Manuel Vogel
· 19.02.2025
Jedes Jahr im Spätherbst buddeln die Organisatoren der Lüderitz Speed Challenge einen wenige Meter breiten Kanal in die Lagune von Lüderitz/Namibia - zu dieser Jahreszeit einer der windigsten Orte der Welt. 2015 hatte Antoine Albeau hier mit 53,27 Knoten (98,66 km/h) einen Weltrekord im Speedsurfen aufgestellt und seitdem meist aus der Ferne beobachtet, wie sich die Konkurrenz Jahr für Jahr daran die Zähne ausbiss.
Ganz so ist es nicht, auch 2023 war ich ja schon in Lüderitz gewesen. Davor - da hast du recht - war ich aber viele Jahre lang nicht dort, weil ich immer noch im PWA World Cup aktiv war und es da Überschneidungen gab. Und wenn du nach Lüderitz kommen willst, musst du die ganze Zeit, also einen Monat, da sein. Nur mal zwei Wochen vorbeischauen, das funktioniert nicht. Wenn du dann genau die besten Tage verpasst, ärgerst du dich und abgesehen davon, ist es auch immer ein großes Investment.
Auf den Kanal kannst du nicht vorher, weil dort dann noch gebaut wird. Aber ich kann in Südfrankreich natürlich trainieren, zum Beispiel in La Palme (Speedspot bei Leucate, die Red.). Das Problem ist, dass man dort in der Regel anderes Material verwendet. In Namibia konnten wir am Diaz Point einige Tage vor dem Event trainieren, aber das ist natürlich nicht das gleiche, denn der Kanal ist sehr speziell.
Ich nutze meist zwei Segelgrößen - 5,3 und 5,7 qm. Auch ein 4,9er hatte ich dabei, aber das habe ich nicht benutzt. Dazu zwei Speedboards, die sind so um die 40 Zentimeter breit. Hier habe ich bewährte Shapes aus den Vorjahren.
Die Windbedingungen sind natürlich der wichtigste Faktor. Hier kommt es auf die Stärke an, ideal sind mehr als 45 Knoten Windgeschwindigkeit. Genauso wichtig ist aber der Winkel, in dem der Wind über den Kanal weht, ein paar Grad Abweichung machen einen riesigen Unterschied aus. Und natürlich musst du bereit sein und dein Equipment perfekt eingestellt haben. Damit ein Rekord möglich ist, müssen all diese Faktoren zusammenkommen.
Der Kanal war schon ziemlich gut, aber natürlich gibt’s immer Dinge, die besser sein könnten. Da geht es vor allem darum, wie die Luvkante des Kanals gestaltet ist, damit der Wind schön gleichmäßig ankommen kann und keine Chops entstehen. Der erste Teil des Kanals war diesmal schön glatt, danach wurde es aber zunehmend choppy.
Wir schwingen da schonmal die Schaufel! Natürlich geben wir unseren Input und versuchen vor Ort, kleinere Anpassungen selbst zu machen, etwa, wenn es darum geht, die Lage der Sandsäcke an der Luvkante zu optimieren und so weiter.
Du musst aufspringen und sofort losgleiten, was auf einem 40 Zentimeter schmalen Brett nicht so leicht ist (lacht). Direkt am Anfang der Startbox ist es noch tief genug, aber wenn du zu lange brauchst, um in die Schlaufen zu kommen, kannst du dir die Finne ruinieren, weil es dann schnell wieder flach wird. Es geht darum, sofort auf Speed zu kommen, denn wenn du um die Kurve abbiegst und die Messung beginnt, musst du schon nahe am Maximalspeed sein, wenn du einen Rekord fahren willst. Bei meinen besten Runs hatte ich direkt hinter der Kurve so 50, 51 Knoten auf dem Tacho. Den höchsten Speed habe ich meistens so 50 bis 100 Meter hinter der Startlinie erreicht.
