PWA World CupInside Judge Tower - so wird beim Waveriding bewertet

Julian Wiemar

 · 27.09.2024

PWA World Cup: Inside Judge Tower - so wird beim Waveriding bewertetFoto: John Carter
Im Containder Judges geht es eng, aber ruhig und konzentriert zu. Wir durften kurz dabei sein.
Wie kommen eigentlich die Noten im Waveriding zustande? surf-Redakteur Julian Wiemar durfte auf Teneriffa den Judges während der heißesten Phase der Double Elimination einmal über die Schulter schauen.

Wie wird eigentlich ein Wave-Heat bewertet? Das fragen sich wahrscheinlich viele, denn allzu viel ­bekommt man von den Judges während eines Events gar nicht mit. Zu Beginn der Amtszeit des neuen Head Judges Luis Maria Escribano Guirola, den alle kurz „Pick“ nennen, wurden einige Änderungen am Judging-System vorgenommen. Aktuell läuft es wie folgt: Die meiste Zeit sind vier Fahrer gleichzeitig auf dem Wasser, die ersten beiden aus einem Heat kommen jeweils in die nächste Runde. Erst im letzten Stadium der Double Elimination, die eine Art Rückrunde darstellt, in der sich ein Fahrer durch die einzelnen Runden zurück nach vorne kämpfen kann, sind nur noch zwei Fahrer gleichzeitig auf dem Wasser.

In einem erhöht gelegenen Container, mit Glasscheibe und guter Sicht über die gesamte Wettkampf-Area, befinden sich insgesamt neun Personen: links drei Judges, rechts drei Judges und in der Mitte Head Judge Pick. Dahinter laufen die beiden sogenannten „Spotter“ mit großen Ferngläsern ausgestattet umher. Das Klima stickig, die Stimmung ruhig. Alle schauen konzentriert auf ihre Tablet-Computer, während rechts eine große Uhr runtertickt. Noch eine Minute bis zum Start – Beeep – es geht los, und plötzlich schreien alle durcheinander: „Backloop from Salmonn … one handed … Double from Paré, oh, Victor already on a wave …but where is Dunkerbeck?“

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Neues Judging-System in diesem Jahr

Was treiben die da? Wie kann man da den Überblick behalten? Pick klärt nach dem Heat auf: „Unser neues System, das ich dieses Jahr vor dem World Cup in Pozo testen konnte und dort anschließend direkt eingeführt habe, sieht vor, dass drei Judges (links) nur die Wellenritte bewerten und die anderen drei (rechts) nur Sprungwertungen vergeben. Die Jungs mit den Ferngläsern behalten jeweils den Überblick und sagen den Judges, was generell da draußen abgeht. Das funktioniert super.“

Pick ist seit 1996 Judge und hat in seiner Karriere schon einiges gesehen – er wirkt gelassen, selbst nach solch einem aufbrausenden Finale. Sein Job als Head Judge in der Mitte ist es, den Überblick über die Scores zu behalten und zu schauen, dass alles läuft. Zum Beispiel, dass alle Judges ihren Score abgegeben haben. Neben ihm läuft außerdem auf einem Bildschirm der PWA-Livestream, auf dem er die Replays checken kann, falls etwas unklar ist.

So werden die Sprünge im Waveriding bewertet

Aber wie wird denn nun im Einzelnen bewertet? „Sprünge sind relativ simpel, da es in der Wave-Disziplin einen klaren Score je nach Schwierigkeitsgrad von bis gibt“, erklärt Pick. Für einen Backloop kann es laut der Liste, die an der Wand des Containers hängt, beispielsweise 3,5 bis 6 Punkte geben. Ist der Backloop niedrig und nass, gibt es 3,5, ist er hoch und sauber, gibt es 6. Für die einhändige oder einbeinige Variante werden jeweils 0,5 Punkte draufgerechnet, für beides gleichzeitig gibt es 1,5 Punkte obendrauf.

Und so sieht das im Prinzip auch für alle weiteren Sprünge wie Forwards, Double Forwards, Push Loops oder Push Forwards aus. Da die Anzahl an Sprüngen, die in der Disziplin Wave zum Tragen kommen, im Vergleich zum Freestyle gering ist, bleibt die Liste überschaubar und die Sprungwertung eine relativ unkomplizierte.

