In “Papatowai” im Süden Neuseelands treffen die größten Wellen der Erde auf Land - “ein höllischer Kaltwasser-Wavespot” mit Temperaturen rund um den Gefrierpunkt. Im Sommer hingegen ruht der Spot - außer 2008, als Jason Polakow den Jackpot knackte und gemeinsam mit Robby Swift auf den Weg machte, um einen unfassbaren Big Day abzugreifen. Nach 33 Stunden Anreise ist der erste Spot Check zunächst enttäuschend: Kleine, chaotische Wellen und kaum Wind. Als kurz darauf ein Tow-In Surfer loslegt, fallen der Crew die Kinnladen runter: Mit einem Menschen als Größen-Referenz sind die Wellen einfach nur gigantisch! Nach dem Zuwasserlassen der Jetskis und einem langen Marsch zum Strand geht es raus in die Brandungszone, wo mühsam aufgeriggt wird. Auf dem Wasser werden die Mühen dann mehr als belohnt, auch wenn Jason und Robby in ihren Vier-Millimeter-Neos ein wenig frieren. Als eine Truppe einheimischer Tow-In-Surfer auftaucht, wird es beim Ringen um die Sets, die alle 20 bis 30 Minuten reinlaufen, etwas unentspannt. “Es gipfelte darin, dass ich es einmal schaffte, über das Tow-In-Seil eines Jets zu springen, um gemeinsam mit dem Surfer superspät in die Welle einzufahren und diese mit ihm abzureiten”, berichtet Polakow. “War der danach angefressen! Und hat der geschimpft!” Robby und Jason halten daraufhin respektvollen Abstand, später am Ufer freunden sich die Crews dann doch noch an.
2008 flog Philip Köster endgültig in den Fokus der Windsurfing-Welt. Mit gerade einmal 14 Jahren fuhr er an seinem Homespot Pozo in die Top Ten des World Cups - wobei eher Vargas der Homespot ist, schließlich lebt Familie Köster dort im einzigen Haus inmitten der Stein-Landschaft. Für surf erzählt Heinrich Dornbusch, wie Philip so schnell so gut werden konnte. “Mit Windsurfen hatten sie damals nichts am Hut”, heißt es über die Eltern Rolf und Linda Köster, die sich nach einem Afrika-Trip in den frühen Achtzigern auf Gran Canaria erholten. Über Familie Dunkerbeck wurden die beiden dann schnell angefixt und siedelten schließlich auf die Insel über. 1989 zogen sie ins legendäre Haus am Strand von Vargas, wo Philip und seine Schwester Kyra aufwuchsen. “Im Grunde haben sie dann die klassische Windsurfer-Karriere absolviert, Schotstart, Trapezfahren, Gleiten, Schlaufenfahren und die ersten Wenden und Halsen”, erzählt Vater Rolf - nur eben deutlich schneller als Normalsterbliche. “Wenn ich einen neuen Move lernen will, schaue ich ihn mir abends in Magazinen und Videos an und übe ihn am nächsten Tag mit Freunden auf dem Wasser”, so Philip. Nach dem Erfolg in Pozo häuften sich die Anfragen von Sponsoren, doch dem “Team Köster”, als das Philip und Kyra einige Jahre unterwegs waren, ist auch Bildung wichtig, beide gehen auf eine Privatschule. Das letzte Wort bei allen Entscheidungen haben die Kinder, “wenn Philip sich bei einer der zahlreichen Interview-Anfragen unwohl fühlt, [...] geht er eben lieber Windsurfen.” Und wir alle wissen, was danach noch kommen sollte: 2011 der erste WM-Titel, dem bis heute vier weitere folgen sollten, das regelmäßige Pushen der Grenzen des Sports - und auch zwei eindrucksvolle Comebacks nach schweren Verletzungen.
Auch wenn New York am Meer liegt, fällt die Verbindung zum Windsurfen nicht auf Anhieb ein. Für surf berichtete der gebürtige New Yorker Jace Panebianco - damals Worldcupper und heute Filmemacher - über die Spots am Big Apple. Wobei nur der Spot “Liberty Park” in Sichtweite der Freiheitsstatue wirklich in der Stadt liegt (”Ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, aber niemand scherte sich um uns und der Einstieg ist leicht”), die wesentlich besseren Reviere findet man auf Long Island. Das Ziel eine Trips mit alten Freunden ist eine Session im legendären Ort Montauk am Ostende der langgezogenen Insel, vor allem als Wellenreit-Spot bekannt. Auch so nah an der Metropole ist der Abenteuer-Faktor erstaunlich groß: “Wenn du die Windsurf-Möglichkeiten auf Long Island wirklich erschließen willst, brauchst du einen 4x4”, so Jace. An einigen Stellen kann man mit Genehmigung auf den Strand fahren, und die Crew erwischt in Lee der Mole des Shinnecock Inlet (eine Durchfahrt zu den Binnengewässern) eine tolle Session. Später geht es auf die Binnenseite zum Sebonic Inlet, wo Wind und Strömung gegeneinander stehen und eine Art stehender Welle produzieren, in der sich rund ein Dutzend Locals vergnügt. Als sich das Wetter beruhigt, geht es zurück in die Stadt, wo die beiden tatsächlich im Sonnenuntergang vor der Freiheitsstatue surfen - “bestimmt nicht die radikalste Session, die ich jemals hatte, aber eine der einprägsamsten.” Etwas später zieht es die Crew - inzwischen ohne den verletzten Jace - ans Ende von Long Island, in den legendären Fischerort Montauk in Erwartung eines großen Swells. “Unmittelbar vor der Küste fand gerade ein hochdotiertes Hai-Wettfischen statt”, entdecken sie Surfer beim Spot-Check. “Sogar aus eineinhalb Kilometern Entfernung konnte man noch das blutgetränkte Wasser um die Boote erkennen.” Hier spielt übrigens auch “Jaws” aka “Der weiße Hai” - angeblich inspiriert von wahren Begebenheiten. Als vermutlich erster Windsurfer wagt sich Fabrice in die Wellen am Point, bei extrem wenig Wind und einem felsigen Einstieg. Die Session auf perfekten, leeren Wellen spricht sich schnell herum - und der New Yorker Jace bekam Heimweh.
“Ich bin dekadent” gibt Roberto Ricci in diesem Porträt unumwunden zu - und lässt sich in kaiserlicher Geste auf seiner 850.000-Euro-Yacht ablichten. Vom Bademeister, Surfshop-Verkäufer über Worldcup-Profis hat er sich zum Shaper mit eigener Marke hinaufgearbeitet. Das lästige Hobeln erledigen inzwischen andere für ihn, doch Ricci behauptet, in jedem RRD-Board stecke 85 % Ricci. Der erledigt seinen Anteil hauptsächlich am Rechner: “Ein Windsurfboard ist kein Auto, kein Telefon, kein Computer, das akribisch getestet werden muss”, findet er. Ein Board besteht für ihn nicht nur aus Shape und Technologie, sondern auch aus Grafiken und Marketing. Dabei ist er sich sicher: “Wir machen das beste Produkt der Welt!” Damals beginnt Ricci, neben der Wassersport-Produkten auch eine Fashion-Sparte aufzubauen - heute der größere Teil der Firma RRD. Auch im Yacht-Bereich plant RRD damals aktiv zu werden. “Ich liebe Formen”, schwärmt er, dabei sei es zweitrangig ob es ein Board, ein Auto - oder eine Frau sei. Mit seiner Freundin genießt er seine Privilegien, während er sich von Mama Ricci bekochen lässt “wie es sich für einen wahren Italiener gehört”.
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