Von 52 Knoten Durchschnittsspeed auf 53 zu kommen, das hört sich wenig an, ist aber für uns ein riesen Unterschied. Wenn du einen Durchschnitt von 53 Knoten über 500 Meter fahren willst, brauchst du Topspeeds von 55 Knoten in den Böen. Die Beschleunigungen sind natürlich stark spürbar und nähren die Hoffnung, dass auch der Durchschnittsspeed hoch genug war.
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Ein gewisses Risiko zu stürzen, fährt immer mit. Unsere Finnenprofile werden bis etwa 50, 51 Knoten stabil angeströmt, darüber kann es auch mal passieren, dass sie Luft ziehen und man einen Spinout bekommt. Man muss wissen, dass der Kanal dort wo wir fahren nur etwa 35 Zentimeter tief ist. Zwei Meter abseits der Ideallinie sind es vielleicht noch 25 Zentimeter. Wenn du da mit 100 Sachen einschlägst, ist das kein Spaß. Letztes Jahr habe ich einen Fehler gemacht, habe einmal die seitliche Begrenzung berührt, bin gecrasht und habe mir zwei Rippen gebrochen. Dieses Jahr hat es mich am Ende des Kurses in einer Böe einmal zu weit nach Lee versetzt, dadurch fehlte mir dann im Auslauf der Platz zum Abbremsen. Da bin ich stumpf in einen Sandhaufen an der leeseitigen Begrenzung der Auslaufzone gebrettert. Der Bug steckte einen halben Meter tief im Sand, das abgebrochene Heck und ich selbst flogen zum Glück über den Sandhaufen rüber.
100 km/h, das sind ziemlich genau 54 Knoten im Schnitt. Meine GPS-Daten zeigen, dass ich mal Runs hatte, wo ich die erste Hälfte mit 54,5 Knoten runterrast bin, bei anderen Runs war es die zweite Hälfte. Das beweist: Wenn du den magischen Run bekommst und alles passt, dann sind die 100 km/h auch mit dem aktuellen Equipment absolut möglich.
Ich plane, zur Lüderitz Speed Challenge 2025 zu kommen. Natürlich ist es immer eine Budgetfrage, man muss einen externen Sponsor finden, um es zu finanzieren. Die ganze Aktion mit Anreise, der Startgebühr, Wohnen und allem Drumherum kostet schnell mal 15.000 Euro.
Ja und nein! 2015 brauchten wir für 50 Knoten Speed etwa 45 Knoten Wind. 2025 schaffen wir 50 Knoten schon bei 35 Knoten Windspeed - das ist ein großer Fortschritt, der vor allem durch eine verbesserte Aerodynamik der Segel entstand. Wenn du unser aktuelles Speedsegel heute auf Kufen schnallst und über einen zugefrorenen See fährst, schaffst du über 100 km/h - die Segel könnten also schneller sein. Bei den Boards hat sich lange wenig getan, der Widerstand auf dem Wasser ist aktuell der limitierende Faktor. Meine Hoffnungen ruhen auf dem “Zephyr Project”, welches jetzt dank zweier Sponsoren wieder in Fahrt gekommen ist. Hier können wir Knowhow aus dem Flugzeugbau bei Airbus butzen und auf entsprechende Berechnungen und Modellierungen zurückgreifen. Wir testen Segel und Anzüge im Windkanal und auch bei den Boards wird es in naher Zukunft - so meine Hoffnung - einen Schritt nach vorne geben.
Noch nicht (lacht). Nur so viel: Die Unterwasserschiffe der neuen Bretter sehen komplett anders aus als bei klassischen Speedboards, mit dem Ziel, den Fahrwiderstand zu minimieren. Das Ziel muss sein, dass wir 50 Knoten Speed schon bei einer Windgeschwindigkeit von 30 bis 35 Knoten erreichen. Ein erster Prototyp ist schon fertig aber ich habe die Katze noch nicht aus dem Sack gelassen. Meine Hoffnung ist, dass ich jetzt im Winter in Südfrankreich einige Testsessions machen kann - ohne das mich damit jemand sieht (lacht).