Lüderitz Speed ChallengeJenna Gibson über die Lüderitz Speed Challenge und ihren Weltrekord

SURF Redaktion

 · 21.02.2025

Gleich bei ihrem ersten Ausflug in die Speed-Welt schnappt sich Jenna Gibson den Speed-Weltrekord der Damen.
Foto: Lüderitz Speed Challenge/Raffaello Gardelli
Gleich bei ihrem ersten Start bei der Lüderitz Speed Challenge hat Jenna Gibson einen Weltrekord aufgestellt - und das gleich mehrfach. Für surf erzählt sie, wie einschüchternd der Kanal ist, welche Details entscheidend sind und wie sich der Run anfühlt.

Erst zwei Monate vor der Lüderitz Speed Challenge beschlossen mein Freund ­Simon und ich, alles zu tun, um dieses Jahr nach Namibia zu kommen. Es gab so viel zu planen und zu organisieren, und wir hatten keine Ahnung, wo wir anfangen sollten. Aber glücklicherweise bekamen wir viele Tipps und Ratschläge von einigen Freunden, welche Ausrüstung wir mitnehmen sollten, welchen Lkw wir mieten sollten, welche Route wir fahren sollten, wo wir unterwegs anhalten sollten, und viele mehr.

Speedsurfen ist definitiv eine ganz andere Disziplin als Slalom. Als ich am Kanal ankam, wusste ich, dass ich beim Material-Set-up, meiner Technik und meiner inneren Einstellung von vorne anfangen musste. Vor allem an meiner Einstellung, immer schneller sein zu wollen, ohne direkt von seinen Konkurrentinnen auf dem Slalomkurs angetrieben zu werden. Beim Speedsurfen tritt man nur gegen sich selbst an, und das war für mich am schwierigsten zu akzeptieren.

Eingeschüchtert vom Speedkanal

Als wir ankamen, waren wir von der geringen Breite des Kanals und der kurzen Auslaufzone sehr eingeschüchtert. Glücklicherweise waren für die erste Woche schwächere Winde vorhergesagt. Allerdings sind schwächere Winde in Lüderitz immer noch 25 Knoten, und den ersten Tag haben wir am Diaz Point verbracht, wo der Wind stärker ist und etwa 35 Knoten betrug. Was für ein wunderschöner Ort, 15 Minuten vom Kanal entfernt, superflaches, offenes Wasser, ein traumhafter Speedspot. Tag eins begann mit einem Paukenschlag, weil ich meinen bisherigen Topspeed brach, und das, obwohl ich noch nicht einmal auf dem Kanal war – ein Traumstart.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Ein paar Tage später nahm der Wind etwas zu, sodass wir für einige Trainingstage zum Kanal wechselten. Da es aber keine rekordverdächtigen Bedingungen gab, konnten wir viele Runs auf dem Kanal machen, um unser Selbstvertrauen zu stärken und uns mit den größeren, 45 Zentimeter breiten Speedboards vertraut zu machen, bevor wir zu den kleineren Boards wechselten (die wir noch nie zuvor benutzt hatten), wenn der Wind stärker würde. Als das dann geschah, sah ich das einfach als „einen weiteren Tag auf dem Wasser“ an. Ich wusste, dass ich einfach mein Bestes geben und von da an weiter Fortschritte machen musste. Beim Umstieg auf die kleinen Boards war zwar wieder alles neu, aber es hat mir gefallen.

Mit jedem Lauf wurde ich ein bisschen besser darin, den Slingshot (Beschleunigungsphase beim Übergang von Halb- auf Raumschot-Kurs – Anm. d. Red.) um die Ecke zu bekommen. Es hat so viel Spaß gemacht, verschiedene Varianten auszuprobieren und Antoine (Albeau) und Gunnar (Asmussen) dabei zuzusehen, welche Linie sie bei ihren Läufen einschlugen. Schnell pulverisierte ich meine eigenen Bestmarken immer und immer wieder.

Der Kopf ruft “Stop, stop, stop!”

Am vierten Tag auf dem Kanal drehte der Wind richtig auf. Jetzt erwiesen sich die Trainingstage mit leichtem Wind als große Hilfe. Die Jumpstarts aufs Board waren entscheidend. Es war wichtig, mit voller Kontrolle im Trapez bis zur Ecke zu kommen und im Slingshot so viel Geschwindigkeit wie möglich aufzubauen, um mit möglichst viel Speed die erste Kamera und den Start des offiziellen 500-Meter-Kurses zu passieren. Ich will nicht lügen, die Starts waren nicht einfach, da der Wind in der Startbox sehr stark war. Alle schauen dir zu, während sie hinter dir auf ihren Einsatz warten, manchmal springst du auf das Brett und es sinkt wie ein Stein, wenn der Wind nachlässt und du mit der Finne auf dem Boden kratzt. Das kann superfrustrierend sein. Aber wenn alles passte, war es ein unglaublicher Rausch, man springt nach vorne, landet auf dem Brett, irgendwie hat es schon Fahrt aufgenommen, man bekommt die Füße so schnell wie möglich in die Schlaufen und fährt mit voller Kraft auf die Kurve zu.

