Moulay Bouzerktoun ist mehr als nur ein Ort auf der Landkarte – es ist ein Ort, an dem Wind, Wellen und Unberechenbarkeit aufeinandertreffen. Nur 25 Kilometer nördlich von Essaouira gelegen, hat sich das kleine Fischerdorf längst einen Namen in der internationalen Windsurfszene gemacht. Hier bläst der Passatwind oft mit voller Wucht über den Atlantik und formt saubere, lang gezogene Wellen, die sich perfekt für Wave-Riding und Sprungmanöver eignen. Der Spot bietet Side-onshore- bis Side-offshore-Bedingungen, was ihn anspruchsvoll, aber unglaublich lohnend und vielseitig macht. Häufig trifft der Wind am Vormittag erst leicht mit Side-onshore-Bedingungen ein und verstärkt sich über den Tag, bis er am Abend auf side-offshore dreht und langsam schwächer wird.
Wer hier surft, ist da wegen der Bedingungen, nicht wegen des Komforts.”
Das Set-up ist rau – keine Palmen, kein Luxus, nur Felsen, Wasser, Wind, kaum WLAN und Esel als Fortbewegungsmittel. Und genau das macht Moulay so besonders: Wer hier surft, ist da wegen der Bedingungen, nicht wegen des Komforts. Die Locals leben im Rhythmus des Windes. Fischer, Camper, Windsurfer – und mittendrin die Kids von Moulay, die den Spot zu ihrem persönlichen Trainingsort gemacht haben. Jeder Tag ein neuer Versuch, eine neue Welle, ein neuer Trick. Moulay ist kein Ort für Anfänger. Aber für alle, die echtes Windsurfen suchen, ist es einer der magischsten Orte der Welt.
Die meisten sind Kinder und Jugendliche aus dem Dorf selbst – oder Verwandte, die aus Essaouira zu Besuch kommen. Im Winter ist Moulay fast leer, viele Familien leben dann in der Stadt. Aber im Sommer? Da wird Moulay lebendig: Kinder lachen, Segel flattern, und die Bucht ist erfüllt von jugendlichem Entdeckergeist. Die Kids aus Essaouira sieht man eher selten – sie sind oft zu jung, um selbst herzufahren. Ergibt sich für diese aber die Möglichkeit, nach Moulay zu kommen, so funkeln ihre Augen. Die einheimischen Kinder sind jeden Tag da. Und sie gehören zum Bild von Moulay einfach dazu.
Sobald sie irgendwie an ein Brett kommen! Manche sind erst fünf oder sechs Jahre alt und noch nicht einmal gute Schwimmer. Ihr Tag? Morgens verkaufen sie Brot oder Mützen an Camper, gehen anschließend, wenn sie das Glück haben, in die Schule, spielen dann am Strand oder gehen ins Wasser. Wenn sie Material haben, wird gesurft. Nachmittags geht’s wieder aufs Wasser.
In Marokko gilt Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr – auch für die Kinder von Moulay. Doch wie so oft auf dem Land sieht die Realität anders aus als auf dem Papier. Die Schule liegt meist mehrere Kilometer entfernt, der Schulweg ist lang, der Transport und die Infrastruktur fehlen – und wenn der Wind ruft, ist das Klassenzimmer schnell vergessen. Viele der Kinder gehen zumindest in der Grundschule regelmäßig zum Unterricht, doch je älter sie werden, desto häufiger tritt das Windsurfen an die Stelle der Schulbank. Nicht aus Faulheit – sondern aus Leidenschaft, um Lebenserfahrung zu sammeln und manchmal auch aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Einige helfen vormittags ihren Familien, verkaufen Lebensmittel an Camper und nutzen die Nachmittage, um auf dem Wasser zu trainieren. Bildung findet hier oft außerhalb des Klassenzimmers statt– beim Reparieren eines Segels, beim gemeinsamen Aufriggen oder wenn den Jüngeren ein Manöver erklärt wird. Und dennoch: Der Wunsch zu lernen ist da. Athleten wie Julien Flechet fördern diesen Weg aktiv – mit Material, mit Zeit und mit dem Glauben daran, dass Sport und Bildung zusammen mehr bewirken können als getrennt.
