Monofilm, X-Ply, Fasern und Co.“Leichte Segel müssen nicht fragil sein” - Dimension Polyant über moderne Segel-Materialien

Manuel Vogel

 · 05.03.2025

Rund 90 Prozent aller Foilen und Tücher für Windsurfsegel stammen von Dimension Polyant
Foto: Dimension Polyant
Fast alle Materialien für Windsurfsegel werden von Dimension Polyant in den USA gefertigt. Zack Clayton erklärt, welche Materialien sinnvoll sind und warum “leicht” trotzdem stabil sein kann.

Der Hersteller Dimension Polyant mit zwei Produktionsstandorten in Deutschland und den USA hat sich auf Folien und Laminate spezialisiert, wie sie im Segel- und Windsurfsport zum Einsatz kommen. Welche der knapp 200 verschiedenen Foilen im Windsurfen Verwendung finden und wie Marken den Trend zu immer leichteren Segeln ohne Einschränkungen bei der Haltbarkeit hinbekommen können, verrät Zack Clayton, der bei Dimension Polyant mitverantwortlich für die Materialentwicklung für den Bereich Windsurfen und den Verkauf ist.

Zack, für wen in der Windsurfbranche produziert ihr und darüber hinaus?

Wir produzieren die Laminate und Filmmaterialien für rund 90 Prozent aller weltweit gebauten Windsurfsegel und das schon seit Jahrzehnten. Das fängt an bei normalen Monofilmen wie sie in Racesegeln verbaut werden und reicht bis zu aufwändigen Laminaten, mit Carbon- oder Dyneema-Fasern, wie sie in manchen Wavesegeln zu sehen sind. Die Fertigung dieser Materialien findet hier in den USA statt und macht etwa ein Drittel unserer Produktion aus. Darüber hinaus stellen wir noch Materialien für den Segelsport her. Auch hier stammen die Laminate aus den USA, die gewobenen Tuchmaterialien kommen aus der Produktion in Deutschland.

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Ihr habt knapp 225 verschiedene Folien-Materialien für Windsurfsegel im Programm. Wer entwickelt diese - ihr selbst oder kommen die Segeldesigner mit bestimmten Materialwünschen zu euch?

Es ist eine Mischung aus beidem. Teilweise kommen Designer auf uns zu und sagen: “Wir haben dieses oder jenes Material in Benutzung, aber wir möchten etwas leichteres oder mit anderen Eigenschaften”. Dann werden wir aktiv und schauen, welche Materialien Sinn machen könnten. Im Windsurfsport sind auch die Optik und Farbwahl eine wichtige Sache, das sind natürlich spezielle Wünsche, die von den Marken an uns herangetragen werden. Umgekehrt können wir mit unserer Expertise auch immer wieder neue Materialien aus dem Segelsport ins Windsurfen einfließen lassen. Laminate mit integrierten Carbonfasern zum Beispiel gibt’s im Segelsport bereits seit knapp 30 Jahren, bei Windsurfsegeln kommen diese erst seit 2022 so richtig zum Einsatz.

Allein für Windsurfsegel können die Segeldesigner bei Dimension Polyant aus über 220 verschiedenen Materialien wählenFoto: Dimension PolyantAllein für Windsurfsegel können die Segeldesigner bei Dimension Polyant aus über 220 verschiedenen Materialien wählen

Warum ist das so? Wieso werden manche Materialien erst jetzt beim Windsurfen eingesetzt?

Das hat teilweise Kostengründe, liegt vor allem aber auch daran, dass ein Windsurfsegel mit fünf oder sechs Quadratmetern nicht ansatzweise so hohe Kräfte aushalten muss, wie das Segel einer 20-Meter-Rennyacht. Für ein Racesegel, mit dem man in Lüderitz den Speedrekord knacken kann, ist normaler, klarer Monofilm immer noch top. Er ist günstig, sehr effizient und erfüllt seinen Zweck. Bei einer Rennyacht würde das sofort kaputt gehen. Früher waren Windsurfsegel meist aus den Materialien nach dem Schema “gut & günstig” gebaut, aber seit einigen Jahren beobachten wir schon, dass auch im Windsurfbereich der Wunsch nach besonderen Materialien Einzug gehalten hat.

