“Lisa’s life” (Part 1)Sandiger Kanaren-Sommer im VW-Bus, zwischen Weltcup-Trophäen, Chaos und Stille

SURF Redaktion

 · 24.08.2025

Neuer Sponsor: Die Getränkemarke "Mio Mio" unterstützt die deutsche Worldcupperin seit diesem Sommer.
Foto: Elena Dominick
​Begleite Lisa Kloster auf ihrer abenteuerlichen Windsurf-Reise auf den Kanaren und darüber hinaus. Erfahre, wie sich die leidenschaftliche Freestylerin Herausforderungen stellt, ihre Träume verfolgt und schließlich das Podium im World Cup erreicht, während die Lebenskünstlerin jedes Erlebnis in vollen Zügen genießt.

Januar 2025: Wir unterhalten uns mit Lisa und ihrer Freundin Elena auf der boot Düsseldorf über ihr Leben als Freestyle-Damen “on the road”. Lisa steht mitten im Masterstudium in Sustainability und träumt davon, weitere Sponsoren zu finden und das Podium im World Cup zu knacken. Sechs Monate später erreichen uns Bilder mit einem neuen Sponsorenlogo auf ihrer Brettspitze und einer großen World Cup Trophäe in ihren Händen. Geschafft! Im folgenden Blog “Lisas life” berichtet die 25-jährige Vagabundin in Teil eins von ihren Abenteuern und sportlichen Erfolgen auf den Kanaren diesen Sommer. “Mehr tun als alles geben kannst du eh nicht”, schreibt die Lebenskünstlerin, bei der es hin und wieder ziemlich chaotisch zugehen kann. Ihre Träume und Ziele verliert sie dabei nie aus den Augen, immer mit der obersten Priorität: jeden Tag das zu tun, was sie liebt.

​Text: Lisa Kloster

Dieser Sommer war für mich eine Mischung aus Training, Masterarbeit, Wettkämpfen, Arbeiten, T4-Abenteuern und einer Menge verrückter Momente. Und das alles auf den traumhaften, aber auch windig-rauen Kanaren. Ich war unterwegs für den Freestyle- und Wave-Windsurf-Worldcup, lebte die meiste Zeit in meinem VW-Bus, pendelte zwischen Fuerteventura und Gran Canaria und lernte unterwegs nicht nur, wie man Culos landet, sondern auch, wie man mit einem Draht die Schaltstange wieder befestigt oder wie man einen Igel fast versehentlich in den Van einlädt.

Anreise und die ersten Wochen auf Fuerte

​Das letzte Wintersemester hatte ich in Cádiz studiert und genau von dort aus legt die 29-Stunden-Fähre nach Fuerteventura auch ab. Tipp 1 an der Stelle: Ich habe mich kostenlos im Navieras Armas “seaclub” angemeldet und dort einen Code für 15% Rabatt erhalten. Somit habe ich nur 275 Euro für meinen T4 und mich bezahlt. Wenn man die Flugpreise im Sommer anguckt (besonders mit den Windsurfboardbags) dann kann sich so eine Fähre echt lohnen, wenn man die Zeit hat. So bin ich also ganz entspannt nach etwas mehr als einem Tag auf der sandig-felsigen Mondlandschaft von Fuerteventura angekommen.

Die große Frage war natürlich: Ist es Anfang Mai auf Fuerteventura schon windig genug? Die erste Woche war leider weniger windig und sogar ein Tag von dem im Sommer ganz unüblichen Südwind war dabei. Ich habe es kurz mit 4.8 probiert, aber dann festgestellt, dass es doch etwas wenig ist. Was bei leichtem Südwind und etwas NW Swell mega gut funktioniert: Wellenreiten in La Pared!! Ich hatte im glasklaren, türkisen Wasser die wohl beste Wellenreitsession meines Lebens. Nach einer unglaublich perfekten Welle, in der ich durch die klare Welle die Sonnenstrahlen sehen konnte, habe ich nur gedacht: “Wow! Allein diese Welle war es wert schon so früh im Mai auf die Kanaren zu kommen!”. Die ersten paar Tage waren also mehr von Wellenreiten geprägt, bis mir an Tag 5 in über zwei Meter hohen Wellen mein Board in der Mitte gebrochen ist. Glücklicherweise war das genau der Tag, an dem der typische Sommer NW Wind angefangen hat. Und ab dem Tag hat er auch nicht mehr aufgehört.

