Es gibt viele Dinge, die Pauline Katz hätte werden können: Snowboard-Profi oder erfolgreiche Verkehrsplanerin zum Beispiel. Trotzdem brach sie mit Ende 20 ihre Zelte in der Schweiz ab, legte ihrem Chef die Kündigung auf den Tisch und zog los, um ihren Windsurf-Traum zu leben. 2023 schaffte sie es beim IWT in Peru erstmals aufs Podium eines internationalen Events. Gründe genug also, sie zum Interview zu bitten.
Ich stamme vom Genfer See, aber niemand aus meiner Familie hat einen Windsurf-Hintergrund. Mein Bruder war Fußball-Profi in der Schweiz, meine Schwester Basketballerin, ich war immer viel Snowboarden und Skaten. Zwar hatte ich das Windsurfen mal auf dem See gelernt, allerdings bei kompletter Flaute. So zweimal im Jahr sind wir nach Frankreich gefahren, da konnte man mit Glück mal auf einem See etwas gleiten mit großem Segel. Insofern war es vielleicht verständlich, dass es bei mir etwas gedauert hat (lacht). Was ich immer schon faszinierend fand, war das Windsurfen in der Welle. Deshalb bin ich mit 17 als Austauschschülerin nach Sylt. Ich dachte, dort könnte ich endlich das Windsurfen in der Brandung lernen...
(Lacht) Ehrlich gesagt, es war ziemlich ernüchternd. Ich hab’ damals einfach mit meinem Kumpel vor den Windguru-Statistiken gesessen und verglichen. Dann kam mir der Gedanke mit Sylt. Bingo! Schließlich gibt’s einen World Cup dort, also musste es ja gut sein. Dort angekommen, durfte ich erstmal feststellen, dass ich von Wellen offensichtlich keine Ahnung hatte. Ich hatte keinen Führerschein und war nur mit dem Fahrrad und dem Anhänger unterwegs, war also an den Brandenburger Strand gefesselt. Ich kam im August dort an und trug die ersten Wochen nur Mütze und Winterjacke (lacht). Meistens war es onshore, dann wurde ich im Shorebreak ziemlich verprügelt, das Jahr dort war echt demotivierend. Danach hab ich tatsächlich fast zehn Jahre nur sporadisch gewindsurft, habe neben dem Studium als Surflehrerin gearbeitet und schließlich als Verkehrsplanerin meinen Master an der Uni gemacht. Erst mit 26 Jahren bin ich wieder voll ins Windsurfen eingestiegen. Ich flog nach Australien, dort bin ich auch meine erste richtige Welle gesurft. Das war ein Wow-Effekt. Danach wollte ich nichts anderes mehr. Ich habe dann noch drei Jahre lang als Verkehrsplanerin in der Schweiz gearbeitet, aber eigentlich wollte ich nur noch surfen.
Jedes Jahr hab ich mir zwei Monate unbezahlten Urlaub genommen und bin nach Kapstadt gereist. Irgendwann war ich plötzlich 30 und habe gemerkt: “Wenn ich nochmal meinen Traum leben will, dann muss ich es jetzt tun.” Also habe ich meinen Job gekündigt und Kassensturz gemacht: Ich hatte Geld für sechs Monate, also habe ich den Van gepackt und wollte nach Marokko, später nach Australien fliegen - aber dann kam die Pandemie und ich kam nicht weiter und bin schlussendlich auf Gran Canaria heimisch geworden. Zuerst habe ich dort für ein Jahr einen Job in einer Segelreparatur angenommen, mittlerweile bin ich selbständig und schreibe für verschiedene Magazine im Bereich Segel- und Wassersport in der Schweiz. Unter anderem bin ich stellvertretende Chefredakteurin vo Boards, einem Schweizer Boardsport-Magazin. Ich arbeite auch ein bisschen als Lehrerin an der französischen Schule hier auf den Kanaren - bin also im Bezug auf meine Arbeit recht vielseitig.
Ein Leben als Profisportlerin hat mich schon immer fasziniert. Eigentlich dachte ich, dass ich mal Snowboard-Pro werde aber ich habe mich nie richtig getraut. Nochmal wollte ich meine Chance nicht verpassen. Der Gedanke, Windsurf-Profi zu werden, war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht in meinem Kopf. Aber ich hatte noch das Ziel, den Frontloop zu lernen. Nach einem Sommer hatte ich den Frontloop im Kasten, nach dem zweiten Sommer den Backloop. Dann haben einige Leute gesagt, ich solle doch mal einen Wettkampf mitfahren. Weil ich mit sowas überhaupt keine Erfahrung hatte, war der Erfolg zunächst überschaubar, aber mittlerweile weiß ich, worauf es im Wettkampf ankommt, wie man einen Heat angeht und so weiter. Ich habe gemerkt, dass Wettkämpfe für mich vor allem deshalb Sinn machen, weil ich dadurch schneller lerne.
Genau (lacht). Ich glaube nicht, dass ich angefangen hätte, den Pushloop zu üben, wenn ich nicht das Ziel gehabt hätte, ihn in diesem Sommer beim World Cup in Pozo zu zeigen.