225 Materialien, das klingt wahnsinnig viel. Wie muss man sich das vorstellen - lagern die alle bei euch in der Fabrik?

Abgesehen von ein paar wenigen fertigen wir die Materialien direkt für den Kunden. Filmstärke, Farbe, Art der integrierten Fasern - all das wird vom Kunden definiert und wir produzieren das erst dann in der gewünschten Menge. Es ist also ein Custom-Produkt. Die Mindestmenge liegt bei etwa 1500 Quadratmetern, das schafft die Maschine in knapp drei Stunden. Aber jedes Mal, wenn wir etwas am Material verändern wollen, und sei es nur die Farbe, steht die Maschine zweieinhalb bis drei Stunden still. Das sind natürlich Kosten, die mit eingerechnet werden müssen.

Moderne Segelmaterialien sind weit mehr als normaler MonofilmFoto: SeverneModerne Segelmaterialien sind weit mehr als normaler Monofilm

Wie sieht die Produktion von Materialien für Windsurfsegel eigentlich aus?

Normaler klarer Monofilm ist natürlich sehr simpel, meist handelt es sich in Windsurfsegeln aber um zwei dünne Foilen, die verklebt werden. Darin können dann auch bestimmte Fasern aus Polyester, Aramid, Carbon oder Dyneema eingeklebt werden. Der verwendete Kleber beruht auf einer chemischen Reaktion, es ist also egal wie warm oder kalt es beim Surfen ist, die Verklebung wird immer gleich gut halten. Um den Kleber auf die Folien aufzutragen, müssen Lösungsmittel eingesetzt werden. Damit diese nicht in die Umwelt gelangen, müssen diese in den USA und der EU technisch aufwändig oxidiert werden.

Das Segelmaterial entsteht grob wie folgt: Die erste Lage des dünnen Films wird maschinell mit flüssigem Kleber benetzt. Diese läuft dann durch einen etwa 25 Meter langen Ofen, hier werden die umweltschädlichen Lösungsmittel eliminiert. Danach läuft die Folie durch die X-Ply-Maschine, in der die gewünschten Fasern im vorher definierten Muster aufgelegt werden. Natürlich können wir die Ausrichtung und Winkel der Fasern genau steuern. Nun kommt die zweite Lage Film samt Kleber obenauf, bei einer Temperatur von 120 Grad werden die Lagen mittels Stahlrollen verpresst. Abschließend wird das Material abgekühlt, die Ränder werden beschnitten und es muss drei bis fünf Tage lagern. Es ist keine Mondrakete, aber auch nichts, was man mal eben so nachmachen kann. Zuletzt folgt noch die Qualitätskontrolle bevor wir die Folie in handliche Rollen á 100 Meter schneiden, die dann zu den Segelmarken ausgeliefert werden.

In den letzten Jahren wurden die Segel vieler Marken immer leichter. Kritiker sagen, leichter geht nur durch Weglassen, also eine schlechtere Haltbarkeit.

Wenn es leichter werden soll, muss man einen Weg finden, um die Dehnung im Griff zu behalten. Sonst hast du das Problem, dass ein Segel auf der Waage zwar leicht ist, sich aber dehnt und dadurch sackig und schwer wirkt. Normaler Monofilm in sieben Mil Stärke (ein Mil entspricht 0,0254 Millimeter, die Red.), wie er in Racesegeln zum Einsatz kommt, ist bezüglich Stretch richtig gut, aber eben schwer. Je dünner der Film wird, desto dehnbarer wird er auch, es sei denn, man klebt zugfähige Fasern ein, welche die Lasten aufnehmen können. Hightech-Fasern wie Carbon, Aramid oder Technora sind hierfür perfekt. Unser leichtestes Material für den Windsurf-Einsatz wiegt aktuell etwa 85 Gramm pro Quadratmeter. Es ist stabil, aber es dehnt sich anders - das sind Dinge, die man als Designer immer vor dem Hintergrund des Einsatzbereichs und der Segelprofile abwägen muss. Und natürlich muss man auch so ehrlich sein und festhalten: Die verwendete Folie ist nur ein Teil des Puzzles. Die Verstärkungen und Segellatten tragen prozentual nochmal mehr zum Gesamtgewicht bei. In Summe geht es für die Segeldesigner also darum, an allen Stellschrauben zu drehen, um am Ende ein leichteres Segel zu haben, was trotzdem vergleichbar stabil oder sogar stärker ist.

