Der Ort für Rekorde ist kein imposantes Stadion, sondern eine Bucht in der Wüste Namibias - die Kulisse für die Lüderitz Speed Challenge, bei der die schnellsten Windsurfer der Welt in der Hoffnung auf neue persönliche, nationale oder gar Weltrekorde jedes Jahr im November zusammenkommen. Lüderitz ist derzeit der einzige Spot weltweit, an dem neue Bestwerte realistisch sind. Hier wurde der legendäre Speed-Kanal in den Sand gebaggert und wird seither jedes Jahr für die Challenge aufs Neue präpariert. Entdeckt wurde der Spot, als es während einer Speed-WM Anfang der 2000er in Walvis Bay Gerüchte über noch mehr Wind in Lüderitz die Runde machten. Nach einigen Rekord-Versuchen auf dem offenen Meer wurde dann der erste Kanal gebaggert, und seither purzelten die Rekorde. Die schmale Rinne ist optimal auf die vorherrschende Windrichtung ausgerichtet, so dass man mit vollem Druck von schräg hinten Downwind fahren kann – quasi ein permanenter Slingshot, wie die Speedsurfer das Abfallen bei Vollgas nennen. Durch die geringe Breite werden Windwellen nahezu vollständig verhindert, das Wasser ist auch bei Orkanstärke fast spiegelglatt.
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Die Vorbereitungen am Kanal beginnen jedes Jahr schon lange vor der Eröffnung der Lüderitz Speed Challenge, die in diesem Jahr am 3. November startet. “Von Juli bis Oktober sind wir mit 10 bis 15 Leuten beschäftigt, den Kanal vorzubereiten”, erzählt uns Organisator Raffaello Gardelli. Der gnadenlose Wind, der das ganze Jahr mit bis zu zehn Windstärken weht, trägt jede Menge Sand aus der Wüste in Richtung Küste und lässt den Kanal nach und nach versanden. Zu Beginn der Vorbereitung muss die Rinne dennoch erstmal trocken gelegt werden, damit die Crew loslegen kann. “Wir haben ein eingespieltes Team aus Einheimischen”, so Raffaello, “die das hauptsächlich mit Schaufel und Schubkarre machen. Das ist ganz harte Arbeit, ohne diese Leute wäre das gar nicht möglich!” Bagger kommen nur sporadisch zum Einsatz - zu oft sind die schweren Geräte schon im Schlick versackt. Der ausgehobene Sand wird in Säcke aus Hanf gefüllt, die dann am Rand aufgestapelt werden. Dadurch bleibt die Luvkante sauber und der Chop wird nochmal minimiert.
Dabei wird der Kanal nicht einfach ausgehoben, sondern nach einem bestimmten Muster modelliert: In Luv ist er möglichst flach, etwa 30 bis 40 Zentimeter tief. In Richtung Leeseite wird die Rinne dann rund einen Meter tief. „Wenn du stürzt, hast du dort ein bisschen mehr Wasser“, kommentiert Lüderitz-Stammgast Björn Dunkerbeck trocken. Außerdem sorgt dieser etwas tiefere Bereich dafür, dass eine gewisse Wasserreserve im Kanal bleibt. Denn an Tagen mit besonders viel Wind wird nicht nur laufend Sand in die Rinne geweht, sondern das Wasser wird nach hinten aus der Rinne herausgedrückt. Vor allem in der Startbox, wo die Fahrerinnen und Fahrer noch nicht voll im Gleiten sind, wird das dann zum Problem. “Bei 40 Knoten Wind sind vorne etwa 20 cm weniger Wasser, ganz hinten aber 20 cm mehr”, beschreibt Raffaello.
Die Grundbefüllung bekommt der Kanal durch das Grundwasser und das nur wenige Meter entfernte Meer. Je höher die Flut steigt, desto mehr Wasser kommt auf natürlichem Wege in die Rinne – ideal sind dabei Vollmondnächte. „Aber es ist ja nicht den ganzen Monat lang Vollmond. Deswegen wird vor den Tagen mit gutem Wind zusätzliches Wasser in den Kanal gepumpt“, erzählt Dunkerbeck. „Und das kostet tausende von Euro am Tag. Richtig große Pumpen mit richtig viel Druck sind dafür nötig, da gehen ja Millionen von Litern rein. Das ist ein extrem großer Aufwand!“ Und je mehr Budget zur Verfügung stehe, umso besser sei der Kanal vorbereitet und könne auch während der Woche immer wieder optimiert werden.
Ich verspreche mir für dieses Jahr Einiges! Es werden viele nationale Rekorde fallen, und im Idealfall auch wieder der Weltrekord!“ (Björn Dunkerbeck)
Das Geld kommt dabei hauptsächlich von den Fahrern. 1250 Euro kostet es pro Woche, bei der Lüderitz Speed Challenge dabei zu sein – Anreise und Unterkunft kommen noch hinzu. Außerdem gibt es ein paar Sponsoren wie etwa das Lüderitz Nest Hotel, in dem viele Fahrerinnen und Fahrer sich einquartieren. „Dieses Jahr ist der Kanal komplett ausgebucht“, freut sich Dunki. Es gab also viel Zeit und Kapazitäten für die Vorbereitung, was sich vor allem an den Tagen mit gutem Wind bemerkbar machen werde. “Gut” bedeutet in diesem Fall rund 40 Knoten - “unter 30 Knoten geht auf dem Kanal eigentlich nichts”, so Raffaello. Für Dunki dennoch gute Vorzeichen: “Ich verspreche mir für dieses Jahr Einiges! Es werden viele nationale Rekorde fallen, und im Idealfall auch wieder der Weltrekord!“
Ganz ohne Hindernisse ging die Vorbereitung aber nicht über die Bühne: “Planung ist fast unmöglich, es kommt immer was dazwischen”, erzählt Raffaello. Dieses Jahr habe es vier Woche lang geregnet und den Kanal geflutet - zu einem Zeitpunkt, die Rinne für die wichtigsten Arbeiten eigentlich trocken sein sollte. Dennoch schwärmt der schweizerisch-schwedische Organisator von der Landschaft: “Das Land birgt extreme Naturgewalten und wunderbare Farben!”
