Kapverden GalleryLeon Jamaer, Henri Kolberg und Laurin Schmuth über den Swell des Jahres - die besten Bilder

Leon Jamaer

 · 03.05.2025

Epische Bedingungen im Februar auf den Kapverden: Eine Truppe deutscher Wave-Pros war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Foto: Leon Jamaer
Den beiden deutschen Nachwuchs-Wavern Henri Kolberg und Laurin Schmuth war bei ihrer Spontanbuchung nicht klar, dass sie gerade auf eine der besten Vorhersagen der letzten Jahre reagierten. Zwei Tage später folgte den Jungspunden auch der erfahrene Profi Leon Jamaer auf die Kapverden. Hier erzählen sie von unvergesslichen Sessions und zeigen die besten Bilder!

Die Vorhersage

Leon: Segler machen auf den Kapverdischen Inseln häufig ein letztes Mal halt, bevor die konstanten Passatwinde genutzt werden, um auf Raumwindkurs den Atlantik zu queren. An der Westküste der Insel Sal weht dieser Wind schräg ablandig. Doch die Weltklasse-Wavespots, für die Sal bekannt ist, benötigen noch eine weitere Komponente, um zum Leben erweckt zu werden: einen Sturm auf dem Nordatlantik, der nicht wie üblich seine Energie irgendwo zwischen Island und Portugal entlädt, sondern die Wellen Richtung Süden drückt. Nur dann erreichen sie die zwischen dem 16. und 17. Breitengrad weit südlich gelegenen Kapverden. Die Vorhersage für Ende Februar ließ keine Zweifel daran, dass alle Voraussetzungen für epische Bedingungen erfüllt waren.

Laurin: Seit einiger Zeit standen die Kapverden auf meiner Liste. Jeden Winter sieht man Bilder und Videos von den Spots und hört davon, wie perfekt es sein kann, wenn die Vorhersage stimmt. Auch die Clips aus dem Film „Minds Wide Open“ sind mir seit der Veröffentlichung vor 14 Jahren nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

Strike Mission Kapverden

Henri: Laurin ist in seinem Zahnmedizin-Studium weniger flexibel als ich mit meinem Online-Studiengang. Deshalb bleibt uns oft nur der Zeitraum im Februar und März, um für ein paar Wochen außerhalb der Worldcup-Saison wegzufliegen. Wir hatten wie letztes Jahr die Vorhersage für Teneriffa im Blick, aber da bewegte sich leider nicht viel. Dann kam irgendwann eine Nachricht von Laurin: „Auf den Kapverden ist aktuell jeden Tag Wind und innerhalb weniger Tage kommen gleich drei Swells. Let’s go!“ Zu dem Zeitpunkt hatten wir keine Ahnung, dass dies eine der besten Vorhersagen der letzten Jahre war. Während des Landeanfluges konnten wir schon die ersten Spots erkennen und sahen perfekte Wellen die Felsen entlangbrechen. Und das, obwohl der große Swell noch gar nicht eingetroffen war. Unser Flug ging durch die Nacht, und so machten wir uns nach der Landung ohne Schlaf direkt auf den Weg nach Ponta Preta. So was hatten wir noch nie gesehen. Es lief eine perfekte Welle nach der anderen den Point entlang. Egal an welchen Spot wir in den folgenden Tagen kamen, es war immer so gut, dass man direkt aufs Wasser gehen musste. Wir haben meistens früh das Haus verlassen und kamen vier Sessions später, erst nach Sonnenuntergang wieder.

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Egal an welchen Spot wir kamen, es war immer so gut, dass man direkt aufs Wasser gehen musste.”

Leon: Obwohl ich die Wetterkarten schon ein paar Tage länger im Blick hatte, ging es am Ende ganz schnell. Die Schwiegereltern sprangen bei der Kinderbetreuung ein, also ging es von Niedersachsen erst zurück nach Preetz bei Kiel, beim Amt wurden Briefwahl-Unterlagen eingeschmissen und ein neuer Reisepass abgeholt, dann Sachen packen (4.5, 4.7, 5.0, ein 87-Liter-Brett und ein Wellenreiter) und zurück auf die Autobahn nach Düsseldorf. Nach einer sehr kurzen Nacht im Auto wurde eingecheckt und schon am Mittag begrüßten mich Laurin und Henri, die bereits seit zwei Tagen vor Ort waren, am Flughafen von Sal. „Du willst bestimmt erst mal zum Apartment, oder?“ – „Ähm, nee, was sind denn eure Pläne?“ – „Ali Baba.“ – „Ja, okay.“

Ali Baba - die längste Welle

Laurin: Und da waren wir dann. Ali Baba. Die längste Welle, die ich je gesurft bin. Die Welle rollt mehrere Hundert Meter mit extrem hoher Geschwindigkeit in die Bucht rein. Wenn man sich einen Fehler erlaubt, landet man auf den messerscharfen Felsen. Das mussten wir drei nacheinander auf die harte Tour erfahren.

