Kann es einen besseren Job geben als Testfahrer für eine der großen Windsurfmarken? Du bekommst laufend das neueste und tollste Material und darfst es ganzjährig in einem erstklassigen Surfrevier auf Herz und Nieren ausprobieren. Eine traumhafte Vorstellung, oder? Aber natürlich sieht das echte Leben eines Cheftesters bei einer Segelmarke etwas anders aus. Wir haben Sebastian Kornum, der für Segelmacher Robert Stroj die NeilPryde-Segel testet und Phillipe Vigneron, der Renato Morlotti bei der Entwicklung der Gun-Segel unterstützt, über ihren „harten“ Berufsalltag gesprochen.
Philippe Vigneron ist in der Vendée nahe der französischen Atlantikküste groß geworden. Seine Eltern waren schon Windsurf-Fanatiker, wie er erzählt und zogen ihn genauso zum Windsurfen. Heute ist er Cheftester der GunSails-Segelentwicklung in Tarifa. Wir erwischen ihn per WhatsApp-VideoCall häufig dann, wenn er im Auto und auf dem Weg zum Wasser ist oder auch mal – immer noch mit seiner ihm typischen Leichtigkeit – nur aufs Wasser schauen kann: „Es hackt hier gerade mit über 40 Knoten!“
Ja, mein Vater hat ein Segel kleiner geschnitten, weil ich zu jung war, um ein größeres Rigg aufholen zu können. Ich brauchte als kleiner Junge ein für mich handlicheres Segel, womit ich dann auf dem Wasser gute Fortschritte machen konnte.
Ich habe Jochen Krauth und Victor Diaz (beide Ex-Teamfahrer bei GunSails, Red.) eine Zeit lang beim Testen geholfen, dann wollte Jochen an Segel-Rennyachten arbeiten. Die Tür ging für mich auf und GunSails hat mich 2001 fest angestellt.
Es gibt so viele Parameter, die man an einem Segel verändern kann.”
Am Anfang habe ich viel Zeit auf dem Wasser verbracht und so viele Segel wie möglich getestet. Es gibt so viele Parameter, die man an einem Segel verändern kann, und das Problem ist ja nicht, dass man überhaupt ein Gefühl für die Eigenschaften des Segels bekommt und ob ein Segel sich leichter anfühlt oder „stabiler“ als ein anderes ist, sondern man muss verstehen, welcher Teil des Segels gut funktioniert oder welcher nicht. Man braucht also viel Erfahrung und die Kommunikation, und eine ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit dem Segeldesigner ist wichtig, um zu verstehen, wie man die Leistung verbessern kann.
Mit den Jahren konzentrieren sich alle meine Sinne immer schneller und besser, um Details vom Segel aufzunehmen. Ich vergleiche und korreliere mit Informationen von Segeln und Schnitten, die ich bereits in der Vergangenheit gefahren habe. Am Anfang hat diese Arbeit auf dem Wasser noch viel länger gedauert, wir haben da noch viel mehr Stunden gebraucht, um zu diesen Ergebnissen zu gelangen. Da habe ich auch mal ein 4.7er-Segel getestet und habe nach der Testsession genau dieses Segel noch zwei Mal gefahren, weil ich mir nicht sicher gewesen bin.
Wir beginnen um 10 Uhr im Loft. Wenn Prototypen fertig sind und hierfür die Bedingungen an den Spots stimmen, gehe ich direkt aufs Wasser. Wenn der Test abgeschlossen ist, komme ich ins Loft zur Nachbesprechung mit Renato zurück. Wir sprechen über die Änderungen, die wir vornehmen müssen, können diese unverzüglich vornehmen und ich gehe anschließend wieder aufs Wasser. Normalerweise bin ich um 18 Uhr fertig – im Sommer, bei thermischem Wind, wird es auch mal später.
Ja, wenn Wind und Wasserbedingungen passen, dann können wir am Tag bis zu zwei Re-Cuts testen.