Zu den wichtigsten Faktoren, die den Kanal schnell machen, gehört für Björn Dunkerbeck der Startbereich. „Es ist wichtig, dass es dort tief genug ist, damit du nicht beim Aufspringen die Finne auf dem Grund beschädigst“, beschreibt er. „Wenn die Finne kaputt ist, dann hat man kein Vertrauen und kann nicht richtig Vollgas geben.“ Nur mit einem optimalen Start könne man schon am Anfang der Messstrecke an die 100 km/h herankommen, um die dann über die gesamte Distanz zu halten.
Im Gegensatz zum Bau des Kanals ist die Messtechnik relativ einfach zu installieren. Während die Top-Speeds mit GPS gemessen werden, wird die Rekordstrecke mit zwei synchronisierten Spezial-Kameras kontrolliert, die 100 Bilder pro Sekunde aufnehmen. „Es gibt feste GPS-Punkte, an denen wir uns orientieren, die kontrollieren wir gemeinsam mit einem Topografen“, so Björn. Zur Orientierung stehen mehrere Pfähle vor der Kamera, um sicherzugehen, dass diese auch mit genau 90 Grad zum Kanal ausgerichtet ist. Das ganze System wurde vom deutschen Speedsurfer Manfred Fuchs entwickelt, der auch jedes Jahr vor Ort ist. “Als ich angefangen habe, wog das Mess-Equipment über 50 Kilo”, so Raffaello. “Manfred hat die Ausrüstung auf fünf Kilo reduziert!”
Und wie bereitet sich Björn selber auf die Lüderitz Speed Challenge vor? Schließlich hat er nach wie vor das große Ziel, die 100 km/h über 500 Meter zu knacken – eindrucksvoll beschrieben in seinem Film „Born to Windsurf“. „Sobald ich unten bin, gehe ich möglichst viel surfen - sowohl am Diaz Point, dem Spot in der Nähe des Kanals, als auch auf dem Kanal selber. Ich hoffe immer, dass am Anfang nicht so viel Wind ist, dass man sich wieder einsurfen kann“, erzählt Dunki. Er habe einige erprobte Speedboards mit gerade mal 40 Zentimeter Breite eingepackt und bekomme zusätzlich noch neue Bretter, „in der Hoffnung, dass sie noch ein bisschen schneller sind.“
Auch bei den Segeln packt Björn die bewährten Modelle aus dem Vorjahr ein, zusätzlich noch einen Satz neue Tücher. Und bei den Gabeln – setzt die Legende auf normale Modelle oder nimmt er asymmetrische Spezial-Anfertigungen? „Es ist noch nicht bewiesen, dass die Asymmetrischen schneller sind“, so Björn. „Die benötigen so viele Verstärkungen, dass die auch ein bisschen schwerer sind. Meine schnellsten Runs habe ich bislang immer mit normalen Gabeln gefahren.“
Doch nicht nur der Kanal, sondern auch die surfenden Hauptdarsteller der Lüderitz Speed Challenge 2025 machen Hoffnung auf neue Rekorde. Mit Antoine Albeau und Jenna Gibson sind die aktuellen Weltrekordhalter gemeldet, die beide vor einem Jahr neue Bestwerte in die namibische Wüste gezimmert hatten. Neben “Terminator” Björn Dunkerbeck ist aber auch Vincent Valkenaers ein heißer Kandidat für einen neuen Rekord. Dessen Sponsor Patrik hat das “Projekt 100” ausgerufen und schickt den Belgier ebenso wie Heidi Ulrich sicherlich mit Top-Material nach Lüderitz. Ulrich hat kürzlich erst einen neuen Rekord auf dem offenen Meer geholt und wird heiß sein, Jenna Gibson den Rekord wieder abzuluchsen. Auch Gunnar Asmussen war im vergangenen Jahr in der Spitzengruppe dabei, dieses Mal ist er nicht nur Aktiver, sondern mit seiner Segelmacherei “Sailmakers Dedication” auch Sponsor. Ebenfalls gemeldet ist Nils Bach, der jüngst einen neuen See-Rekord vermeldete, sowie Cedric Bordes und Youngster Brendan Lorho.
Los geht es bei der Lüderitz Speed Challenge am 3. November, die Contest-Periode läuft bis zum 30. November. Die Vorhersagen versprechen am Dienstag und Mittwoch guten Wind, ab dem kommenden Wochenende soll es dann richtig hacken! Alle Runs und Zeiten könnt ihr unter luderitz-speed.com/ranking-2025 verfolgen. Wir werden regelmäßig auf surf-magazin.de berichten!