Das Tagesprogramm der nächsten Wochen war: Uni/ Arbeiten, Windsurfen, Essen, Arbeiten, Windsurfen und Essen. Und wer sich jetzt fragt, was man denn eigentlich so aus dem Van heraus arbeiten kann: Aktuell habe ich erstmal was im Bereich digitales Marketing gefunden, nebenbei bilde ich mich noch in Richtung Software Engineering weiter. So kann ich hoffentlich auch in Zukunft ortsunabhängig arbeiten. Im Studium (“Nachhaltigkeit” mit Fokus auf Coastal Engineering und Umweltmodellierung) hat es ohnehin relativ gut geklappt flexibel zu bleiben, um Reisen zu den Wettkämpfen zu ermöglichen.

Lisa trainierte im Frühsommer wochenlang auf Fuerte für den World Cup.Foto: Florian Bonnafond (@WindCh4ser)Lisa trainierte im Frühsommer wochenlang auf Fuerte für den World Cup.

Ich lebte auf Fuerte allein im Van, verbrachte die Abende oft in völliger Stille, nur unterbrochen von dem Rascheln kleiner Besucher: Igel, die nachts über den sandigen Parkplatz liefen. Eine dieser Begegnungen wurde fast zu einem unfreiwilligen Mitbewohner-Moment: Eines Nachts wachte ich auf, stieg im Halbschlaf aus dem Van, und sah etwas Dunkles im Sand liegen. In meiner verschlafenen Logik dachte ich, es sei mein kleiner Handfeger. Ich bückte mich, griff zu und zog im letzten Moment die Hand zurück, weil es sich stachelig anfühlte. Turns out: Kein Handfeger, sondern ein Igel, den ich beinahe in den Van verfrachtet hätte. Abgesehen von nächtlichen Igel-Schreckmomenten war die Zeit auf Fuerte im Mai und Juni vor allem Trainingszeit. Mein größter Erfolg in dieser Phase: Ich habe endlich meinen ersten “Culo” gelandet - ein Trick, den ich seit 2019 immer wieder probiert habe. Jahrelang hat mich dieser Trick verzweifeln lassen. Und dann, an einem völlig unspektakulären Tag, hat es einfach Klick gemacht. Ich konnte es kaum glauben, und eigentlich kann ich es bis heute nicht so richtig fassen. Das flache Wasser und der starke Wind war ein Gamechanger. Apropos starker Wind: Wenn man am Risco del Paso Parkplatz steht, weht der Sand in jede Ritze deines Vans. Ich kann es daher empfehlen an den starken Tagen ein altes Spannbettlaken über Motorhaube und Windschutzscheibe zu spannen. Das ist zwar nicht schön, aber effektiv, um den Motor und den Lack vor Flugsand zu schützen.

​Ich bückte mich, griff zu und zog im letzten Moment die Hand zurück, weil es sich stachelig anfühlte. Turns out: Kein Handfeger, sondern ein Igel, den ich beinahe in den Van verfrachtet hätte.

Ab nach Gran Canaria, mein erster Pozo World Cup

​Mitte Juni ging es für mich weiter nach Gran Canaria, nach Pozo Izquierdo. Dieser Spot ist in der Windsurfszene bekannt für den wohl stärksten Wind, der die gesamten Sommermonate durchbläst. Wer hier zum ersten Mal auf’s Wasser geht, merkt sofort: Das ist eine ganz andere Liga. Auf den Livestreams sieht es nie so windig aus, wie es wirklich ist! Der Plan war es, mit meiner besten Freundin das erste Mal in Pozo beim Wave Worldcup mitzufahren. Aber in den ersten 3 Tagen auf dem Wasser dachte ich nur: “Hilfe wie soll ich hier meine Tricks landen, wenn schon geradeaus fahren schwierig ist?!” Denn an diesen Tagen waren sogar einige Männer auf 3.0, während ich mit meinem 3.3 am kämpfen war. Es hat sich angefühlt, als würde man in einem überdimensionierten Windkanal trainieren. Und auch die rutschigen Steine machen den Ein- und Aussteg zu einer weiteren Herausforderung. Ein paar Tage später holte ich meine beste Freundin Elena vom Flughafen ab. Wir kennen uns inzwischen seit über zehn Jahrenund haben uns damals durchs Windsurfen überhaupt erst kennengelernt. Heute wohnt sie in Kiel, also nicht gerade um die Ecke, weshalb ich mich immer riesig freue, wenn sie mich im Winter in Tarifa besucht oder wir uns bei PWA- oder FPT-Tourstopps treffen, an denen sie in letzter Zeit regelmäßig teilnimmt. Zwei Menschen, ein T4, immens viel Windsurfmaterial: das Chaos war vorprogrammiert. Wir lebten die ersten Tage zwischen Segeln, Neos, Technikkrams und herumfliegenden Klamotten, bevor Elena in ein Airbnb gezogen ist und ich im Van wieder etwas geordneter leben konnte. Dort durfte ich das erste Mal seit Wochen mal wieder in einem echten Bad duschen, statt nur mit “Flasche-übern-Kopf-Technik”. Ich bin richtig happy, dass wir es auch in der Zeit zusammen im Van geschafft haben zu arbeiten und uns trotz der Enge nicht auf die Nerven gegangen sind.

