PWA insideSo werden Segel, Boards und Co. im World Cup kontrolliert

Andreas Erbe

 · 10.12.2023

Selten war eine Slalom-Saison im Worldcup so spannend wie 2023 – sie hatte kein Ende am grünen Tisch verdient.
Foto: Carter/pwaworldtour.com
Das Finale einer an sich grandiosen PWA-Slalom-Saison wurde von der Disqualifikation des jungen Dänen Johan Søe überschattet. Der fühlte sich schon als neuer Weltmeister, bis bei einer Kontrolle herauskam, dass eines seiner Segel unzulässig modifiziert wurde. Wir haben bei der PWA, Segel-Entwicklern und bei Fahrern nachgefragt, welche Regeln und Vorgaben es gibt und wie sie kontrolliert werden.

Regeln sind Regeln – so die überwiegende Meinung im Fahrerlager der PWA nach der tragischen Disqualifikation von Johan Søe beim Saisonfinale in Japan, die den jungen Dänen den Weltmeister-Titel im Slalom kostete. Seine Segel wichen allzu deutlich von der Serienspezifikation ab und waren nachträglich modifiziert – laut PWA-Regeln ein absolutes No-Go.

Selbstverständlich gab es nach so einer spektakulären Disqualifikation sehr viele Gerüchte und Spekulationen. Deshalb haben wir bei Rich Page, dem Tour-Manager der PWA, nachgefragt, welche Regeln die Teilnehmer und Hersteller im Worldcup berücksichtigen müssen.

Im Slalom darf nur Serienmaterial gefahren werden, gibt es in Freestyle und Wave auch Materialbeschränkungen oder sind dort Custom Mades erlaubt?

Rich Page: Freestyle wird auch mit Produktionsmaterial gefahren, aber mit einer fortlaufenden Registrierung, da es bei den Regeln mehr um Kostenreduzierung als um Leistungsvorteile geht, die es beim Freestyle im Vergleich zum Slalom nicht in gleicher Weise gibt. In der Disziplin Wave kann Custom-Equipment verwenden werden, aber die meisten Worldcupper fahren immer noch mit Serienmaterial.

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Ist es generell nur erlaubt, Material von Marken zu verwenden, die Mitglieder der PWA sind?

Ja, die Hersteller müssen in allen Disziplinen Mitglied sein. Das gilt auch für reine Wave-Marken.

Bis wann müssen die Marken ihre Ausrüstung für Slalom und Foil registrieren lassen?

Das Slalommaterial wird am Ende des Jahres vor der Saison, in der sie verwendet werden soll, registriert. Der Stichtag für Segel ist in der Regel der 31. Oktober und für Boards und Foils ist es der 15. Dezember. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Vorlaufzeiten für die Produktion von Brettern länger sind als die von Segeln.

PWA Tour Direktor Rich Page hat uns erläutert, wie die MAterial-Bestimmungen kontrolliert werden.Foto: Carter/pwaworldtour.comPWA Tour Direktor Rich Page hat uns erläutert, wie die MAterial-Bestimmungen kontrolliert werden.

Gibt es eine maximale Anzahl von Modellen und Größen pro Marke, die sie anmelden dürfen?

Nein, jede Marke kann so viele Modelle und Größen anmelden, wie sie möchten, so lange sie innerhalb der physikalischen Grenzen der Regeln liegen.

Ein entscheidender Punkt bei der Verwendung von Serienmaterial ist die Reduzierung von Kosten für die Fahrer und Hersteller. Wie viele Segel, Bretter und Foils darf jeder Teilnehmer anmelden?

Im Jahr 2023 durften die Teilnehmer sechs Segel und drei Bretter sowie einen Satz Foilkomponenten, bestehend aus einem Mast, zwei Fuselages, zwei vorderen und zwei hinteren Flügeln, anmelden.

Wann muss jeder Teilnehmer sein Material registriert haben und ist es in irgendeiner Weise gekennzeichnet?

Das Material wird bei der ersten Veranstaltung der Saison, an der ein Teilnehmer teilnimmt, registriert. Wenn möglich, wird das Material gekennzeichnet und gestempelt.

Darf Material während der Saison ausgetauscht werden, zum Beispiel der Austausch eines gebrauchten Segels gegen ein neues Segel in derselben Größe und mit denselben Spezifikationen, oder darf nur kaputtes Material ersetzt werden?

Der Austausch von gleichem Material ist zwischen den Veranstaltungen erlaubt. Während einer Veranstaltung kann Equipment nur mit Genehmigung der Jury ausgetauscht werden.

Welche Änderungen dürfen vom Teilnehmer an der registrierten Ausrüstung vorgenommen werden? Dürfen Bretter oder Foils abgeschliffen oder gespachtelt werden? Dürfen Lattentaschen oder Segelnähte innerhalb der Toleranzen verschoben werden?

Ein Board, Foil oder Segel kann angepasst werden, wenn es außerhalb der Spezifikation liegt. Das kann bei der Serienproduktion passieren. Aber es muss danach immer die vom Hersteller registrierte Spezifikation innerhalb der Toleranz erfüllen, sonst wird es als illegal betrachtet.

Wie ausführlich sind die Spezifikationen, die die PWA für die Produkte erhält?

So detailliert wie die Fertigungsentwürfe und -verfahren, die uns die Hersteller vorlegen müssen.

Wie oft wird während der Saison kontrolliert, ob ein Fahrer tatsächlich das Material verwendet, das er angemeldet hat?

Die Kontrollen sind stichprobenartig und können jederzeit erfolgen. Die Ausrüstung kann nach einer Regatta durch einfache Begutachtung überprüft werden, um festzustellen, ob es sich um denselben Artikel handelt, der registriert wurde, oder es können bei einer Veranstaltung detailliertere Messungen bei den Topfahrern vorgenommen werden.