Wenn man um die Ecke kommt, beschleunigt das Brett wie nichts, was ich je zuvor gefühlt habe, es ist unglaublich. Vor dir liegt das schnellste und schmalste Stück Wasser auf dem Planeten. Du betest für die perfekte Böe, surfst so nah wie möglich an die Wand aus Sandsäcken in Luv heran und lässt das Board fliegen. Rund 20 Sekunden später, bevor du überhaupt die Chance hast, es dir bequem zu machen, bist du schon am Ende des Kanals und du musst das Segel auf Wasser legen und das Board so hart wie möglich carven, um zu versuchen, langsamer zu werden, bevor du das Ende der Zielbox erreichst. Es ist wirklich ziemlich schwierig, mit Vollgas an der Zielkamera vorbeizusurfen, da die Zielbox so kurz ist, dass der Kopf einem zuruft: „Stop, stop, stop!“ Aber man muss so lange wie möglich durchhalten, um die bestmögliche und schnellste Zeit zu erzielen. Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich zu früh langsamer geworden bin.

Kleinigkeiten sind im Speedsurfen entscheidend

Als ich den Rekord von Heidi Ulrich (47,06 Knoten) zum ersten Mal brach, zeigte mein GPS eine Geschwindigkeit von 47,17 Knoten an. Das klingt gut, aber der Rekord wird nicht vom GPS aufgestellt, sondern durch die Videozeitmessung. Manfred, der Zeitnehmer, muss also das Videomaterial überprüfen und die offizielle Geschwindigkeit ermitteln. Oft ist die Geschwindigkeit langsamer als die GPS-Zeit, sodass wir nervös darauf warteten, die offizielle Geschwindigkeit zu erfahren. Wir haben kurz angehalten, um ein wenig zu feiern, aber ich musste einfach weiterfahren, um zu versuchen, den Abstand zum alten Rekord zu vergrößern, nur für den Fall. Mein Run wurde auf 47,08 Knoten korrigiert, nur Bruchteile über Heidis Weltrekord. Glücklicherweise hatten wir die Bedingungen, um weiterzufahren, und ich konnte meine Geschwindigkeit später am Tag und an den folgenden Tagen verbessern.

Zur Vorbereitung auf das Lüderitz-Abenteuer hatte ich versucht, meine GPS-Geschwindigkeiten auf meinem Slalom-Material im Hafen von Portland zu verbessern, wo ich schon einige unterschiedliche Einstellungen und Körperhaltungen fand, die mir halfen, unter diesen Bedingungen schneller zu fahren. Selbst Kleinigkeiten wie das Zurücksetzen des Mastfußes und kürzere Trapeztampen führten zu großen Veränderungen. Seltsamerweise ließ sich dies jedoch nicht unbedingt auf den Speedkanal in Lüderitz übertragen. So wechselte ich beispielsweise wieder zu meinen längeren Slalom-Trapeztampen, um auf dem Kanal schneller zu werden.

Zum Finale nochmal ein Weltrekord

Neben kleineren Brettern waren asymmetrische Finnen eine weitere Neuheit für uns. Wir haben großes Glück, F‑Hot als Sponsor für unsere Finnen zu haben. Jede einzelne von Steve (Cook) hergestellte Finne ist ein Kunstwerk. Jedes Mal wenn ich den Rekord brach, fühlte es sich besonders an, und alle feierten mit mir.

Das Finale fühlte sich jedoch auf dem Wasser am unwirklichsten an. Der Wind hatte nachgelassen und die Läufe wurden langsamer, die meisten Fahrer machten eine Pause, aber ich beschloss, noch weiterzusurfen, da es noch eine Menge zu lernen gab und ich auch ohne rekordverdächtige Bedingungen viel Spaß hatte. Mit weniger Wind war das Wasser glatter geworden, mit weniger rollenden Wellen auf dem Kanal. Wie immer musste ich auf eine ausreichend starke Böe warten, um loszulegen. Von da an lief alles perfekt, es war nicht superwindig, aber ich hatte eine konstante Böe, die mich den ganzen Kurs entlangtrug, ohne langsamer zu werden. Ich war superaufgeregt, als ich als 500-Meter-Durchschnitt 48 Knoten und als 2‑Sekunden-­Spitzenspeed über 50 Knoten auf dem GPS sah. Ich konnte es kaum erwarten, wieder zurück zum Start zu kommen, um es Simon zu zeigen, da ich wusste, dass er genauso glücklich sein würde wie ich. Es war eine wirklich einzigartige Erfahrung. Allein die Fahrt nach Lüderitz zum Kanal und nach Diaz Point hätte sich schon gelohnt, aber die fantastischen Bedingungen auf dem Kanal waren unwirklich, und ich hoffe wirklich, dass ich in diesem Herbst wieder dort sein kann.

Text: Jenna Gibson


Meistgelesen in der Rubrik Windsurfen