Bei den Sprungwertungen gibt es eine klare Tendenz: Die Judges bestrafen mittlerweile „nasse“ Landungen, bei denen das Segel kurz im Wasser ist und sich der Fahrer (wenn auch nur für eine Sekunde) in einer Art Wasserstartposition befindet, relativ hart. So gibt es für einen nass gelandeten Doppelloop nur fünf Punkte, während eine sauberer Backloop sechs gibt – ein hoher, sauberer Doppelloop gibt hingegen acht Punkte.

Wellenritte: Lieber echtes Waveriding als Freestyle-Elemente

Kommen wir auf die andere Seite des Judging-Tisches: Wellenritte lassen sich nicht ganz so klar definieren und variieren im Score auch je nach Bedingungen und Spot – ein perfekter Ritt sieht nicht an jedem Tag und jedem Spot gleich aus. „Was wir nicht mögen und generell nicht besonders hoch bewerten, ist Freestyle auf der Welle, wir wollen richtiges, kritisches Abreiten übers Rail nach Lee sehen, echtes Surfen eben“, so Pick. So weit, so gut, aber was heißt das eigentlich? Für einen Windsurfer, der sich nicht mit dem Wellenreitsport befasst, sind die Wave Scores manchmal vielleicht schwer nachzuvollziehen. Denn ein langer Backside-Ritt nach Luv mit viel Wind im Segel, dem ein oder anderen Shaka als Upwind 360er und am Ende noch einem ins kräuselnde Weißwasser gedrückten Taka, mag an Spots mit schräg auflandigem Wind wie Cabezo lässig aussehen, gibt aber nicht annähernd so viele Punkte wie eine Kombination aus zwei kritischen Turns nach Lee auf einer deutlich kürzeren, aber kraftvolleren Welle. So lässt es sich vielleicht gut veranschaulichen: Wenn man sich das Segel wegdenkt, muss der Ritt über das Board im Prinzip aussehen wie bei einem Wellenreiter, der den Schub der Welle an den richtigen Stellen, zur richtigen Zeit nutzt, um unten Speed im Bottom Turn zu generieren und oben Projektion von der Wellenlippe im Top Turn erhält – das muss mehr der Druck der Welle übernehmen als der Druck durch Wind im Segel, dann gibt es einen guten Score.

Freestyle auf der Welle? Das mögen wir nicht. Wir wollen richtiges Wellenreiten übers Rail sehen.” (Luis Maria Escribano Guirola, PWA Head Judge Wave)

Aber warum ist das so? „Das, was schwieriger ist, wird eben auch höher bewertet“, meint PWA-Kommentator und Wave-Experte Ben Proffitt. „Hier auf dem Riff von Cabezo die richtige Welle auszuwählen und die richtigen Sektionen zu finden und diese so nutzen, ist eine Kunst, eine Fähigkeit, die nicht jeder Windsurfer hat.“ Ob zu einem Zehn-Punkte-Ritt in Cabezo Manöver wie 360er oder Takas gehören, da ist er sich nicht so sicher, denn wir haben in diesem World Cup keine zehn Punkte von den Judges für eine Welle auf dem Scoresheet gesehen. Doch eines steht fest: Wenn, dann müssen diese aus richtigen Bottom Turns hervorgehen und an den kritischen Stellen der Welle richtig krachen – und nicht als Freestyle-Move auf dem offenen Teil der Welle eingebaut sein.

Der Durchschnitt der drei Wertungen bildet die Punktzahl

Julian Salmonn beschreibt seinen imaginären Zehn-Punkte-Ritt in Cabezo wie folgt: „Du hältst von unten voll gegen die erste, steile Sektion der Welle vor dem Bunker gegen und rotierst direkt durch einen durchgeglittenen 360er, Air Taka oder Goiter und schaffst es, diesen sauber mit zwei weiteren fetten Railturns zu verbinden.“

Um auf zehn Punkte zu kommen, müsste jeder der drei Judges eine glatte Zehn eintippen, denn die Scores werden automatisch addiert und durch drei geteilt, so kommen die krummen Kommazahlen auf den Scoresheets zustande. Die besten zwei Wellen und den besten Sprung rechnet der Computer zusammen, der höhere Score gewinnt. Viele Heats gehen allerdings denkbar knapp aus – es kommt immer mal wieder vor, dass die Nachkommastelle übers Weiterkommen oder Ausscheiden entscheidet.


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