​​Hilfe! Wie soll ich hier meine Tricks landen, wenn schon geradeaus fahren schwierig ist. Es hat sich in Pozo so angefühlt, als würde man in einem überdimensionierten Windkanal trainieren.

Anfang Juli startete dann der Worldcup in Pozo. Ich hatte mir vorgenommen, ohne großen Druck zu starten: einfach Spaß haben, mit dem einzigen Ziel sich nicht zu verletzen. Das half enorm, locker zu bleiben. Und so bin ich meinen ersten Heat zusammen mit meiner besten Freundin weitergekommen. Und als wäre ich dann nicht schon glücklich genug gewesen, habe ich in der Single Elimination Justyna Sniady rausgehauen und bin bis ins Semi-Finale gekommen. Ich konnte es kaum glauben. Wahrscheinlich hat es mir das erstemal geholfen im Freestyle goofy zu fahren, denn so konnte ich auf Rechts vorne Shove-its aka backside airs zünden, die mir richtig viele Punkte gegeben haben. Mit wenig Erfahrung in der Welle ein Top 10 Ergebnis in meinem ersten Pozo Wave Event?! Ich bin mehr als zufrieden.

Wave-Action auf Gran Canaria.Foto: Carter/pwaworldtour.comWave-Action auf Gran Canaria.

Zurück in die Mondlandschaft

​Nach dem Event ging es Mitte Juli zurück nach Fuerteventura. Dort mussten wir zuerst die Kakerlaken vertreiben, die in die drei, vier Segel gekrochen waren, die wir in einer Garage in Pozo gelagert hatten. Die Vorbereitungszeit war knapp, da keine eineinhalb Wochen zwischen den beiden Events lagen. Die Tage waren voll mit Training am schwierigen Worldcup-Spot, Filmen, gegenseitige Tipps geben. Es war ein ganz anderer Vibe als im Mai: weniger Einsamkeit, mehr Gemeinschaft, mehr Lachen. Ich hatte mich ewig darauf gefreut endlich wieder Zeit mit meinen Freestlye girls zu verbringen. Denn gute Freundinnen wie Maaike Huvermann sehe ich leider nur an den Wettkämpfen. Für den Fuerte Worldcup habe ich freie Unterkunft im Meliã Hotel bekommen. Das erste Mal seit Monaten habe ich in dieser Woche nicht im Van geschlafen. Der Kontrast könnte wohl nicht größer sein vom staubigen Parkplatz direkt ins Luxus Hotel.

Vom staubigen Parkplatz direkt ins Luxushotel...
Lisas Tipp für Van-Reisende auf Fuerteventura:  Ein altes Spannbettlaken über Motorhaube und Windschutzscheibe spannen, um Motorraum und Lack vor Flugsand zu schützen.Foto: Lisa KlosterLisas Tipp für Van-Reisende auf Fuerteventura: Ein altes Spannbettlaken über Motorhaube und Windschutzscheibe spannen, um Motorraum und Lack vor Flugsand zu schützen.

Geschafft! Endlich auf dem Freestyle-Podium

​Die Fuerte-Competition war für mich ein besonderer Moment. Die Bedingungen waren stark, aber nicht einfach. Ich war nervös, aber habe mir gleichzeitig die ganze Zeit zur Beruhigung gesagt: “Mehr tun als alles geben kannst du eh nicht!”. Die Stimmung unter den Girls war wie immer großartig. Wir haben einander zugejubelt und die Punkte im Livescoring gecheckt. Es war auch super cool ein paar neue Gesichter zu sehen. Darüber freuen wir uns immer sehr! Und dann kam die Double Elimination und ich wusste: wenn ich diesen Heat gegen Živa Batis gewinne, habe ich den dritten Platz sicher. Direkt am Anfang des Heats ist der Wind plötzlich gedroppt und ich habe überlegt, ob ich mein Segel wechseln soll. Aber besonders Vorne in Strandnähe, war fast kein Wind und ich wollte keine wertvolle Zeit verlieren, um zum Strand zu dümpeln. Also entschied ich mich weit draußen in der letzten Ecke der Heat-Area zu bleiben. Mit einer starken Böe konnte ich einen 5.6 Punkte Kono landen. Aber ansonsten habe ich mir die Seele aus dem Leib gepumpt, um mit meinen Tricks in den knappen 8 Minuten genug Punkte zu sammeln. Die Zeit war so schnell um, und als ich zurück am Strand ankam, raste mein Herz. Ich habe versucht irgendwelche Zeichen zu sehen, weil ich nicht wusste, wie gut meine Konkurrentin gefahren ist. Ich habe niemanden Jubeln gesehen, und auch wo die Ausrichtung der Kameras verriet mir nichts. Bis ich die Durchsage hörte: “Lisa Kloster advances”. Und damit war für mich klar, dass ich mein erstes Worldcup Podium erreicht hatte! Nach Jahren harter Arbeit, unzähligen Trainingsstunden, Höhen und Tiefen durfte ich meine erste PWA Trophäe in der Hand halten. Stolz, Erleichterung und Freude haben sich zu einem Gefühl gemischt, das schwer zu beschreiben ist. Den Abend ging’s daher erstmal in die “la Carpa” (Worldcup-Party) um das zu feiern.