Inwieweit können Toleranzen in der Serienproduktion bei den Messungen berücksichtigt werden?

Es gibt festgelegte Toleranzen, die für verschiedene Artikel und Spezifikationen variieren. Diese werden mit der Industrie vereinbart und beinhalten die Rückmeldungen von den großen Fabriken.

Wie funktionieren die Kontrollen? Wird zufällig ausgesucht, wer und was kontrolliert wird, oder gibt es auch Hinweise von Wettbewerbern auf nicht zugelassenes Material?

Wenn die Jury von einem möglichen Verstoß erfährt – sei es, dass sie selbst etwas sehen, andere Mitarbeiter etwas beobachten oder ein Wettbewerber sie informiert – kann sie beschließen, den betreffenden Gegenstand zu kontrollieren. Alternativ werden Stichprobenkontrollen wie zuvor beschrieben durchgeführt.

Regeln sind nur so gut, wie sie kontrolliert werden können. Seid ihr überhaupt in der Lage, die große Anzahl von Produkten regelmäßig und genau genug zu kontrollieren, sodass die Fahrer auch Angst haben müssen, erwischt zu werden, wenn sie betrügen?

Wir können nicht jeden Artikel kontrollieren, das würde die Kosten für die Veranstaltungen in die Höhe treiben und dem Sport insgesamt schaden, da dadurch dann weniger Veranstaltungen möglich wären. Die Teilnehmer haben die Verantwortung, sicherzustellen, dass ihre Ausrüstung korrekt ist. Jeder, der Material benutzt oder benutzt hat, das nicht den Vorschriften entspricht, muss mit empfindlichen Strafen rechnen, die abschreckend wirken sollen.

Es gibt Forderungen, das Material auch im Slalom und Foil nicht zu regulieren. Wäre das nicht eine große Erleichterung? Es würde aber auf jeden Fall teurer werden.

Es wäre viel einfacher für uns, aber es würde den Sport finanziell lähmen und bedeuten, dass der reichste Surfer gewinnt. Früher hatten einige Top-Fahrer über 20 maßgefertigte Slalomboards und dazu passende Segel, das ist heute nicht mehr tragbar. Wenn wir wieder zu Custom-Made-Material zurückkehren würden, gäbe es wahrscheinlich nur ein oder zwei Fahrer pro Team mit einem maßgeschneiderten Budget und vielleicht aus Kostengründen keine anderen Teilnehmer mehr. Und wahrscheinlich wäre es für alle anderen extrem schwer bis unmöglich, mit den voll gesponserten Fahrern mitzuhalten. So würden wir mit einer unglaublich elitären Tour enden, an der nur die allerwenigsten teilnehmen könnten. Die Möglichkeiten für talentierte, junge Fahrer wie Will McMillan oder Johan Søe wären unglaublich begrenzt


Diese Daten liefern die Hersteller

Welche Daten liefern die Hersteller der PWA für die alljährliche Registrierung des Serienmaterials? Robert Stroj, Segeldesigner bei NeilPryde und Industrievertreter in der PWA hat uns die Daten des 2022er Slalomsegels von NeilPryde zur Verfügung gestellt und erklärt die Tabellen und Zeichnungen.

Auszug aus dem Datenblatt eines Slalom-Segels (volle Ansicht oben in der Galerie).Foto: NeilPrydeAuszug aus dem Datenblatt eines Slalom-Segels (volle Ansicht oben in der Galerie).

„Die Excel-Tabelle zeigt die aktuellen Maße, die wir vor Beginn der Saison an die PWA übermitteln (die Frist war der 15. Dezember 2022 für die Saison 2023 und wird auch für die Saison 2024 der 15. Dezember 2023 sein). Die zweite Abbildung ist eine PDF-Zeichnung, die erklärt, wie diese Messungen durchgeführt werden. Sie zeigt ein 8-Latten-Segel, aber ein 7-Latten-Segel wird auf die gleiche Weise gemessen, nur dass die letzte Zeile der Daten übersprungen wird.

Diese Werte werden bei einem Segel von der PWA gemessenFoto: PWADiese Werte werden bei einem Segel von der PWA gemessen

Es gibt eine Toleranz von 0,35 %, um Produktionstoleranzen, eventuelle Dehnungen und mögliche Toleranzen bei den Messungen zu berücksichtigen. Dies erlaubt in der Praxis eine Toleranz von +/-7 mm bei einer zwei Meter langen Lattentasche oder +/-3,5 mm bei einem ein Meter langen Achterliek-Lattenabstand.


Wie sehen die Fahrer die Kontrollen?

So weit die Regeln der PWA. Wir haben Michele Becker, den besten Deutschen im Slalom-Worldcup gefragt, wie er in seiner ersten kompletten Saison auf der Tour die Kontrollen der PWA erlebt hat.

„Die PWA hat während der ganzen Saison unser Material stichprobenartig kontrolliert. Entweder geschah dies an windlosen Tagen während des Events wie zum Beispiel am Gardasee, aber auch manchmal unmittelbar, wenn man von einem Finale zurück an Land kam. Es wurde kontrolliert, dass man nur angemeldete Sachen gefahren ist. Dabei wird natürlich hauptsächlich auf die Artikelbezeichnung der Hersteller vertraut, sodass nicht jedes Mal alles nachgemessen wird. Das passiert dann nur, wenn zum Beispiel beim Foil die Aufdrucke abgeschliffen sind oder wenn anderweitig Zweifel aufkommen, dass das Serienmaterial verändert wurde. So wie ich das von vielen gehört habe, ist es aber zum Glück wirklich selten, dass so ein Regelverstoß vorkommt.“


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