Viele Leute denken, ich sei mutig und eine Draufgängerin. Aber das ist überhaupt nicht so, ich hab riesigen Respekt vor der Höhe und den Stürzen. Ich schaue mir neue Sachen immer erst in Videos an, um ein Gefühl für die Bewegung zu bekommen. Auch habe ich beim Thema Pushloop ein paar Mentalübungen mit einem Coach gemacht. Dann hat Josep Pons (Worldcupper und Trainer auf Gran Canaria, die Red.) mir ein paar Tipps gegeben. Zum Beispiel, dass man schneller dreht, wenn man mehr auf Amwindkurs abspringt. Dann muss man nicht so hoch sein. Das hat mir sehr geholfen für den Anfang und jetzt geht’s dann Stück für stück immer ein bisschen höher rauf.
Ich snowboarde seit ich klein bin und stehe viel auf dem Skateboard. Vor allem das Fahren in der Bowl hilft mir fürs Windsurfen in der Welle. Und abgesehen davon surfe ich hier andauernd mit einigen der Besten der Welt. Daida (Moreno, die Red.) hat mir viel geholfen, vor allem in diesem Herbst, als ich verletzt war - sie ist ja Physiotherapeutin.
Seit es die Zusammenlegung von IWT und PWA und damit eine gemeinsame World Cup Tour gab, war mir klar, dass ich mehr bei Wind von rechts trainieren musste. Ich surfte den IWT Event in Peru und war als Zweite das erste Mal auf dem Podium, danach bin ich voll motiviert direkt zum Trainieren nach Maui geflogen. Ich wollte zwei Monte lang vor den Aloha Classic dort surfen und mich vorbereiten. Leider hab ich mir schon nach zehn Tagen das Innenband im Knie gerissen. Danach musste ich einige Monate pausieren und habe viel Zeit mit Reha und Krafttraining verbracht.
Klar, ich hätte vermutlich ein höheres Level, wenn ich früher diesen Weg eingeschlagen hätte. Aber wie gesagt, meine Familie hat keinen Windsurf-Hintergrund, von daher hätten meine Eltern mir nicht ohne Weiteres so ein Leben finanziert. Sie haben mir nie Druck gemacht, aber ich wollte es auch selbst schaffen und beweisen, dass ich ein anspruchsvolles Studium absolvieren und auf eigenen Beinen stehen kann. Von daher ist vielleicht mein Surflevel nicht so hoch wie es sein könnte, dafür kann ich die Sache mit mehr Reife und Gelassenheit angehen, das hilft mir schon sehr. Als ich damals in der Schweiz zu meinem Chef bin und gekündigt habe, habe ich ihm erzählt, dass ich die drei großen Sprünge - Frontloop, Backloop und Pushloop - lernen möchte. Das habe ich geschafft, insofern ist alles gut so wie es ist. Das Profileben ist für mich eher ein Projekt, kein Traum.
Wer die komplette World Tour fahren will, muss wissen. Es wird dich 20.000 bis 30.000 Euro kosten!
Ich habe einen festen Job, kann meine Journalismus-Tätigkeit aber gut mit dem Reisen vereinbaren. Dadurch, dass ich schon einige Jahre lang in der Schweiz gearbeitet hatte, habe ich ein paar Kontakte zu Unternehmen, die mich bei meinem jetzigen Lifestyle als Sponsoren unterstützen. Und auch mit meinem Sponsor Severne bin ich als Teil des internationalen Teams sehr happy. Wer aber die komplette World Tour fahren will, muss wissen: Es wird dich zwischen 20.000 und 30.000 Euro kosten.
Wir sind Konkurrentinnen am Tag des Wettkamps, davor und danach aber müssen wir uns gegenseitig unterstützen
Es gibt schon viele Frauen auf der Tour, die ich sehr schätze. Super gerne surfe ich zum Beispiel mit Lina Erpenstein. Die ist smart und nett und eine unglaubliche Windsurferin. Natürlich versuchen wir auch, uns zu helfen, anders geht das gar nicht. So habe ich zum Beispiel auf Social Media “Girls on Tour” gestartet, hier geht darum, eine gewisse Sichtbarkeit für die Frauen auf der Tour zu schaffen. Lina war auch hier von Anfang engagiert. Wir sind Konkurrentinnen am Tag des Wettkamps, davor und danach aber müssen wir uns gegenseitig unterstützen.
Gute Frage (lacht)! Seit meiner Knieverletzung auf Maui, bin ich sehr wenig gesurft, dafür habe ich ganz viel Krafttraining gemacht. Ich freue mich deswegen riesig auf die Zeit Wasserzeit in diesem Jahr. dieses Jahr! So wie der Eventkalender in diesem Jahr aussieht, möchte ich sicher die World Cups in Pozo und Sylt mitmachen. Die Veranstaltungen auf Teneriffa, in Chile und auf Maui sind auch auf meiner Wunschliste, es ist mein Ziel auch hier dabei zu sein.