Das hängt von jedem Segel ab, aber wir machen normalerweise bis zu vier Prototypen mit bis zu fünf Re-Cuts pro Größe. Wir können ein 7,8er-GSR mit zwei Prototypen verbessern, während ein 5,6er-GSR sechs Prototypen benötigt. Jede Größe hat ihre eigene Vorliekskurve, man kann ein 9er-Segel nicht einfach kleiner projizieren, um ein 8er-Segel zu machen! Aber klar, wir haben mit jedem Segel auch ein Zeitlimit, denn jedes Segel muss mit einem finalen Schnitt zu einem fixen Datum in die Produktion gegeben werden.
Keine Ahnung! Nach 20 Jahren sind es sicher ein paar Tausend, die ich auf dem Wasser getestet habe.
Ich weiß, wie man eine Nähmaschine bedient oder eine Mastkurve ändert, aber Renato ist besser und schneller als ich! An Masten arbeite ich, indem ich neue Masten an einer Maschine vermesse, und Segellatten schleife ich genauso an einer kleinen Maschine.
Ich denke 30 Prozent auf dem Wasser, 20 auf der Suche nach guten Bedingungen (es ist immer besser, das Segel in seiner ganzen Bandbreite zu „pushen“) und 30 Prozent mit Renato für Re-Cuts und Nachbesprechungen. Der Rest geht für die Vorbereitung des Materials drauf.
Wenn ein Segel gut funktioniert, sind sich alle einig. Die Rider, mit denen ich teste, haben mit meinen 1,83 Metern und 75 Kilo mehr oder weniger die gleichen körperlichen Voraussetzungen, was das Testen einfacher macht. In Fällen, in denen es sehr leichte oder sehr schwere Testpartner sind, kann es anders sein, denn sehr leichte Fahrer präferieren zum Beispiel eher weichere Segel.
Ich erinnere mich an eine Anekdote über einen deutschen Speedfahrer, der nach Lüderitz in Namibia fahren wollte und ein ganz spezielles Segel ohne Loose-Leech haben wollte. Ich mochte das Gefühl des Segels nicht, aber wir machten, was er wollte.
Gute Frage! Nein, normalerweise nicht, weil ich mein Gegenüber mit seinen frischen Eindrücken nicht beeinflussen möchte. Nach dem Test tauschen wir uns hierüber aus.
Ja, natürlich sprechen wir nach über zwanzig Jahren unserer Zusammenarbeit dieselbe Sprache, und Renato weiß genau, was ich ausdrücken möchte. Wenn ich ihm sage, dass das getestete Segel generell mehr Auftrieb geben muss, weiß er genau, was damit gemeint ist.
(Lacht!) Ja, wir verbringen viel Zeit miteinander. Auch nach 22 Jahren wollen wir uns und unsere Segel immer weiter verbessern. Wir pushen uns dabei gegenseitig und ich könnte nicht mit einem Typen arbeiten, wenn dieser „zufrieden“ ist. Und ja, wir reden sehr viel miteinander.
Natürlich ist es besser, wenn Renato mit dazu kommt, denn vier Augen sind noch besser als zwei Augen. Renato weiß aber besser, wie man das Segel zu verändern hat.
Ja, manchmal, wenn ich mit einem Slalomsegel auf dem Wasser bin, dann beobachtet er, wie das Segel aussieht und arbeitet.
Kinder zu erziehen ist wie ein Segel, das nie fertig wird!”
Unsere Segel noch besser zu machen und auf dem Wasser Windsurfer zu sehen, die glücklich mit unseren Segeln sind und von denen wir tolle Feedbacks bekommen.
Der Prozess, unsere Segel noch besser zu machen, ist nie zu Ende!
Ich bin verheiratet und habe Kinder, also verbringen wir gerne Zeit zusammen und mit unseren Freunden. Wir mögen es gern, Segeln und Windsurfen zu gehen und die Zeit draußen zu verbringen. Kinder zu erziehen ist wie ein Segel, das nie fertig wird!