Andreas Erbe
· 30.06.2025
Der Sieg direkt vor der Haustür in Kiel hat sich richtig gut angefühlt. Für mich war es das erste offizielle iQFOiL-Rennen seit der SOF Hyères Last Chance Regatta im April 2024 – also nach einer ziemlich langen Pause. Ich wusste ehrlich gesagt nicht genau, was mich erwartet. Damals war ich noch mit dem 9-m²-Segel unterwegs, diesmal zum ersten Mal mit dem kleineren, bislang in der Damenklasse eingesetzten 8-m²-Segel.
Es war noch eine Rechnung offen. Ich war mental und gesundheitlich wieder bereit, loszulegen!”
Nach dem Ende der nationalen Qualifikation für Paris 2024 (Marseille) hatte ich mein Material wortwörtlich in die Ecke gestellt – und es fast ein Jahr lang nicht mehr angerührt. Der Wendepunkt kam erst im April dieses Jahres, als ich bei einem Jugendcamp von Dennis Müller den iQFOil-Nachwuchs betreut habe. Dort bin ich selbst wieder aufs Board gestiegen – und habe sofort gespürt: Da ist noch eine Rechnung offen. Ich war mental und gesundheitlich wieder bereit, loszulegen. Was viele vielleicht nicht wissen: In den vergangenen knapp drei Jahren haben mich gesundheitliche Probleme immer wieder zurückgeworfen. Die letzten Monate habe ich daher genutzt, um körperlich wieder stabil zu werden – und habe zwischendurch auch mal die eine oder andere Slalom-Session eingeschoben, weil die körperliche Belastung dort nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was im iQFOiL gefragt ist.
Kurz darauf bin ich wieder richtig ins Training eingestiegen. Bis zur Kieler Woche waren es dann genau sieben Wochen Vorbereitung. Und dann gleich so zurückzukommen – das fühlt sich natürlich besonders gut an. Mir ist klar, dass die absolute Weltspitze in Kiel nicht am Start war. Trotzdem kann ich das Ergebnis realistisch einordnen und sehe es als gelungenen Neustart. Jetzt geht es Schritt für Schritt weiter – mit dem klaren Ziel, mich wieder an die Weltspitze heranzuarbeiten.
So zurückzukommen – das fühlt sich natürlich besonders gut an!”
Als ich die Meldeliste vorab gesehen habe, war mein erstes Ziel, es unter die Top 8 zu schaffen und mich so fürs Medal Race zu qualifizieren. Einige Namen kannte ich – da wusste ich, dass ein paar schnelle Leute dabei sind. Gleichzeitig war ich gespannt, wie sich die Nachwuchstalente seit meinem letzten Start entwickelt haben. Ich hatte ehrlich gesagt noch kein genaues Gefühl dafür, wo ich aktuell stehe und auf welchem Level ich mich bewege.
Ich habe ziemlich schnell gemerkt: Da geht was!”
Zwei Tage vor Regattabeginn habe ich dann an einigen Practice Races direkt vor Ort teilgenommen – und da habe ich ziemlich schnell gemerkt: Da geht was! Ich konnte mithalten, vorne mitfahren – und wusste plötzlich, dass ich das Niveau habe, hier um den Sieg mitzufahren. Das hat mir einen echten Schub gegeben. Mit dieser Energie und einem neuen Ziel vor Augen – nämlich ganz klar auf den Sieg zu gehen – bin ich dann in die Wettkämpfe gestartet. Ich konnte mich über die gesamte Regatta hinweg konstant in den Top 3 halten und habe mich am letzten Tag schließlich auf den ersten Platz vorgefahren. Damit war ich direkt für das Grand Final im Medal Race qualifiziert.
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Tatsächlich kamen mir die Bedingungen überhaupt nicht entgegen. Mein „Wohlfühl-Windbereich“ liegt eigentlich zwischen 10 und 20 Knoten – bei solchen Bedingungen fühle ich mich am wettbewerbsfähigsten. Ich wusste schon im Vorfeld, dass ich sowohl bei Leichtwind als auch bei starkem Wind noch einiges an Trainingsrückstand hatte. Genau diese Extreme hatten wir dann aber über die Woche hinweg: Am ersten Renntag lagen wir bei etwa 6 bis 9 Knoten, an den Folgetagen gab es Böen mit bis zu 30 Knoten. Im Nachhinein war es also eigentlich das perfekte Training – auch wenn es währenddessen ziemlich fordernd war. Erst im Medal Race hatten wir dann Bedingungen im für mich idealen Bereich, also 10 bis 20 Knoten. Allerdings war der Wind dort sehr instabil und drehend – was das Ganze ebenfalls nicht einfacher gemacht hat. Zusammengefasst: Die Bedingungen waren wirklich alles andere als einfach.
Viele meiner Konkurrenten sind im Rennen regelmäßig hochgesprungen, um das Seegras vom Foil zu lösen – das habe ich mich ohne vorherigen Test nicht direkt getraut.”
Ja, definitiv – zusätzlich zu den ohnehin schon anspruchsvollen Bedingungen kam auch noch das typische Seegras der Ostsee dazu. Und davon gab es nicht gerade wenig. Das Seegras hat meiner Meinung nach viele Rennen unnötig schwierig und unberechenbar gemacht. Gerade auf den letzten Downwind-Kursen habe ich dadurch häufig Positionen verloren, weil ich keinen effektiven Weg gefunden habe, es während des Rennens loszuwerden. Viele meiner Konkurrenten sind im Rennen regelmäßig hochgesprungen, um das Gras vom Foil zu lösen – das habe ich mich ohne vorherigen Test nicht direkt getraut. Erst im Medal Race blieb mir keine andere Wahl. Da war die Situation klar: alles oder nichts – also habe ich’s gemacht.
Also ich muss sagen: Das Medal Race war an Spannung wirklich kaum zu überbieten. Ich bin zwar mit einem Sieg Vorsprung ins Finale gesetzt gewesen, aber dann nahm das Unheil seinen Lauf – und plötzlich stand ich kurz davor, noch vor dem letzten Start auf Platz vier abzurutschen. Im alten Format wäre das gar nicht mehr möglich gewesen, denn dort starten im Grand Final nur die Top 3 – damit wäre eine Medaille automatisch sicher gewesen. In der aktuellen Struktur bleibt bis zum Schluss alles offen, was für zusätzliche Dramatik sorgt. Beide Formate haben ihre Vor- und Nachteile.
Langfristig ist mein klares Ziel, mich wieder voll auf das olympische Windsurfen zu konzentrieren und den Weg in Richtung Los Angeles 2028 zu gehen.”
Ich plane, dieses Jahr noch an mehreren Slalom- und iQFOil-Regatten teilzunehmen. Als großen Zielwettkampf habe ich mir die iQFOil-Europameisterschaft Ende November auf Sizilien gesetzt. Dort möchte ich wieder auf einem Level sein, das es mir ermöglicht, vorne mitzufahren und anzugreifen. Bereits Mitte Juli steht die Weltmeisterschaft in Aarhus an. Auch dort werde ich am Start sein, sehe das Event aber vor allem als Standortbestimmung. Angesichts der sehr kurzen Trainingszeit nach meiner Pause kommt die WM noch etwas früh – aber sie ist ein wichtiger Schritt, um zu sehen, wo ich stehe und woran ich arbeiten muss. Langfristig ist mein klares Ziel, mich wieder voll auf das olympische Windsurfen zu konzentrieren und den Weg in Richtung Los Angeles 2028 zu gehen. Mir ist bewusst, dass das ein harter und herausfordernder Weg wird – aber ich fühle mich bereit dafür.