läuft es mal besser und mal schlechter – mal geht es zu deinen Gunsten aus und das andere Mal nicht. Trotzdem möchte ich mich natürlich weiterhin auf ein immer höheres Level schrauben, besonders bei Wind von rechts und in den Sprüngen, über die wir vorhin gesprochen haben.
Das Leben als Profi möchte ich solange es geht mitnehmen und genießen.
Genau, ich gehe dieses Jahr noch auf Sylt und Maui an den Start. Zukünftig habe ich aber auch vor, mehr Zeit und Energie in „Freesurf-” beziehungsweise Video-Trips zu stecken. Ich finde, das ist etwas, was im Windsurfsport im Vergleich zum Wellenreiten beispielsweise ein wenig fehlt: Dieses besondere Freiheitsgefühl des Reisens und Entdeckens noch intensiver rüberzubringen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel mit Arthur Aurutkin und Filmer Julien Bru spontan (auf Vorhersage) auf einem magischen Kapverden Trip. Solche Trips; nur mit zwei Freunden an einem Point Break surfen, neue Kulturen entdecken und stimmungsvolle Videos daraus zusammenschneiden, das ist mir mindestens genauso wichtig, oder sogar wichtiger, als einen Contest zu gewinnen.