Was haben Maciek Rutkowski, Matteo Iachino und Pierre Mortefon gemeinsam? Alle drei sind bislang einmal Weltmeister geworden und brennen darauf, einen zweiten Titel zu holen. Vor dem Saison-Finale beim Fly ANA! Windsurfing World Cup im japanischen Yokosuka liegen die Top-Fahrer so eng beieinander wie selten zuvor. Das verspricht einen hochspannenden Event, der vom 11. bis zum 15. November läuft. Der Ort an der japanischen Pazifik-Küste ist der europäischen Zeit übrigens acht Stunden voraus - in den Morgenstunden kann man das WM-Rennen also entspannt im Livestream verfolgen.
Ein Blick aufs Ranking zeigt: Maciek Rutkowski geht als Führender ins Finale, doch punktgleich mit ihm lauert Matteo Iachino. Nur 100 Punkte hinter den beiden liegen Pierre Mortefon und Newcomer Johan Søe. Auch Amado Vrieswijk hat theoretisch noch WM-Chancen, wenn alle vier vor ihm patzen. Mit bislang vier Events ist auch ein Streicher bereits berücksichtigt. Zudem hängt es von der Anzahl der Eliminations ab, wie viele Punkte in Japan verteilt werden: Bei vier Durchgängen oder weniger gibt es 10.000 Punkte für den Sieger, ab fünf Eliminations sind es 10.300 Punkte. Ab Platz zwei gibt es jeweils 100 Punkte weniger.
Sollte es am Ende zum Gleichstand nach Punkten kommen - was bei der Ausgangslage durchaus möglich ist - wird laut dem PWA-Reglement eine Reihe von Kriterien betrachtet, um einen Sieger zu finden: Wer war bei mehr Events vor dem anderen? Wer hat mehr erste, zweite, dritte Plätze bei den Events? Wer hat mehr erste, zweite, dritte Plätze in einzelnen Eliminations? Als letzte Möglichkeit kann es einen Sail-Off, also ein separates Entscheidungs-Rennen zwischen den Kontrahenten geben.
Der Pole gewann 2022 ebenfalls in Japan seinen ersten WM-Titel und hat das Ranking die gesamte Saison über angeführt. Beste Chancen also für die Titelverteidigung, doch der ehrgeizige und hochprofessionelle Rutkowski blieb auf Fuerte und Sylt etwas hinter den Erwartungen zurück. Vor Westerland gewann er zwar eine Elimination, kam wegen einiger Patzer aber am Ende nur auf Rang acht. Er wollte mehr - am nahezu windlosen letzten Tag fuhr er wild gestikulierend vor dem Judge-Container auf und ab um zu zeigen, dass seiner Meinung nach noch weitere Rennen möglich wären. Weil Rutkowski mit Sylt schon einen Streicher hat, muss er in Japan weit nach vorne kommen.
Noch kein Event-Sieg 2023, aber eine stetige Steigerung im Saisonverlauf: Nach Platz sechs zum Auftakt am Gardasee kletterte der Italiener bis auf Rang zwei auf Sylt. Nimmt er diese Form mit nach Japan, wird er schwer zu schlagen sein. Zumal Iachino noch eine Rechnung offen hat: 2022 verlor er beim Japan-Cup nur hauchdünn gegen seinen Trainingspartner Rutkowski.
Beim Franzosen zeigt die Formkurve in die andere Richtung: Nach Platz zwei zum Saisonauftakt ging es langsam aber sicher abwärts. Auf Sylt kam der Weltmeister von 2019 nur auf Platz neun. Das ist derzeit sein Streicher, einen weiteren Ausrutscher kann sich Mortefon nicht erlauben.
Erst 19 Jahre alt und schon ein Top-Fahrer: Søe hat bereits in seiner zweiten PWA-Saison Chancen auf den WM-Titel. Er hat sich dieses Jahr noch keinen Ausrutscher geleistet und fährt immer um die Top 3 mit - doch weil er wegen seines Schulabschlusses in Pozo nicht dabei war, hat der Däne einen Nuller als Streicher. Er müsste also in Japan ganz nach vorne fahren. Doch so oder so wird Søe auf absehbare Zeit einer der Top-Kandidaten für den WM-Titel sein
Sylt-Sieger Amado Vrieswijk auf Platz fünf ist mit 30.000 Punkten ebenfalls noch im Rennen, aber nur theoretisch. Nach dem Ende seine Ambitionen im iQFoil greift der Freestyle-Schrank auch im Slalom wieder an und fuhr direkt wieder in die Weltspitze. Er hätte aber nur eine Chance, wenn von den vier anderen WM-Kandidaten niemand in die Spitze fährt. Dort wollen sich auch Michele Becker und Nico Prien festsetzen. Mit solidem Vorsprung auf Platz sieben und neun liegend, dürfte ein Top Ten-Ergebnis für dieses Jahr abgesichert sein. Dass beide auch das Zeug für einen Rang noch weiter vorne haben, haben sie in dieser Saison schon bewiesen.
Nicht dabei ist Pozo-Sieger Enrico Marotti, der Kroate wartet auf die Geburt seines ersten Kindes. Wieder am Start ist jedoch der Überraschungs-Fahrer des Gardasee-Word Cups: Will McMillan, in Torbole sensationell auf Platz drei, hat sich für den Japan-Event angemeldet. Der 19 Jahre alte, für Thailand startende Australier ist auf dem Foil bärenstark. Fährt er wieder dem halben Feld um die Ohren?
Weil es an der Spitze so eng zugeht, ist die WM-Entscheidung in vielen Szenarien relativ einfach: Wer in Japan am besten abschneidet, ist Weltmeister. Die einzigen Konstellationen, bei denen auch ein Platz weiter hinten ausreichen könnte sind die, bei denen einer der beiden momentan Führenden (Rutkowski/Iachino) Zweiter wird, und einer der Fahrer auf den Plätzen drei und vier (Mortefon/Søe) gewinnt. Dann würde es einen Gleichstand bei den Punkten geben und der Tiebreak käme ins Spiel. Dabei zeigt sich dann, dass nur für Maciek Rutkowski ein zweiter Platz zum Titel reichen würde, sofern Pierre Mortefon gewinnt:
Diese Szenarien gelten auch für die Plätze weiter dahinter, wenn vor den WM-Kandidaten nur Fahrer landen, die nichts mehr mit dem WM-Rennen zu tun haben.
Amado Vrieswijk, derzeit mit 300 Punkten Rückstand auf Platz fünf, hat ebenfalls noch rechnerische Chancen auf den Titel. Er müsste gewinnen, von den anderen vier Kandidaten dürfte jedoch niemand besser als Platz vier abschneiden. Dann gäbe es auch hier einen Punktegleichstand, bei noch schlechteren Platzierungen der Top 4 wäre Vrieswijk Weltmeister. In einem Tiebreak wäre der Mann von Bonaire gegenüber Rutkowski, Mortefon und Soe im Vorteil, nur gegen Iachino hätte er das Nachsehen.
Nicht ganz so eng geht das WM-Rennen bei den Damen zu: Die Top Drei Blanca Alabau, Marion Mortefon und Justine Lemeteyer trennen jeweils 200 Punkte. Doch weil die Damen auf Sylt nicht am Start waren, kommt erst in Japan ein Streicher mit ins Spiel, der nochmal für einige Verschiebungen im Ranking sorgen kann. Sarah-Quita Offringa, die auf Fuerte gewonnen hat und in Pozo Zweit wurde, ist für Japan nicht gemeldet. Sie wäre mit einem Streicher in den Kreis der Top-Favoritinnen aufgerückt.
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