Im Fachjargon nennt man solch eine Welle ‘Freight Train’. Wenn man auf den Zug aufgesprungen ist, heißt es ‘pedal to the metal’.”
In kraftvollen Wellen wie diesen (vor den Felsen) an die Lippe zu gehen verlangt einiges an Erfahrung, die richtige Technik und eine Prise Mumm.Foto: Ayrton DiastozatIn kraftvollen Wellen wie diesen (vor den Felsen) an die Lippe zu gehen verlangt einiges an Erfahrung, die richtige Technik und eine Prise Mumm.

Leon: Die zeitlosen Aufnahmen an diesem Spot von Kauli Seadi in „Minds Wide Open“ sind für immer und ewig in meinem Gedächtnis eingebrannt. Im Fachjargon nennt man solch eine schnelle Welle „Freight Train“. Das Aufspringen auf die im Eiltempo vorbeirollenden Züge stellte sich dabei als gar nicht so leicht heraus. Der Wind weht fast komplett ablandig und die Hügel des Groundswells türmen sich erst knapp vor den Felsen auf, sodass man erst sehr spät den Schwung der Welle zum Angleiten nutzen kann. Was folgt, ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Man positioniert sich immer weiter in der Inside und immer weiter in Luv an den Felsen, damit die Wellen nicht einfach unter einem durchlaufen. Gleichzeitig hat man den Horizont fest im Blick, um sich bei größeren Sets, die weiter draußen brechen, rechtzeitig aus dem Staub machen zu können. Ich erinnere mich an eine Session in Ali Baba, in der ich innerhalb von zwei Stunden gerade mal zwei Wellen erwischt habe. Wenn man einmal auf den Zug aufgesprungen ist, heißt es allerdings „pedal to the metal“. Der böige Wind wird durch die Welle und die eigene Fahrtgeschwindigkeit schnell druckvoll und will einem in kritischen Momenten am liebsten das Rigg aus den Händen reißen. Gleichzeitig beschleunigt das Brett unter den Füßen immer weiter. Die obere Section der Welle lässt sich mit Carves noch relativ entspannt abreiten, weiter unter muss man dann eine Highline wählen, wie ich es von keiner anderen Welle kenne. Die Maximalgeschwindigkeit der Ausrüstung ist erreicht und man klebt unter der hohl brechenden Lippe, nutzt den Schub der Welle sowie den brachial die Welle herausschießenden Wind, um Meter für Meter gutzumachen und es bis zur Carpark Section zu schaffen, die dann wieder ein wenig entspannter ist und weitere Turns zulässt.

“Zu gut, um wahr zu sein” - und heftige Wipeouts

Laurin: Mich erwischte es einmal eiskalt. Ich war zu tief und merkte, dass die Welle langsam zumachte. Nachdem ich gerade noch so vor die Welle kam, schaute ich hinter mich und sah, wie die etwas über masthohe Lippe fast auf mich draufbrach. Ich fuhr noch ein paar Meter mit dem Weißwasser, bevor es mich verschluckte. Mit ein wenig Glück und einer ziemlich langen Schwimmeinheit schaffte ich es noch, mich zwischen zwei Felsen an Land spülen zu lassen. Mein Material blieb ganz, und abgesehen von ein paar Schnitten an meinen Beinen und Füßen blieb auch ich verschont. Ein paar der Szenen, die mir während dieses Trips auf dem Wasser vors Auge kamen, werde ich nie vergessen. Zum Beispiel nahmen Leon und ich einmal die zweite und dritte Welle eines masthohen Sets. Nach ein paar Turns halsten wir raus und dümpelten nun zusammen wieder im Channel Richtung Point. Währenddessen kam Henri mit einer noch größeren Welle des Sets an uns vorbei und fuhr einen Turn nach dem anderen in die Pocket dieser perfekten Welle. Es war teilweise zu gut, um wahr zu sein.