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​Ich wusste: Wenn ich diesen Heat gegen Živa Batis gewinne, habe die Podiumsplatzierung sicher.
“Die Stimmung unter den Girls war wie immer großartig.”Foto: Tom Brendt“Die Stimmung unter den Girls war wie immer großartig.”

Wann ist die beste Zeit auf den Kanaren?

​Für alle, die mal zum Windsurfen auf die Kanaren wollen: Auf Fuerteventura ist die beste Zeit von Juni bis Mitte/Ende Juli. Dann ist die Windsicherheit am größten. Und man kann täglich Segel von 3,6 bis 4,4 fahren. Es gibt echt coole Spots, von reinem Flachwasser und Flachwasser mit Kickern im Süden, bis zu Side-Offshore-Wavebedingungen weiter nördlich (z.B. Puerto Lajas). Ab August kann der Wind auch mal ein paar Tage Pause einlegen, bevor er weiter bläst.

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Auf Gran Canaria ist es noch windiger, besonders im Juli. Hier lohnt sich, kleine Segel wie 3.3 oder sogar 3.0 mitzubringen. Während des Worldcups und der Vorbeireitungszeit kann es aber echt voll werden in der kleinen Bucht von Pozo. Dann lohnt es sich auch die anderen Spots in der Nähe, wie Vargas oder Ojos, auszuchecken.

Next Stop: Griechenland

​Nach dem Wettkampf auf Fuerte ging es für mich direkt auf den langen Roadtrip nach Griechenland, genauer gesagt nach Paros und Naxos. Denn der nächste Wettkampf findet im Oktober auf Naxos statt. Der Plan: Fähre von Fuerte nach Cádiz (38h), von dort aus mit dem Auto nach Barcelona, dort auf die Fähre nach Civitavecchia (22h), mit dem Auto nach Bari, auf die Fähre nach Patras (18h), von dort mit dem Auto nach Rafina und dort auf die letzte Fähre. An dem Tag an dem die Reise losging dachte ich mir nur: Oh Lisa, was hast du hier wieder wildes geplant?!”. Eine Woche lang durchgehend reisen, gleichzeitig mein Teilzeitjob erledigen und keine einzige Nacht mit normalem Schlaf. Das war wirklich anstrengend. Und sehr heiß. Aber ich habs geschafft.

Auf den Überfahrten mit der Fähre verzichtet Lisa meist auf eine Schlafkabine und spannt sich einfach mit der Hängematte an Deck ein.Foto: Lisa KlosterAuf den Überfahrten mit der Fähre verzichtet Lisa meist auf eine Schlafkabine und spannt sich einfach mit der Hängematte an Deck ein.

Mein erster Tipp für alle, die eine ähnliche Tour vorhaben: Hängematte mitnehmen! Kabinen auf Fähren sind oft extrem teuer, und selbst ein Pullman-Sitz kann bei langen Überfahrten unbequem werden. Mit einer Hängematte lässt sich an Deck oder in einer ruhigen Ecke ganz entspannt schlafen, man spart Geld und kommt halbwegs erholt an.

Jetzt bin ich gerade auf Paros angekommen und das nächste Kapitel wartet auf mich: Neues Revier, neue Bedingungen, neue Chancen. Aber egal wie es läuft, dieser Sommer hat mir gezeigt, dass es nicht nur um Platzierungen oder perfekte Bedingungen geht. Es geht um die Mischung aus Training, Freundschaften, kleinen Erfolgen, chaotischen Momenten, viel Organisationsarbeit und vor allem dem Gefühl, jeden Tag das zu tun, was man liebt.

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