Mit allem, was irgendwie funktioniert. Kaputte Boards, zerfledderte Segel, selbst gebaute Masten – oft aus alten Bruchstücken oder sogar aus Holz. Richtiges Kinder- oder Jugendmaterial haben sie nicht. Doch jedes Teil zählt. Jeden Sommer bringen die Weltcup-Fahrer Julien und Titouan Flechet gemeinsam mit ihrem Sponsor Hotsails gebrauchtes Material für die Kids mit: kleine Boards, Masten, Gabelbäume, Segel. „Sie kommen morgens, riggen auf, surfen den ganzen Tag, riggen ab und bringen das Zeug wieder zurück“, erzählt Julien. „Und dabei lernen sie nicht nur Windsurfen, sondern auch Verantwortung.“ Häufig lassen auch Windsurftouristen ihr kaputtes Material in Moulay. Ein zerrissenes Fenster ist für die Kids kein Problem. Das Segel wird so zurechtgeschnitten, dass es eine passende Größe hat und dann wieder voll einsatzbereit ist. Nicht selten sieht man hier auch ältere Segelmodelle von Profis, wie zum Beispiel von Florian Jung, der in der Vergangenheit viel Zeit in Moulay verbracht hat.
Windsurfen ist für einige der Moulay-Kids eine echte Zukunftsperspektive.”
Für viele von ihnen ist Windsurfen mehr als Spaß – es könnte eine echte Zukunftsperspektive sein. Einige haben sogar schon begonnen, in Dakhla ihren Instructor-Schein zu machen. Dort arbeiten sie dann als Windsurf- oder Kitesurflehrer und machen ihre Leidenschaft zum Beruf. Und natürlich motiviert sie auch der Tourismus: Sie wollen zeigen, was sie können, sich beweisen – vielleicht sogar entdeckt werden. Und sie alle haben ein Vorbild im Kopf: Boujmaa Guilloul, der Local Hero aus Moulay, der es bis an die Weltspitze geschafft hat. Aber auch die alljährliche Moulay Wave Classic (Ende April/Anfang Mai) ist für die Local Kids ein Highlight. Sie kennen ihren Spot wie kaum ein anderer und bereiten sich ein Jahr darauf vor, der Welt zu zeigen, was für ein Talent sie haben. Am wichtigsten ist den Kids aber: zusammen im Wasser Spaß zu haben – und das, wenn möglich, jeden Tag.
Die Kids starten mit nichts. Kein eigenes Material, keine Neos, keine Segel. Aber sie basteln, improvisieren – und geben nicht auf. „Wer im Sommer in Moulay ist, kennt das Bild: zehn Kids mit halb kaputten Segeln, die Jumps üben, Wasserstarts lernen, jiben und eine pure Leidenschaft vermitteln. Teilweise feilen 6-jährige Kinder schon an Loops, springen Goiter und teilen sich den Spot mit Freunden und Windsurftouristen“, so Julien Flechet. Man fragt sich unweigerlich: Was könnten diese Kids erreichen, wenn sie richtiges Equipment hätten? Was bleibt, ist definitiv Hoffnung. Ein Ort wie Moulay Bouzerktoun zeigt, dass große Leidenschaft nicht aus Luxus entsteht, sondern aus innerem Feuer. Und diese Kids tragen es in sich – Tag für Tag, Welle für Welle. Wer sie einmal gesehen hat, vergisst sie nicht.
Teilweise feilen 6-jährige Kinder schon an Loops oder springen Goiter.”
Viele der Kinder in Moulay surfen mit zusammengeflicktem oder völlig unpassendem Equipment: kaputte Boards, zerschnittene Segel, Gabelbäume ohne Grip. Einige benutzen selbst gebaute Masten aus Holz – und viele haben nicht einmal ein Trapez, was das Surfen bei dem starken Wind extrem anstrengend macht. Wenn du gebrauchtes Windsurfmaterial hast, das nicht mehr genutzt wird – ganz gleich ob Segel, Masten, Boards, Gabelbäume, Trapeze oder Neoprenanzüge – dann kannst du damit etwas wirklich Sinnvolles tun. Profi-Surfer Julien Flechet, regelmäßiger Gast in Moulay, sammelt jedes Jahr zusammen mit seinem Bruder Titouan in Europa Material und bringt es direkt zu den Kids. Dort wird es intensiv genutzt und wertgeschätzt – nicht als Luxus, sondern als echte Möglichkeit. Melde dich einfach per E-Mail, wenn du helfen willst: flechetjulien@gmail.com