Ich fuhr noch ein paar Meter mit dem Weißwasser, bevor es mich verschluckte. Es folgte eine lange Schwimmeinheit.”

Der besondere Kick an einem Spot im Norden von Sal

Henri: Als der Wind eines Morgens zu ablandig für die bisherigen Spots kam, aber immer noch viel Swell unterwegs war, beschlossen wir, einen Spot weiter im Norden zu erkunden. Die Wellen kommen hier aus dem tiefen Hafenbecken von Sal, saugen sich dann richtig auf und brechen auf fast trockenen Felsen. Zum Glück gibt es in Lee einen großen Channel, durch den man entspannt rausfahren kann, doch stürzen sollte man auf dieser Welle besser nicht. Der Spot hat mir gegen Ende des Trips noch mal das ganze Adrenalin in den Körper gepumpt. Etwas weiter draußen lag ein Containerschiff. Wenn es hinter den Wellen verschwand, wusste man, das nächste Set an Monstern rollt rein. Hinter der ersten, noch etwas kleineren Welle hat sich dann eine Wasserwand versteckt, die gut über masthoch war. Schaffte man es, sich auf die Welle zu pumpen, hatte man etwas Zeit, sich zu positionieren und sich auf den Ritt vorzubereiten. Es ist immer ein schmaler Grat, tief genug zu sein, um den Turn in den kritischen Teil der Welle zu setzen, aber nicht zu tief zu sein, sodass man die gesamten Wassermassen auf den Kopf bekommt und auf den Felsen landet. Beim Warten darauf, dass die Welle steil wird, fangen meine Knie an zu zittern. Mein Puls steigt und meine Augen blicken auf die Felsen, auf die ich gerade zufahre. Wenn der Moment gekommen ist und die Welle sich aufsaugt, wird alles ganz ruhig. Ich rase die Wasserwand herunter, um am Fuß der Welle mein ganzes Gewicht aufs Rail zu legen. Ein paar Zentimeter hinter mir krachen Tonnen an Wasser herunter. Die Welle donnert, als würde ein Blitz direkt neben mir einschlagen. Nach der Session bekomme ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Ich frage mich immer wieder, wie die Natur so etwas Schönes und Verrücktes schaffen kann. Die Erinnerungen an diese Session und den gesamten Trip sind für die Ewigkeit!

Wenn das Containerschiff hinter den Wellen verschwand, wusste man, dass das nächste Set an Monstern anrollt.”
Vier Sessions am Tag waren keine Seltenheit – das Trio brachte in dieser Woche wahrlich die Rails zum Glühen.Foto: Leon JamaerVier Sessions am Tag waren keine Seltenheit – das Trio brachte in dieser Woche wahrlich die Rails zum Glühen.

Material und Trimm

Leon: Sobald die Wellenperiode, das zeitliche Intervall zwischen zwei Wellen, über 15 Sekunden steigt, eröffnet sich für Wave-Windsurfer eine neue Dimension. Die Wellen laufen schneller und tragen aufgrund des langen, flach gezogenen Wellenhügels mehr Energie in sich. Da ich seit über einem Jahr keine richtigen Groundswell-Wellen mehr gesurft war, brauchte es etwas Eingewöhnung. Ich wechselte daher zum Thruster-Setup, das mir etwas mehr Sicherheit verleiht, und schraubte sowohl Mastfuß als auch Finnen ein wenig nach vorne. Dadurch steht man mehr über dem Brett und nutzt die gesamte Railline für seine Bottom- und Topturns, was ebenfalls Sicherheit verschafft. Am vorletzten Tag fühlte ich mich sicher genug, um Ali Baba härter zu attackieren, und endlich gelingen mir ein paar Airs, bei denen ich mich so spät wie möglich unter der Lippe positioniere und dann mit einem gewaltigen Impuls in Richtung Land katapultiert werde, vor der Welle lande und es dann noch um die schon vor mir brechende Section schaffe. Den Hochgenuss der Wellen von Sal konnte ich Tag für Tag mit Henri, Laurin und einigen weiteren angereisten Windsurfern teilen. Obwohl mein 4,7er Segel, die Größe, die ich ausschließlich genutzt habe, sowie das restliche Material, abgesehen von einem Mast, am fünften Tag noch intakt waren, ging es völlig leer gesurft und ohne Reue zurück in den Flieger nach Deutschland.


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