Art und Ausrichtung der Fasern können maschinell gesteuert werden
Foto: Dimension Polyant

Werden neue Materialien getestet, bevor sie in Segeln Verwendung finden?

Wir machen hier bei uns standardisierte Industrie-Tests, wie sie in unserer Branche üblich sind. Zusätzlich gibt es windsurf-spezifische Tests. Dafür werden die Materialien zum Beispiel sehr eng gerollt in beide Richtungen oder acht Stunden in einer Art Waschmaschine durchgeschleudert um diese dann hinterher zu begutachten. Das sind keine hochwissenschaftlichen Tests sondern einfach an der Praxis orientiert. Außerdem haben wir ein Testgerät, mit dem wir die UV-Stabilität testen können.

UV-Strahlung ist eine der Hauptursachen für Schäden an Segeln, weil der Film dadurch spröde wird. Ist ein leichtes Segel mit dünner dimensioniertem Film unter diesem Aspekt nicht zwangsläufig schlechter als Segel mit dickem Film?

Dicker Film ist stärker, wenn es um Punktbelastung geht, wenn du das Segel also auf einen spitzen Stein oder Zaun haust. Dünnerer Film ist aber flexibler und bekommt weniger schnell Knicke, zum Beispiel beim Rollen und Riggen. Am schlechtesten unter dem Aspekt der UV-Stabilität ist klarer Monofilm- wenn der mal von der Sonne zu stark geschädigt wurde, reißt er bei einem Sturz einfach durch. Was die UV-Stabilität stark verbessert ist der Kleber. Statt also eine einzige Folie mit beispielsweise vier Mil Stärke zu benutzen, sind zwei verklebte 2-Mil-Folien schon deutlich besser, denn der verbindende Kleber enthält UV-Blocker. Auch farbiger Film ist UV-stabiler, weil Teile des UV-Lichts reflektiert werden. Das Vorurteil, “das dünnes Material weniger stabil ist” ist also nur zutreffend, wenn es um Punktbelastung geht. Unter anderen Aspekten - Flexibilität, UV-Stabilität, Gewicht und so weiter - kann solches Material sogar viele Vorteile haben. Verklebte Folien bieten den Marken aber auch noch weitere Optionen: So kann es Sinn machen, Aufdrucke oder Logos auf der Innenseite zu platzieren statt das fertige Segel nachträglich von außen zu bedrucken. Damit ist das Design geschützt und der Print hält für immer.

In Wavesegeln kommen unterschiedliche Gittermaterialien zum EinsatzFoto: Fishbowl diariesIn Wavesegeln kommen unterschiedliche Gittermaterialien zum Einsatz

Im Boardbau werden mittlerweile schon gewisse Anstrengungen unternommen, schädliche Harze zu ersetzen, um Produkte nachhaltiger zu machen. Sind solche Aspekte auch in der Segelproduktion auf der Agenda?

Könnte man ein Segel recyceln wenn es nur aus klarem Monofilm bestünde? Ja, teilweise schon. Bei Verbundmaterialien ist es immer etwas schwer. Bei all den unterschiedlichen Materialien und Farben ist es kaum möglich, diesen Verbund hinterher wieder aufzuspalten, ohne Qualität und Preis negativ zu beeinflussen. Und beim Recycling macht es immer nur dann Sinn, wenn die Qualität stimmt. Ein Produkt das lange hält, ist besser für die Umwelt als eines aus recycelten Stoffen, was aber sofort kaputt geht.

Zack, danke für das Gespräch!


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